Die Königin des tschechischen Chansons, Hana Hegerova, feierte ihr Lebensjubiläum im Nationaltheater
Welchem Sänger ist schon die Ehre zuteil worden, seinen Geburtstag mit einer großen Fan-Gemeinde auf der ersten Bühne Tschechiens zu feiern? Bei der Granddame des tschechischen Chansons, Hana Hegerova, war dem so. Am Dienstag, dem 20. Oktober, feierte die exzellente Sängerin ihren 72. Geburtstag in der bis auf den letzten Platz ausverkauften "goldenen Kapelle", wie das Prager Nationaltheater im Volksmund heißt. Hana Hegerova, der tschechischen Chansonette mit Leib und Seele, hat unsere freie Mitarbeiterin Lucie Drahonovska den heutigen Kultursalon gewidmet.
Eigentlich mag die bescheidene Dame keine opulenten Geburtstagsfeste. Anstelle einer Feier steht sie lieber auf der Bühne, um nicht dem falschen Sentiment zu erlegen, wie sie selbst sagt. An einen großen Auftritt auf der berühmtesten der renommierten Bühnen Tschechiens habe sie nicht gedacht, denn es wäre hier ihr erster überhaupt in ihrem Leben. Sie habe es nicht einmal gewagt, je davon zu träumen, sagte sie gegenüber Radio Prag:
"Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, dass es nie meine Ambition gewesen ist, im Nationaltheater in Prag zu singen. Es war die Idee meiner Agentur und ich war zu schwach, um mich dagegen zu wehren - eine lästige Gewohnheit aus früheren Zeiten. Ich bin aus der Slowakei nach Prag gezogen, für mich ist dieses Gebäude stets heilig gewesen. Daher fühle ich eine große Verantwortung."
1931 in der slowakischen Hauptstadt Bratislava/Preßburg als Carmen Farkasova geboren, hat sie von Kindheit an Ballett- und Fremdsprachenunterricht genommen und davon geträumt, eine Schauspielerin zu werden. Das Schicksal wollte es so, dass sie in den 50er Jahren von einer Prager Agentur entdeckt und in die Moldaumetropole eingeladen wurde. Ihr erstes Engagement hat sie in das Theater Rokoko geführt, das gerade gegründet wurde und nach neuen Talenten suchte. Aus Bescheidenheit tauscht sie ihren Namen, der ihr zu exotisch vorkommt, gegen ein Pseudonym und nennt sich von nun an Hana Hegerova. An die anfänglichen Schwierigkeiten, den Geldmangel und die unbeheizten Wohnungen, vor denen sie stets zum Theater flüchtete, erinnert sie sich heute mit einem Lächeln. Schicksalhaft bezeichnet sie ihre Begegnungen mit herausragenden Persönlichkeiten der tschechischen Künstlerszene wie Jan Werich, Jiri Suchy, Milos Forman, aber auch jene mit Gilbert Bécaud oder Charles Aznavour. Hier hat sie das Chanson für sich entdeckt.
Dank ihres facettenreichen Ausdrucks, höchster schauspielerischer Professionalität und ihrer absoluten Einsatzbereitschaft ist Hana Hegerova als eine der wenigen tschechoslowakischen Sängerinnen auch im Ausland berühmt geworden. Mit ihren Chansons, die jedem Zuhörer unter die Haut gehen, trat sie in fünfzehn Ländern auf, eroberte die Pariser "Olympia" genauso wie das Münchner Kabarett der "Lach- und Schießgesellschaft". Die ausländische Presse lobt sie in Superlativen und nennt sie die "Edit Piaf aus Prag". Ihr Erfolg basierte hierbei nicht nur auf ihrer natürlichen Ausstrahlung, sondern auch auf ihrer Fähigkeit, Lieder in Deutsch, Jiddisch, Französisch, Ungarisch und Englisch, überzeugend zu interpretieren.Was verbirgt sich eigentlich hinter dem Chanson, mit dem sie eine lebenslange Liebe verbindet, wollten wir von Hana Hegerova wissen:
"Bei uns wird das ´Chanson´ als etwas sehr Kompliziertes empfunden. Vor allem das so genannte ´realistische Chanson´, das meine Domäne gewesen ist. Ich würde jedes Lied als Chanson bezeichnen. Es erfordert einen hohen Einsatz des Sängers und eine gute Qualität des Textes."
Als der Stern von Hana Hegerova steil aufzugehen begann und sie aus dem Ausland jede Menge Angebote erhielt, kam das Jahr 1968 und mit ihm die Besatzung der damaligen Tschechoslowakei durch die Warschauer Paktstaaten. Etliche Auftrittsverbote im In- und Ausland und sogar eine halbjährige Inhaftierung haben auch Hana Hegerova ereilt. Ihr neues Betätigungsfeld fand sie im Prager Theater "Na Zabradli" ("Am Geländer"), dem sie bis zum Wendejahr 1989 angehörte. In der Zeit danach fühlt sie sich ihren eigenen Worten zufolge wie "ein durchaus glücklicher Mensch". "Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich wirkliche Freiheit genossen, konnte singen, was ich wollte. Das bedeutet mir alles", äußerte sie in einem Interview.
Dass Hana Hegerova ihre Arbeit großen Spaß bereitet, belegen nicht zuletzt zehn CDs, die sie nach der Wende herausgegeben hat, sondern auch ihre Auftritte selbst. Viermal im Jahr ist die Sängerin auf der Bühne des Prager Theaters "Kalich" zu sehen, nimmt an Benefizveranstaltungen teil, ist im Fernsehen und im Radio ein gefragter Gast.
Anlässlich ihres 72. Geburtstages hat sie im Nationaltheater einen einzigartigen Gala-Abend gegeben, an dem sie ihre Bewunderer, darunter viele tschechische Promis, mehrfach überraschte. Außer ihren großen Hits ertönten auch neue Lieder, die ihre jüngste CD enthalten wird. Zu ihrem Gala-Auftritt lud sie außerdem junge tschechische Sänger ein, die sie persönlich schätzt (unter ihnen waren z.B. die junge Akkordeonistin und Sängerin Raduza oder die Musikgruppe Bengas).
Auf unsere Frage, ob es in ihrem breiten Repertoire Lieder gebe, die sie besonders gerne mag, antwortete Frau Hegerova lächeld:
"Ich mag alle meine Lieder, die ich singe. Es hängt nur von der momentanen Stimmung ab. Aber ich muss zugeben, dass ich mir zum Beispiel im Radio meine eigenen Lieder nicht anhöre, weil ich dann auf mögliche Fehler fixiert bin, die ich gemacht habe. Außerdem ist es unangenehm, diese Fehler immer wieder aufs Neue festzustellen."
Sehr erfreulich ist die Nachricht, dass Hana Hegerova ihr Geburtstagskonzert in Mähren wiederholen wird: Und zwar am 10. November im Janacek-Theater in Brno/Brünn.
Und wie anders könnten wir unseren heutigen Kultursalon schließen, wenn nicht mit einem Chanson. Ich selbst darf mich von Ihnen verabschieden, Sie hören nun Hana Hegerova mit dem Titel "Zila som spravne"/ " Ich habe richtig gelebt", den sie in ihrer Muttersprache Slowakisch singt.