Deutsch-tschechisches Frauenforum stellt Projekt zur Auseinandersetzung mit Flucht und Vertreibung in Europa vor

Die Aussiedlung der Deutschen, 1945

Flucht, Ausrottung und Vertreibung in Europa - zur Beschäftigung mit diesem Thema hatte am Mittwoch und Donnerstag das tschechisch-deutsche Frauenforum die interessierte Öffentlichkeit sowie Fachleute zu einer Konferenz in die Bibliothek der Versöhnung nach Liberec/Reichenberg eingeladen. Nicht nur, um über diese Problematik zu diskutieren, sondern auch um ein konkretes Projekt vorzustellen. Silja Schultheis berichtet.

Vertreibung der Sudetendeutschen
Eine für weite Bevölkerungskreise erschwingliche, auch für Schüler leicht verständliche und trotzdem wissenschaftlich fundierte Publikation will das deutsch-tschechische Forum der Frauen herausgeben und begleitend dazu eine Wanderausstellung gestalten. Dabei soll das sensible Thema der Kriegs- und Nachkriegsereignisse bewusst aus regionaler Perspektive, am konkreten Beispiel des tschechisch-polnisch-deutschen Dreiländerecks in der Euroregion Neiße angepackt werden. Vor dem Hintergrund der aktuellen kontroversen Debatte um die Nachkriegsgeschichte verstehen die Frauen ihr trinationales Projekt auch als Alternative zu dem gegenwärtig heftig diskutierten Zentrum gegen Vertreibung - auch wenn das Projekt des Frauenforums nicht als Reaktion darauf entstanden ist. Das Zentrum gegen Vertreibung, vom Frauenforum klar abgelehnt, habe einen ganz entscheidenden Schwachpunkt, so Ingrid Lottenburger, deutsche Vorsitzende des Frauenforums:

"Es leistet keine Versöhnungsarbeit. Es leistet eine Dokumentation dessen, was an verschiedenen Stellen passiert ist, aus unterschiedlicher Sicht. Aber das, was wir wollen, ist eben ganz auf Empathie ausgerichtet, so dass man die Möglichkeit hat, den anderen in seiner unterschiedlichen Position zu verstehen."

Beteiligt sein sollen an dem Projekt Historiker, Pädagogen und Ausstellungsmacher aus Tschechien, Polen und Deutschland - keineswegs nur Frauen. Dennoch sei das Vorhaben von einer klaren weiblichen Komponente geprägt: Zum einen seien es Frauen und Kinder gewesen, die am meisten unter den Traumata von Flucht und Vertreibung gelitten hätten, meint die tschechische Vorsitzende des Forums, Vera Vohlidalova. Und zum anderen, ergänzt Ingrid Lottenburger:

"Die weibliche Komponente ist schon dadurch abgesichert, dass überhaupt etwas passiert. Das ist schon ein ganz wichtiger Punkt. Ich denke auch, dass Frauen häufig sehr viel pragmatischer an die Dinge herangehen als Männer und dass wir oft auch durch unsere pragmatische Herangehensweise die Männer von der Notwendigkeit überzeugen können, dass etwas getan wird."

Die Konferenz war - ähnlich übrigens wie im letzten Jahr - von einer regen Beteiligung des Publikums geprägt. Neben Zeitzeugen und Regionalpolitikern meldeten sich auch junge Geschichtslehrer und Schüler aus der Region zu Wort. Eben die junge Generation ist es auch, die das Frauenforum optimistisch stimmt - trotz vielfach von der älteren Generation übertragener Traumata und trotz der gegenwärtig in Tschechien diskutierten Aufhebung von Geschichte als selbständiges Unterrichtsfach an den Schulen. Vera Vohlidalova:

"Ich denke, dass die jüngere Generation, weil die keine Probleme mit dem EU-Beitritt hat, sich selber kümmern und zu den Informationen kommen wird."