Parteitag der tschechischen Christdemokraten in Ostrava/ Ostrau
Vergangenes Wochenende hielt eine der beiden kleineren tschechischen Regierungsparteien, die christlich-demokratische Volkspartei KDU-CSL in Ostrava/Mährisch Ostrau ihren Parteitag ab. Neben den üblichen Beschlüssen, die auf solchen Veranstaltungen gewöhnlich gefasst werden, hatten die 303 Delegierten noch eine besondere Aufgabe zu lösen, nämlich aus vier Bewerbern einen neuen Parteivorsitzenden zu wählen. Gegen den Amtsinhaber, Außenminister Cyril Svoboda, traten Umweltminister Libor Ambrozek, Fraktionschef Jaromir Talir und der Abgeordnete Miroslav Kalousek in den Ring.
Die Gründe dafür scheinen ziemlich einleuchtend zu sein. Zwar sind die Christdemokraten nach vier Jahren in der Opposition seit vergangenem Sommer wieder in der Regierung vertreten, nicht aber in der ursprünglich erhofften Stärke, sondern nur als Juniorpartner der Sozialdemokraten. Noch Anfang Januar 2002 galt es dabei als sehr wahrscheinlich, dass das unter maßgeblicher Federführung der Volkspartei entstandene Parteienbündnis "Viererkoalition" im Juni die Wahlen gewinnen würde. Doch das Scheitern dieses Projekts kurz vor der Zielgeraden wirkt auch heute noch bei vielen Christdemokraten nach, wie sich bei den zahlreichen Delegiertenkonferenzen in den vergangenen Wochen zeigte. Die Gemütslage der Basis ließe sich wohl am besten mit der Forderung nach einem "Zurück zu den Wurzeln" der Partei zum Ausdruck bringen.
Heißt das also zurück zu den traditionellen Themen der Partei, den Wählern im ländlichen Raum und gleichzeitig eine Resignation bezüglich der städtischen Wähler? Dazu befragten wir den Politikwissenschaftler und Parteienforscher Ladislav Cabada von der Universität in Plzen/Pilsen, der das Wahlergebnis des Jahres 2002 als eine wichtige Zäsur für die Christdemokraten bezeichnet:
Diese Einschätzung des Parteienforschers Ladislav Cabada teilt auch der christdemokratische Kommunalpolitiker Marian Hosek, der seit mehr als zehn Jahren seine Partei im Prager Gemeinderat vertritt. Hosek, der vor kurzem zum Chef der Prager Volkspartei gewählt wurde, sieht einen der Gründe für die gegenwärtig ungünstigen Wählerumfragen darin, dass seine Partei ganz einfach keine klaren Konturen zeige und sich deshlab viele Mitglieder nach einem traditionelleren Erscheinungsbild sehnen würden:
"Ich denke, dass im Rahmen eines gemeinsamen Programms mit der liberalen Freiheitsunion, dass wir über einige Jahre hinweg entwickelt und vertreten haben, allmählich unsere Handschrift verloren ging, so dass eigentlich niemand mehr so recht wusste, welche Anliegen wir eigentlich erreichen wollen. So ist es verständlich, dass man nun versucht, sich auf die alten und erprobten Themen zurückzubesinnen, denn schließlich - und das muss ich als ein in Prag wirkender Politiker eingestehen - bildet den Hauptteil unserer Wählerbasis eine eher ländliche Bevölkerung, die sich vielleicht durch das Programm der Viererkoalition verraten fühlte."
Hosek räumt jedoch ein, dass ein möglicher Versuch, die Christdemokraten wieder auf eine fast ausschließlich im ländlichen Raum wirkende Partei zu beschränken, ein schwerer Fehler wäre und einen wirklichen Rückschritt bedeuten würde. Gerade Prag ist nämlich ein relativ gutes Beispiel dafür, dass es Anfang der 90er Jahre relativ lange dauerte, bis die Volkspartei ihr Image, eine "katholische Bauernpartei" zu sein, loswurde. Auch jetzt dürfe, so Hosek, die Politik für die großen Städte und Ballungszentren innerparteilich nicht an den Rand gedrückt werden. Die Strategien dafür, wie die Christdemokraten stärker in den Städten werden könnten, sollten laut Hosek wie folgt aussehen:
"Das, was wir in Prag erreichen wollen, ist jene Bereiche aufzusuchen, wo wir meinen, dass wir dort natürliche Verbündete haben und zwar insbesondere bei verschiedenen Bürgerinitiativen. Es hat sich bereits bei den letzten Wahlen gezeigt, dass dort, wo wir in diesen intensiven Kontakt getreten sind, wir gute Einzelergebnisse erzielen konnten - wie z.B. in einigen Prager Plattenbausiedlungen, wo diejenigen Bewerber Erfolg hatten, die den Wählern eben aus verschiedenen Initiativen bekannt waren. Ich denke also, dass das einer der möglichen Lösungen wäre."
Die Volkspartei gehört im heutigen Tschechien zu den traditionsreichsten Parteien. Ihre Vorläufer wurden bereits Ende des 19. Jahrhunderts gegründet und schlossen sich 1919 in der Volkspartei zusammen. Obwohl die Partei an fast allen Regierungen der Ersten Republik vertreten war, hatte sie als eine ausschließlich katholische Partei in der stark antiklerikal geprägten politischen Kultur der Zwischenkriegs-Tschechoslowakei keinen einfachen Stand. Die Folge war, dass die Partei gerade durch ihre Regierungsbeteiligungen versuchte aus diesem Ghetto herauszubrechen. Die Notwendigkeit, innerhalb der Regierung Kompromisse schließen zu müssen, hat nach der Meinung des Politikwissenschaftlers Cabada nicht nur maßgeblich die politische Kultur der Partei geprägt. Er meint sogar, dass sich auf Grund dessen die tschechischen Christdemokraten heute von ihren Schwesterparteien in den anderen ehemaligen kommunistischen Ländern unterscheiden und somit eine gewisse Ausnahmeerscheinung darstellen:
Eines der Themen, das innerhalb der tschechischen Christdemokraten seit langem diskutiert wird, ist die künftige strategische Ausrichtung der Partei, vor allem im Hinblick auf mögliche Koalitionspartner. Schließlich ist die Volkspartei die einzige Partei des Landes, die in den vergangenen zehn Jahren sowohl an einer Mitte-Rechts-, als auch an einer Mitte-Links-Regierung beteiligt war und somit beurteilen kann, welche dieser beiden Koalitions-Modelle ihr mehr entgegenkommen würde.
Diese Frage stellten wir auch dem Vorsitzenden der Prager Christdemokraten Marian Hosek, der dazu meinte:
"Ich glaube, dass unser Grundsatzprogramm komplex ist und es sich nicht nach dem gewöhnlichen links-rechts-Schema einteilen lässt. Man darf die bisherigen Regierungsbeteiligungen der KDU nicht ohne die weiteren Zusammenhänge sehen. Die Verbindung mit der ODS fand während des Transformationsprozesses statt, wo vieles in Wirtschaft und Gesellschaft geändert werden musste und natürlich war unser Wirken auch nicht frei von Fehlern. Für eine Beurteilung der Kooperation mit dem Sozialdemokraten ist es natürlich noch zu früh, aber die jetzige Regierungskoalition geht Problemfelder an, die bis dahin eher am Rande wahrgenommen wurden, wie z.B. der Kampf gegen Korruption. Wir wollen aber auf jeden Fall nicht ein Anhängsel der jeweils stärksten Regierungspartei sein - weder jetzt noch in Zukunft - ganz unabhängig davon, um welche Partei es sich dann handeln würde."
Diese Meinung teilt weitgehend auch der Pilsener Politikwissenschaftler Ladislav Cabada, der dabei auf die vorteilhafte Position in der Mitte verweist. Längerfristig glaubt er jedoch, dass der konservative Charakter der Partei und das Festhalten an traditionellen Wertvorstellungen die Partei eher als Partner in einer von rechten Parteien geführten Regierung erscheinen lässt: