„Die Politik muss kultiviert werden“: Helena Martinková und die jungen Christdemokraten
Helena Martinková ist Studentin und Politikerin. Sie nahm vor kurzem an einer Konferenz teil, die von der tschechischen Sdružení Ackermann-Gemeinde organisiert wurde. Am Rande der deutsch-tschechischen Tagung hat Martina Schneibergová mit Helena Martinková gesprochen.
Die Konferenz der Sdružení Ackermann-Gemeinde fand am 10. und 11. Februar unter dem Motto „Von Versöhnung zum Aufbau eines gemeinsamen Europas“ statt. Eine der Podiumsdiskussionen konzentrierte sich auf die Rolle der Jugend und die Verantwortung der Bürger. Eine der Diskutierenden war Helena Martinková. Die Studentin ist Vorsitzende von „Mladí lidovci“, der Nachwuchsorganisation der tschechischen Christdemokraten (KDU-ČSL). Die Jugendorganisation entstand 2012, und vor knapp drei Jahren schloss sie sich mit den ehemaligen „Jungen Christdemokraten“ zusammen.
Helena Martinková stammt aus der ostmährischen Stadt Valašské Klobouky / Wallachisch Klobouk. Sie leitet die über 400 Mitglieder zählende Jugendorganisation das zweite Jahr. Im Vorstand ist sie unter anderem für die Beziehungen mit dem Ausland zuständig. Wie hat sie die Ackermann-Gemeinde kennengelernt? Die Politikerin:
„Die Ackermann-Gemeinde kenne ich dank der Konrad-Adenauer-Stiftung. Zudem sind einige meiner Bekannten in der Ackermann-Gemeinde aktiv. Bisher habe ich die Aktivitäten der Organisation sozusagen nur aus der Ferne beobachtet. Nun wurde ich als eine der Diskutierenden eingeladen. Ich fand das jetzige deutsch-tschechische Treffen sehr inspirierend und die Atmosphäre angenehm. Mir gefällt der Gedanke, der hier auch anklang: Dass es nämlich notwendig ist, sich um die Beziehungen zu kümmern und sie wirklich kontinuierlich zu pflegen. Ich habe hier viele Menschen getroffen, die sich aufrichtig um das gegenseitige Kennenlernen bemühen und die nicht nur über die Beziehungen selbst diskutieren, sondern auch über alles, was diese irgendwie beeinflussen kann.“
Eine der Fragen, die auf dem Podium angesprochen wurden, war die Beziehung der tschechischen Bevölkerung zur Europäischen Union. Das sei ein dankbares Thema, merkt Martinková an:
„Natürlich ist es sehr bedeutend. Ich finde wichtig, wie sich verschiedene Persönlichkeiten über die EU äußern, was für Geschichten und Beispiele wir als Politiker wählen, wenn wir über die EU sprechen. Dies wirkt sich darauf aus, wie die Öffentlichkeit die Europäische Union wahrnimmt. Denn wir Politiker sind sozusagen Zusteller der Informationen und Mitteilungen.“
Zusammenarbeit mit Deutschland
Die Beziehungen zu und der Austausch mit den deutschen Kollegen sind für die junge Politikerin, wie sie gleich zu Beginn des Gesprächs betonte, besonders wichtig. Auf welche Bereiche soll sich die Zusammenarbeit mit Deutschland ihrer Meinung nach derzeit konzentrieren? An erster Stelle nennt Helena Martinková die Hilfe für die Ukraine und fährt fort:
„Ich denke, dass sich Tschechien und Deutschland dem Ernst der Lage bewusst sind. Sie nehmen wahr, wie sich Russlands Krieg gegen die Ukraine auf die Sicherheit in Europa auswirkt. Wir müssen die Ukraine allseitig und genügend unterstützen. Ein weiterer Bereich, in dem wir mit Deutschland zusammenarbeiten sollten, ist die grüne Transformation. Im Industriebereich sind die beiden Länder miteinander verbunden, da bietet sich die Kooperation bei der grünen Transformation an.“
Mit einer nachhaltigen Nutzung der Naturressourcen befasse sie sich auch in ihrem Studium an der Landwirtschaftlichen Universität in Prag, wie Martinková anmerkt:
„Ich habe Wasserwirtschaft studiert. Derzeit knüpfe ich daran mit einem Studium der Forstwirtschaft und der Landschaftspflege an. Ich befasse mich mit dem Umgang mit den Naturressourcen und deren Schutz. Dieser wirkt sich auf das Klima und damit auch auf unser Leben aus.“
Frauen in der Politik
Helena Martinková ist die erste Frau, die an der Spitze der Nachwuchsorganisation der tschechischen Christdemokraten steht. Ist es für die Frauen in Tschechien immer noch schwieriger als für die Männer, sich in der Politik durchzusetzen und führende Posten zu bekleiden? Die junge Christdemokratin:
„Ich bin davon überzeugt, dass in diesem Bereich noch viel nachzuholen ist. Das politische Umfeld ist für Frauen nicht günstig, insbesondere wenn sie in die Politik gehen und auch Kinder erziehen. Das Engagement in der Politik nimmt viel Zeit in Anspruch. Meistens stellen wir zudem hohe Ansprüche auch an uns selbst. Manchmal wissen die Frauen schon in dem Moment, wenn sie in die Politik gehen, dass sie sich nicht so intensiv engagieren können, wie sie wirklich möchten. Dies kann sie einschränken. Ich denke, dass wir noch viel dafür unternehmen müssen, um den Frauen den Eintritt in die Politik zu erleichtern. Zudem sollten wir uns um eine Kultivierung der Politik bemühen.“
Über die Notwendigkeit, die Politik zu kultivieren, wird in Tschechien immer wieder gesprochen. Es sind häufig eben eher jüngere Politikerinnen, die in den sozialen Netzwerken zum Ziel anonymer verbaler Angriffe, Beleidigungen und vulgärer Beschimpfungen werden. In der Vergangenheit veröffentlichten unter anderen die Vorsitzende des Abgeordnetenhauses, Markéta Pekarová Adamová (Top 09), und ihre Vizevorsitzende, Olga Richterová (Piraten), Beispiele von beleidigenden Kommentaren, die sie bekommen hatten. Ist diese Atmosphäre in der Politik nicht einer der Faktoren, die Frauen davon abhalten, sich politisch zu engagieren? Helena Martinková:
„Es verlangt wirklich Mut und Energie, sich mit derartigen Attacken auseinanderzusetzen. Es ist unglaublich, was anonyme Nutzer zu schreiben imstande sind. Vulgäre und beleidigende Kommentare bekommen aber auch Politiker. Bei Frauen wird jedoch viel häufiger ihr Aussehen kommentiert. Eine wichtige Rolle spielt dabei natürlich die Anonymität der Autoren der Hasskommentare. Ich stelle mir oft die Frage, wie dies zu lösen wäre und ob es einen Ausweg gibt. Es freut mich, dass es Initiativen gibt, die darauf aufmerksam machen.“
Es sei notwendig, die Gesellschaft zu kultivieren, betont die junge Politikerin erneut und fährt fort:
„Es ist bekannt, dass sich die kritischen Bemerkungen über das Aussehen auf den psychischen Zustand der Menschen auswirken, vor allem wenn sie wiederholt geäußert werden. Das Engagement in der Politik darf nicht dazu führen, dass eine Politikerin auf Empathie und auf Emotionen verzichtet. Denn ohne Empathie können auch Politiker bestimmte Situationen nicht entsprechend auswerten. So etwas zu unterstützen, wäre zweifelsohne ein schlechter Weg.“