Nächtliche Regierungssitzung über bevorstehenden EU-Gipfel

Europäische Komission (Foto: CTK)

Die tschechische Regierung hat in der Nacht auf Montag eine Sitzung abgehalten, die um eine einzige Frage kreiste: Welches Forderungspaket schnürt das Land für den bevorstehenden EU-Gipfel in Brüssel? Gerald Schubert berichtet:

Europäische Komission  (Foto: CTK)
Kurz vor wichtigen EU-Gipfeln pflegt die Atmosphäre in den einzelnen Staaten stets ein wenig nervös zu werden, für den Ausgang der Verhandlungen aber sagt das in der Regel recht wenig aus. Auch vor einem Jahr, als auf dem Gipfel von Kopenhagen die letzten Details der Beitrittsverträge mit den Neuen verhandelt wurden, schien so mancher wichtiger Punkt am seidenen Faden zu hängen, das Treffen selbst verlief dann jedoch erstaunlich glatt.

Nun steht wieder einmal ein großes Gipfeltreffen bevor. Am Freitag, am Samstag, und vielleicht sogar bis in den Sonntag hinein wollen die Delegationen aus den 15 EU- und den 10 Beitrittsländern über den vom Konvent ausgearbeiteten Vorschlag zu einer gemeinsamen Verfassung verhandeln. Die Stimmen, die dieser Tage aus verschiedenen Ländern zu hören waren, vermitteln einen teils recht pessimistischen Eindruck. Man müsse sich nicht unbedingt einigen, man könne sich durchaus vorstellen, die Verhandlungen im nächsten Jahr unter der neuen, irischen Präsidentschaft fortzusetzen. Auch in Tschechien spricht einiges für eine gewisse Angespanntheit. So etwa auch die späte Stunde, für die man in der Nacht auf Montag zwecks letzter Abgleichung der Standpunkte gegenüber dem Verfassungsvorschlag eine Regierungssitzung anberaumt hatte. Man hätte, so hieß es offiziell, keinen anderen Termin mehr finden können.

Im Anschluss an das Treffen erläuterte Außenminister Cyril Svoboda dann die zentralen Forderungen Tschechiens. Und beginnt dabei mit scheinbar altbekanntem:

"Was den Entscheidungsprozess in der EU betrifft, so wollen wir, dass ein Land unserer Größenordnung wirklichen Einfluss hat - auch wenn dieser Einfluss natürlich durch unsere tatsächliche Größe und auch durch unsere Fähigkeit, uns mit anderen zu einigen, gegeben ist. Es geht also darum, dass es ein Abstimmungsrecht gibt, in dem die großen Staaten die kleinen nicht überstimmen können."

Die Neuerung steckt hier im Detail: Grundsätzliche Änderungen wie etwa die Übertragung von Kompetenzen von nationalstaatlicher auf EU-Ebene sollen zunächst von allen nationalen Parlamenten begutachtet werden, und erst dann soll man im Europäischen Rat mittels qualifizierter Mehrheit eine Entscheidung treffen. Außerdem will ja Tschechien, dass nicht nur mindestens 60 Prozent der Europäischen Bevölkerung, sondern auch 60 und nicht nur 50 Prozent der Staaten für einen solchen Mehrheitsbeschluss nötig sind.

Eine weitere zentrale Forderung: "Ein Land - ein Kommissar" soll es in Zukunft heißen. Dazu Außenminister Svoboda:

"Unsere Verbündete ist hier beispielsweise auch die bestehende Kommission, viele Vertreter dort wollen, dass die Kommission in Zukunft 25 Mitglieder hat. Aber: Umgekehrt gibt es auch kleine Staaten, wie etwa Luxemburg, die gegen eine 25köpfige Kommission sind. Das heißt, es ist das keine Frage, die die Europäische Union in groß und klein oder in alt und neu trennen würde."

Die Beibehaltung des Vetorechts in Fragen der Budgetpolitik und des Rotationsprinzips beim Ratsvorsitz sind weitere, bereits seit längerem bekannte Wünsche Tschechiens. Ein Ergebnis erwarten wir am Samstag. Oder erst am Sonntag. Oder vielleicht erst nächstes Jahr.