Brüsseler EU-Gipfel: Tschechien ist weder euphorisch noch pessimistisch
Ab Freitagvormittag ist er also im Gange, der mit so viel Spannung aber auch mit teilweisem Unbehagen erwartete Brüsseler EU-Gipfel, bei dem nach Möglichkeit am Samstagnachmittag eine erstmalige europäische Verfassung herauskommen soll. Dass dies alles andere als einfach werden wird, den vorliegenden Konventsentwurf unter 15 Mitglieds- und zehn neuen Beitrittsstaaten zu verhandeln und durchzusetzen, darüber haben wir bereits zur Genüge berichtet. Auch über die Position, mit der die Tschechische Republik in die vermutlichen Abschlussverhandlungen hinein geht. Wie es aber kurz vor Beginn des Gipfels in der belgischen Hauptstadt ausgesehen hat, darüber informiert Sie nun direkt vom Ort des Geschehens Gerald Schubert:
"Die Stimmung, die in Brüssel am Beginn des mit Spannung erwarteten EU-Gipfels herrscht, auf dem ja immerhin 25 Staats- und Regierungschefs eine europäische Verfassung beschließen wollen, die entspricht im Wesentlichen eigentlich jener prinzipiellen Unsicherheit, die im Vorfeld der meisten politischen Großereignisse nach außen transportiert wird. Kaum ertönt eine allzu optimistische Stimme, da warnen schon andere davor, dass der Gipfel durchaus auch scheitern könnte. Und allzu pessimistische Töne werden natürlich ebenfalls sofort von hoffnungsvolleren Perspektiven ergänzt. Die tschechische Seite schafft es bis jetzt offenbar recht gut, für sich selbst ein gewisses Gleichgewicht aufrechtzuerhalten. So hat etwa Außenminister Cyril Svoboda noch kurz vor dem Gipfel unterstrichen, dass man bei aller Verfassungseuphorie oder eben auch bei allen Befürchtungen eines Scheiterns schon die Kirche im Dorf lassen muss. Denn streng genommen handle es sich bei dem Konventsvorschlag ja um nichts anderes als um einen internationalen Vertrag, dessen Hauptziel die Vereinheitlichung und Vereinfachung bestehender Verträge ist. Aber auch deshalb wäre eben ein Erfolg des Gipfels wichtig, um der im Mai 2004 wesentlich vergrößerten EU einen entsprechenden Rahmen zu geben. Premierminister Vladimir Spidla übrigens hat in den letzten Tagen immer wieder erwähnt, ein positiver Abschluss sei für ihn eine ganz wichtige Priorität, und hat sich damit gewissermaßen als kühler Kopf zwischen all jene gestellt, die in letzter Minute noch Bedingungen mehr oder weniger lautstark an einen positiven Vertragsabschluss geknüpft hatten. Vielleicht sollte man es in diesem Zusammenhang als positives Omen sehen, dass Spidla es war, der gleich nach Kommissionspräsident Romano Prodi am Freitag die Sitzung des Europäischen Rates eröffnet hat. Mittlerweile hatte ich auch Gelegenheit, mit dem Premierminister zu sprechen. Ich habe ihn gefragt, in welchem Verhältnis denn er jetzt seine Hoffnung auf einen positiven Abschluss des Gipfels und die noch bestehenden Forderungen der tschechischen Seite sehe. ´Das meiste´, so Spidla darauf, ´hat Tschechien eigentlich schon im Vorfeld erreicht. Zurückbleiben noch komplizierte internationale Fragen, wie etwa die nach einer gesamteuropäischen Sicherheit- und Verteidigungspolitik.´ Und insgesamt sind diese offenen Fragen derzeit anscheinend noch umfangreich genug, denn der tschechische Premier war hier bis jetzt sehr darauf bedacht, nicht zu optimistisch, aber auch nicht zu pessimistisch zu sein."