Budgetdisziplin oder Aufstand der Reichen? Tschechien und der neue Konflikt in der EU

Foto: Europäische Komission

Wie bereits in den vergangenen Tagen steht auch heute die aktuelle Entwicklung in der Europäischen Union am Anfang unseres aktuellen Beitragsblocks. Thematisch bleiben wir aber natürlich gleichermaßen in der Tschechischen Republik, die als Beitrittsstaat von den jüngsten Turbulenzen in der Union mindestens ebenso betroffen ist wie die alten EU-Länder. Gerald Schubert berichtet:

Foto: Europäische Komission
Nach dem am Samstag gescheiterten Brüsseler EU-Gipfel hat die Unsicherheit in Europa mittlerweile recht konkrete Formen angenommen: Die sechs reichsten EU-Staaten, Deutschland, Österreich, Frankreich, Großbritannien, die Niederlande und Schweden, haben sich am Montag offiziell für eine Senkung des EU-Budgets ab dem Jahr 2007 ausgesprochen. Die Ausgaben für die Union sollten nicht mehr als 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachen - wenigstens bis zum Jahr 2013. Derzeit liegt die Obergrenze für Unionsausgaben bei 1,27 Prozent. Der deutsche Kanzler Gerhard Schröder hatte sich bereits am Samstag in Brüssel dahingehend geäußert - unmittelbar nach dem Scheitern des Gipfels:

"Wir werden sehr klar machen, dass es jetzt darum geht, dass die Haushaltsdisziplin, die die Europäische Union auf der Basis der einschlägigen Verträge von den Mitgliedstaaten erwartet, auch für die Europäische Union selbst gelten muss. Das heißt: die Ressourcen sind, was die Eigenmittel angeht, begrenzt. Sie können ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts Europas nicht überschreiten. Das ist unsere feste Überzeugung. Und das bedeutet zugleich, dass man zwischen den alten und neuen Mitgliedern das alte solidarische Prinzip des Teilens walten lassen wird müssen."

Eine Kürzung des EU-Budgets aber würde gerade für ärmere Staaten, darunter viele der neu hinzukommenden, künftig natürlich Einbußen bedeuten. Schröder deutet an, in welche Richtung sein Aufruf zum Teilen wohl noch gemeint war:

"Wir haben damit kein Problem, weil wir der größte Nettozahler in der Union sind. Aber das ist ja der Hintergrund der Debatten, die wir hier führen, und vielleicht auch das Motiv des Einen oder Anderen gewesen: dass das alte schöne Prinzip des Teilens nicht jedem so leicht fällt."

Kein Wunder also, dass derzeit über die Motive der sechs genannten Staaten, allesamt Nettozahler, heftig spekuliert wird. Handelt es sich um eine Drohgebärde in Richtung derer, denen viele das Scheitern des Brüsseler Gipfels vorwerfen? Also allen voran Polen und Spanien? Heißt die Losung etwa: Gerechtes Teilen von Geld muss auch gerechtes Teilen der Stimmgewichtung im Europäischen Rat bedeuten? Zugeben will das niemand so recht. Aber der Verdacht, der steht natürlich im Raum.

Tschechien würde als Beitrittsstaat ein künftig geringeres EU-Budget natürlich zu spüren bekommen. Andererseits sieht sich die Regierung eher als denen zugehörig, die sich für eine tiefere europäische Integration einsetzen, und man will sich nur ungern als irgendwo am Rande stehend präsentieren. So verweist Außenminister Cyril Svoboda im Zusammenhang mit Budgetkürzungen denn auch auf künftige Erweiterungswellen:

"Das ist natürlich eine ernste Nachricht, denn es betrifft vor allem jene Länder, die erst in die Europäische Union kommen sollen, wie etwa Bulgarien, Rumänien, die Türkei oder Kroatien. Dies ist eine extrem teure Angelegenheit, wie auch die jetzige Erweiterung sehr viel Geld gekostet hat. Und natürlich ist es so, dass das, was jetzt in Europa geschieht, auch Einfluss auf den Beitrittstermin weiterer Länder haben wird. Ich füge hinzu: leider."

Allgemein aber werden in Tschechien die gegenwärtigen EU-Konflikte als recht aktuell wahrgenommen. Die Kommentatoren der meisten Tageszeitungen sind sich am Mittwoch einig: Mit angeblichen europäischen Grundwerten von Solidarität und Integration haben die momentanen Zerwürfnisse nichts zu tun. Und das Gefühl vieler Tschechen, der EU-Beitritt bedeute das Aufspringen auf einen fahrenden Zug ohne Ziel, das könnte sich in nächster Zukunft eventuell noch verstärken.