10 Jahre TV-Nova: Der Siegeszug des tschechischen Boulevard-TV
Den meisten TV-Zusehern in Deutschland wird es wohl nicht entgangen sein: Der Privatsender RTL feiert seinen 20. Geburtstag, und es ist kaum überraschend, dass dieser Tatsache auch im Programm ausgiebig Rechnung getragen wird. Nostalgische Rückblicke auf Bilder der Vergangenheit bieten - ebenfalls nicht überraschend - auch einer schönen Portion Eigenwerbung den passenden Rahmen. In der Tschechischen Republik, da gibt es derzeit ein ganz ähnliches Phänomen: Der überaus erfolgreiche Privatsender TV-Nova feiert seinen 10. Geburtstag. Lange Jahre war der Sender vom ehemaligen Generaldirektor Vladimir Zelezny dominiert: Einem äußerst umstrittenen Mann, von vielen als tschechischer Berlusconi bezeichnet, von der Polizei wegen angeblicher Steuervergehen und Gläubigerschädigung strafrechtlich verfolgt, von den Bürgern des Wahlbezirkes Znojmo / Znaim in den Senat gewählt und kürzlich von den neuen Nova-Eigentümern entlassen. Seit dem ist es um Zelezny ruhiger geworden, Nova jedoch floriert auch ohne ihn weiter. Gerald Schubert hat den Schauplatz dieser Woche dem Phänomen "Nova" gewidmet.
"Es kam voriges Jahr zu einem Anstieg der Werbeeinnahmen im Bereich von mehreren Prozent. Der Gesamtumfang an Werbung, die wir im letzten Jahr verkaufen konnten, übertraf auf jeden Fall den von uns geplanten Umfang von 5,6 Milliarden Kronen (etwa 170 Millionen Kronen, anm.). Die genaue Zahl können wir dann angeben, wenn die Abrechnung für den Januar fertig ist, weil hier natürlich noch Rechnungen vom Dezember mit eingehen. Aber ich möchte gerne noch drei andere Zahlen nennen, und zwar was die drei erfolgreichsten Sendungen in der Geschichte von Nova betrifft. Das war zum ersten die Ausstrahlung der Wahl zur Miss des Jahrzehnts' im Jahr 1997, die fast 5 Millionen Menschen gesehen haben. Das ist meiner Ansicht nach eine sehr ansehnliche Zahl. Am zweiten Platz liegt eine Sendung, die sich darüber hinaus stabil unter den erfolgreichsten Programmen von Nova hält, das sind die Abendnachrichten namens Televizni noviny'. Der Höhepunkt war dabei die Nachrichtensendung vom 1. Januar 2001, die von knapp viereinhalb Millionen Zuschauern gesehen wurden. Und die dritterfolgreichste Sendung war die zu unserem fünften Geburtstag am 4. Februar 1999, mit 4 430 000 Zusehern. Ich hoffe, dass wir uns mit der Sendung zum 10. Jubiläum an diese Zahlen wenigstens annähern können."
Und noch einen Vergleich hat Generaldirektor Dvorak parat, um sich von den Mitbewerbern in der tschechischen TV-Landschaft eindeutig abzuheben:
"Im Jahr 2003 kamen hierzulande von den fünfzig meistgesehenen Sendungen nur acht von der Konkurrenz. Und das auch nur unter der Voraussetzung, dass wir die Abendnachrichten Telvizni noviny', die sich wie gesagt permanent großer Reichweite erfreuen, in dieser Liste als einen einzigen Eintrag führen und nicht als viele Einzelsendungen. Ich meine, das zeugt eindeutig davon, welch marktführende Position Nova hat, und ich hoffe, dass diese Position auch weiterhin gehalten wird."
Radio Prag hat im Anschluss an die Pressekonferenz ein Interview mit Programmdirektorin Libuse Smuclerova geführt. Könnte es ihrer Meinung nach so sein, dass der Erfolg von Nova auch mit der gleichzeitig stattfindenden Transformation der postkommunistischen Gesellschaft als solche zusammenhängt? Dass viele Menschen die Einführung des Privatfernsehens hierzulande vielleicht als etwas wahrgenommen haben, das automatisch mit der Demokratisierung der Gesellschaft einhergeht?
"Ganz bestimmt. Wenn Sie dafür einen Beweis wollen, im Sinne einer wissenschaftlichen Erforschung, dann haben wir den zwar nicht. Aber all das, was mit diesem Thema zusammenhängt, also etwa die diversen Meinungsumfragen, oder auch das, was Nova selbst gesendet und vermittelt hat, das alles spricht sehr dafür. Auch dafür, dass hier ein Raum für die Transformation geschaffen wurde. Denn das ist ja nicht nur ein Abbild der Entwicklungen, sondern gleichzeitig auch ein Ort, an dem diese Transformation sehr konkret ablaufen konnte."
Und gibt es hier Vergleichsmöglichkeiten mit anderen postkommunistischen Ländern, wie etwa der Slowakei? Noch einmal Libuse Smuclerova, Programmdirektorin von TV-Nova:"Das Fernsehen spiegelt die Gesellschaft wieder, und gleichzeitig spiegelt die Gesellschaft das Fernsehen wieder. Das heißt, die Tschechische Republik war, im Vergleich mit der Slowakei, besser vorbereitet. Und das ist auch heute, nicht nur am Fernsehen, sondern auch in der Gesellschaft selbst zu sehen. Das alles sind aber Fragen, die eher soziologischen Charakter haben. Bestimmt wäre es sehr interessant, zu diesem Thema Untersuchungen durchzuführen. Nichtsdestoweniger kann man aber mit Sicherheit sagen: Das Eine hat dem Anderen geholfen, und so ist es auch noch heute."
Radio Prag hat auch den Medienwissenschaftler Daniel Köppl, er ist Chefredakteur der Zeitschrift "Marketing und Media", danach gefragt, wie Nova vor 10 Jahren von den Tschechen auf- und wahrgenommen wurde:
"Mit Nova sind amerikanische Filme und die amerikanische Kultur nach Tschechien gekommen. Meist wurde dies aber als ein Symbol für Freiheit wahrgenommen. Und noch eine andere Sache: Nova ist auch ein Betrieb, der für Geld steht. Ich würde sagen, dass sind zwei Punkte, die Symbole für Nova sind."
Doch ist es nicht so, dass etwa auch in Deutschland das Privatfernsehen vor 20 Jahren einen ziemlich neuen Wind in die TV-Landschaft gebracht hat? Laut Daniel Köppl gibt es hier doch relativ große Unterschiede. Zumal das Fernsehen während der kommunistischen Herrschaft hier nicht öffentlich-rechtlich im demokratischen Sinne des Wortes war, sondern formal erstarrt in seinen Diensten für die kommunistische Diktatur.
"Ich würde sagen: Der größte Unterschied besteht in der Vorbereitung der Bevölkerung. Denn in der Tschechischen Republik war es wirklich ein Schock: Da ist ein echt kommerzielles Fernsehen gekommen, mit allem was dazu gehört. Mit Werbung in den Filmen, mit Boulevardnachrichten, mit Boulevard in der Sprache - alle diese Dinge waren ganz neu für das tschechische Volk. Aber für Deutsche oder Österreicher war das keine neue Sache."
Die Nova-Führung selbst sieht sich jedenfalls mit den 10 Jahren, die der Sender nun alt ist, als Vertretung eines jungen Programms. Jetzt geht es erst so richtig los, heißt es in der für das Sendeformat typischen Hyperaktivität. Wir werden uns auch weiterhin von allen anderen unterscheiden, wird nimmermüde angekündigt. Und so gibt man sich folgerichtig auch Mühe, die Pressekonferenz an dem eiskalten Prager Januarvormittag so karibisch ausklingen zu lassen, wie sie begonnen hat.