Der Maler Josef Capek als Verteidiger der "bescheidensten Kunst"

Die tschechische Literaturgeschichte kann drei Geschwisterpaare aufweisen, die sich gemeinsam künstlerisch betätigt haben: Neben den Gebrüdern Mrstik und Langer sind es in erster Linie Karel und Josef Capek. Und gerade dem Letztgenannten der Brüder, dem Maler Josef Capek, wird unsere Mitarbeiterin Lucie Drahonovska den heutigen Kultursalon widmen.

Während Karel Capek zum weltberühmten Literaten und Dramatiker wurde, stand der vielseitige Künstler Josef Capek ein ganzes Leben lang im dessen Schatten. Etwa fünfzig Jahre nach dem Tod der Brüder Capek hat es sich jedoch anders: Dem literarischen und dramatischen Werk von Karel Capek wird heute nur wenig Aufmerksamkeit zuteil, demgegenüber werden Bilder von Josef Capek zu immer höheren Preisen ersteigert und mit Stolz in etlichen privaten und öffentlichen Sammlungen der Welt präsentiert. Denn Josef Capek ist inzwischen zu einem der bedeutendsten Vertreter des tschechischen Kubismus geworden.

Wer sich einen Einblick über das Werk von Josef Capek verschaffen möchte, hat dazu jetzt Gelegenheit: Im Obecní dum - dem Repräsentantenhaus - in Prag findet bis Ende Februar die Ausstellung "Josef Capek: "Die bescheidenste Kunst" statt. Doch lassen Sie sich durch ihren Titel keinesfalls verwirren! Unter der "bescheidensten Kunst" ist nicht Capeks eigenes Werk zu verstehen, sondern sein lebenslanges Interesse für die so genannte "niedrige" Kunst.

Den Titel der Ausstellung entnahm ihre Autorin, Alena Pomajzlova, Capeks gleichnamiger Essay-Sammlung, in der sich der Künstler auf die Seite der peripheren Kunst stellte. Was Josef Capek konkret als "die bescheidene Kunst" bezeichnet, erklärt näher die Autorin der Ausstellung, Alena Pomajzlova:

"Es werden darin Maler behandelt, die bunte Aushängeschilder sowie Plakate entwerfen. Er schreibt über alte Volksdrucke und Volksillustrationen für Groschenromane, über alte Portrait- und Reportagefotografien. Das alles hat ihn in seiner eigenen Arbeit inspiriert. Ich habe innerhalb dieser Ausstellung seine Werke gerade in Bezug auf die so genannte "niedrige Kunst" konfrontiert. Daher ist die Ausstellung andererseits auch allgemein zu verstehen: als eine Ausstellung über die Wahrnehmung der Kunst, darüber, was die Kunst ausgrenzt."

Als der 24-jährige Josef Capek 1911 in Begleitung seines Bruders nach Paris gekommen ist, hat er sich neben dem Kubismus vor allem für die Kunst der primitiven Völker begeistert. Später suchte er die einfache Kunst auch in Böhmen. Er traf sie auf den Jahrmärkten, in Form von Volksbüchern oder Volksmalerei. Dabei hat er mit seiner scharfen Kritik an dem Verständnis Kultur auf "Hohes" und "Niedriges" aufzuteilen, seine Zeitgenossen ein ganzes Stück überholt.

Wie sein eigenes Schaffen in den Jahren 1914 und 1917 die einfachen Ausdrucksformen reflektierte, dokumentiert der erste Teil der Ausstellung. Capeks Bilder, meist menschliche Figuren, entstehen aus dem Zusammensetzen einzelner geometrischer Teile, und sie ähneln Kinderzeichnungen. Im zweiten Teil der Ausstellung werden Capeks Leinwände mit Werken anonymer Jahrmarkt-Künstler - wie Plakaten, Groschenromanen oder bunten Zielscheiben - sowie mit naiven Bildern eines Zrzavy und Styrsky verglichen. Den Platz finden hier unter anderem auch seine sogenannten "Straßenbilder" - darunter "Ein Mann mit Kiste" oder "Der Fantomas", dessen Filmvorlage Capek faszinierte.

Wenn man sich auf die Spuren von Josef Capek begeben möchte, sollte man am Besten nach Male Svatonovice im Riesengebirge fahren, wo sich das Geburtshaus der Brüder befindet. Im Jahre 1907 zog der Arzt Antonin Capek mit seiner Frau, zwei Söhnen und der Großmutter nach Prag ins Haus in der Flussgasse - die Ricni ulice -auf der Kleinseite. Die unzertrennlichen Brüder haben sich später ein idyllisches Doppelhaus im Stadtteil Weinberge - Vinohrady - ausgsucht, wo Karel seine berühmte "Freitagsgesellschaft" - die "patecnici" - mit dem Präsidenten Masaryk an der Spitze empfing. Josef hatte hier wiederum sein Atelier. Heute noch erinnern daran eine Gedenktafel und zwei Namensschilder. Gerade hier, im Haus in der später nach ihnen benannten Gebrüder-Capek-Straße, entstanden etliche gemeinsame Literaturwerke, über deren Anfang Josef Capek in "Gesprächen für Aventinum" aus dem Jahr 1926 Folgendes schrieb. Wir zitieren:

"Es ist dazu so gekommen, dass Karel Capek irgendeine Geschichte geschrieben hat und sie ablegte, weil er damit nicht zufrieden war. Mir hat es Leid getan, und so habe ich sie umgearbeitet. Und dann wieder Karel (...). Und so dachten wir, das es am Besten wird, wenn wir Literatur zusammen machen (...) Es hat uns gefreut, als es dann herausgegeben wurde, und wir schauten in Cafés unauffällig nach den Lesern, was für ein Gesicht sie machten (...). Wir gingen in die Tanzstunden und hatten wiederum Angst, dass uns ein Fräulein, um das wir warben, wegen unserer zynischen und frechen Ausdrücke ablehnt. Doch bald stellten wir fest, dass wir weniger berühmt waren, als wir dachten, und damit waren wir zufrieden, denn wir haben damals mehr Wert auf Mädchen als auf den Ruf gelegt."

Am Grabmahl der Gebrüder Capek auf dem Nationalen Ehrenfriedenhof Slavín werden über Josef Capek Zeilen in ungewöhnlicher Konjunktivform geschrieben:"Hier würde Josef Capek ruhen, wenn es möglich wäre, seine sterblichen Überreste zu finden. Er starb wahrscheinlich im April 1945 während des Todesmarsches aus einem Konzentrationslager in ein anderes."

Sein Bruder Karel starb sieben Jahre zuvor. Auf dem Friedhof Slavin wurde er am Ende des Jahres 1938, drei Monate vor dem deutschen Einmarsch in die Tschechoslowakei, beigelegt.