Geschichte aus der Nähe: politische Karikaturen von Josef Čapek 1933-1938
Anfang dieses Jahres ist in Deutschland ein umfangreiches Buch erschienen. Es heißt „Geschichte aus der Nähe. Graphiken aus der ČSR von Josef Čapek und anderen aus der Zeit von 1933-1938“. Herausgegeben wurde der Band von Ulrich Grochtmann, dem Begründer der „Čapek-Gesellschaft für Völkerverständigung und Humanismus“ in Deutschland. Das Buch geht auf eine Wanderausstellung politischer Karikaturen zurück, die seit ihrer Entstehung vor mehr als 30 Jahren um die ganze Welt gereist ist. Gezeigt wurde sie in vielen Städten Europas, aber auch etwa in Hiroshima. Seit dem 17. November, dem tschechischen Tag des Kampfes für Freiheit und Demokratie, ist die Schau auch in Prag zu sehen. Sie wurde im Hlávka-Kolleg von Präsident Václav Klaus eröffnet.
„Das ist eine ziemlich lange Geschichte. Sie reicht über dreißig Jahre zurück. Ich bin während meines Studienaufenthaltes in Prag zufällig auf diese Karikaturen gestoßen. Eine damalige Freundin, der ich heute noch viel zu verdanken habe, machte mich damals darauf aufmerksam und hat mir den entsprechenden Band ´Geschichte aus der Nähe´ geschenkt. Der Band, erschienen 1949, hat dann jahrelang in meinem Bücherschrank gestanden. Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre – als man fortwährend propagierte, ein Rüstungswettlauf könne den Weltfrieden retten und gleichzeitig das Schlagwort Neonazismus mehr und mehr an Aktualität gewann – haben wir, das heißt ein kleiner Freundeskreis, uns gesagt, es sei zu schade, diese Karikaturen im Bücherschrank stehen zu lassen. Man muss die Sachen einfach bekannt machen, in Ost und West waren sie schließlich vergessen. 1981 ist zum ersten Mal eine kleine Wanderausstellung auf die Reise gegangen. Seit 1981 wandert diese Ausstellung, damals ist bereits eine kleine Broschüre dazu erschienen. Mittlerweile ist auch ein umfangreicheres Buch daraus entstanden, das jetzt kürzlich vom Trafo-Verlag herausgegeben wurde.“
Enthält das Buch nur die Bilder, die im Rahmen der Ausstellung gezeigt werden, oder noch etwas dazu?„Sie enthält die Karikaturen Josef Čapeks aus der Zeit von 1933 bis 1938 sowie einige Karikaturen, die in dem Band von 1949 keine Aufnahme gefunden hatten und also hier zum ersten Mal bekannt gemacht werden. Zum zweiten enthält sie einige Karikaturen aus der Satirezeitschrift ‚Prager Simple’ und aus der Zeitung ‚Sozialdemokrat’, die von 1921 bis 1938 in Prag erschien. Und natürlich: Der Band enthält einführende Texte zu den einzelnen Zyklen und schließlich auch etliche Dokumente.“
In welchen Zeitschriften und Zeitungen hat Josef Čapek seine Karikaturen veröffentlicht?
Josef Čapek war ein bedeutender Maler in der Tschechoslowakei der Zwischenkriegszeit. Welche Stellung haben die erwähnten satirischen Zeichnungen zum Tagesgeschehen in seinem Schaffen gehabt?
„Das ist schwer zu beurteilen. Sie fügen sich in die allgemeine Tendenz der Tageszeitung Lidové noviny, und das zum Teil lückenlos. Denn diese Zeitung enthält auch scharfe Kommentare und ausgezeichnete Berichte über alarmierende Vorgänge in Deutschland und über Krisenherde anderswo, vor allem über den spanischen Bürgerkrieg. Soweit ich allerdings sehe, schlagen sich diese Karikaturen auch im Schaffen von Josef Čapek, in seiner literarischen und publizistischen Tätigkeit, teilweise nieder. Ein Beispiel vom Oktober 1933: Hitlers Friedenshand. Hitler hielt damals eine Rede, die wirklich großes Aufsehen erregt hat. Hitler erklärte: ´Ich weiß, was Krieg ist, ich bin nicht so wahnsinnig, einen Krieg zu wollen´. Josef Čapek hat daraufhin Hitler auf einer Kanone dargestellt, wie er angeblich den früheren Gegnern die Hand zur Versöhnung reicht. In einer weiteren Karikatur hat er ihn in einer Gasmaske mit Schweineschnautze und einer Granate in der Hand gemalt. Etliche Wochen zuvor hat Josef Čapek darauf hingewiesen, dass Hitler Friedensreden hält, dass aber der deutsche Vizekanzler den Heldentod auf dem Schlachtfeld besingt. Zum Teil also ergänzen sich Josef Čapeks publizistische Beiträge mit diesen Karikaturen. Es war für uns auch ein großes Glück, dass der Schwiegersohn Josef Čapeks, Jaroslav Dostál, uns den Band ´Josef Čapek als Publizist´ zur Verfügung gestellt hat. Das war eine wahre Fundgrube auch für das Buch.“Gab es einen Zusammenhang zwischen den Gemälden und Zeitungsgraphiken: Welchen Themen hat sich Čapek gewidmet?„Auch zum Thema Rassismus beispielsweise hat er schon 1924 einen herrlichen satirischen Beitrag verfasst, ´Der deutsche Rassenhans´. Das war der Rassen-Ideologe Hans Günter, der nachweisen wollte, dass die Tschechen eben doch mongolisches Blut hätten und dass es Tschechen seien, die eine hochzivilisierte deutsche Minderheit in Mitteleuropa tyrannisierten. Das hat Čapek dann auch als Karikaturist festgehalten und gleichzeitig darauf hingewiesen, welches Menschen-Material es nach NS-Ideologie zu fördern und zu vervielfältigen gilt. Daraus resultiert auch seine bitter-sarkastische Karikatur ´Sechslinge wurden gleich mit Gasmasken geboren und in die Reichsanstalt für planmäßige Rassenzüchtung in liebevolle Obhut gegeben´. Oder er hat angebliche deutsche Patrioten gemalt, die gar nicht merken, dass sie einen slawischen Namen haben und glauben, durch verballhorntes, germanisiertes Tschechisch einen Beitrag zur deutschen Kultur leisten zu können. Ich glaube, es geht aus dem Buch hervor, dass sich Josef Čapeks publizistische Beiträge und Karikaturen zum Teil sehr wohl ergänzen. Und letztlich ergänzen sich auch seine Karikaturen mit den Dramen Karel Čapeks, die damals weltweit bekannt wurden.“
Das Buch ist in mehrere Kapitel geteilt. Diese entsprechen der thematischen Gliederung der Graphiken. Es gibt Abschnitte zu Terrorismus, Rassismus, Friedensreden, Spanischem Bürgerkrieg usw. Entspricht diese Gliederung auch der Ausstellung?„Die Ausstellung ist in diese Zyklen gegliedert. Wie Sie schon sagten, eben Terrorismus, Rassismus, Friedensreden, Kriegsahnungen, Kriegsvorbereitung, Kriegstreiberei vor dem Hintergrund des Spanischen Bürgerkriegs, das Diktat von München und schließlich die Diktatorenstiefel. So ist auch die Ausstellung in Prag gegliedert.“
Josef Čapek wurde Anfang des Zweiten Weltkriegs verhaftet. Er starb in einem KZ. Bis wann konnte er eigentlich veröffentlichen?
Die Wanderausstellung geht an diesem Sonntag im ehemaligen Hlávka-Studentenwohnheim in Prag zu Ende. Sie wird aber Prag noch nicht verlassen, sie soll bald im Sitz des tschechischen Senats zu sehen sein.