Steht dein Name auf der Klingel?
Im nun folgenden Feuilleton macht sich Gerald Schubert Gedanken über die angespannte, ja verkrampfte Situation rund um das Thema: "Wohnen in Prag".
Rund um das Phänomen "Wohnen", für die meisten Menschen der denkbar alltäglichste Bestandteil des Alltags, hat sich in Prag eine ziemlich verkrampfte Atmosphäre etabliert. Das verspüren diejenigen, die hier eine Wohnung suchen, ebenso am eigenen Leib, wie die tschechische Regierung, deren Fortbestand gerade dieser Tage wieder einmal am seidenen Faden des Mietrechtsgesetzes hängt. Grund: Zwischen den regulierten Mieten, teils noch aus der kommunistischen Ära, und den Mieten am freien Wohnungsmarkt klafft eine enorme Differenz. Und zwar gerade deshalb, weil durch das begrenzte Angebot am freien Markt und die dort umso höhere Nachfrage die Preise bekanntlich steigen.
Eine sofortige Freigabe sämtlicher Mieten würde erhebliche soziale Probleme mit sich bringen. Viele Rentner, und nicht nur diese, könnten sich wohl von einem Tag auf den anderen ihre Wohnung nicht mehr leisten. Andererseits aber öffnet die derzeitige Situation auch dem Missbrauch Tür und Tor. Denn die Verlockung, eine Wohnung mit regulierter Miete schwarz weiterzuvermieten, die ist natürlich groß. Und: Nicht alles, was Probleme bereitet, ist gleich illegal. In meinem Haus etwa wohnt eine junge Dame, deren Wohnung genauso groß ist wie meine. Meine Miete beträgt jedoch ein Vielfaches von ihrer. Der eigentliche Haken an der Sache: Sie wohnt dort gar nicht wirklich, sondern sie lebt und arbeitet in Deutschland. Und ihre billige Prager Wohnung behält sie sich einfach für ein paar Kurzbesuche im Jahr. Verständlich, einerseits. Wahrscheinlich würden das die meisten Leute so machen. Wahrscheinlich auch ich. Nur: Der Hausbesitzer hat dann eben nicht genug Geld, um in größere Modernisierungen zu investieren. Abgesehen davon, dass viele junge Leute eben eine Wohnung suchen, und keine finden, die sie sich leisten können. Denn am freien Markt, da zahlt man in Prag locker die Hälfte eines tschechischen Durchschnittseinkommens. Und zwar auf der nach oben offenen Prager Mietpreisskala.Die sozialliberale Regierung Tschechiens will das Problem seit langem lösen, durch eine sozial verträgliche stufenweise Anhebung der regulierten Mieten. Marktideologen einerseits und Kommunisten andererseits aber verhindern seit langem ein entsprechendes Gesetz. Die paradoxe Folge: Permanentes Einfrieren des Status quo.
Es handelt sich hier also tatsächlich um eine harte Nuss. Unbestritten. Aber beim täglichen Mystifizieren des Wohnens muss man trotzdem nicht immer mitmachen. Wer nicht selbst dem Schwarzmarkt Vorschub leistet, muss sich auch nicht verstecken. Und auch die verbreitete Meinung, ein ausländischer Name auf der Gegensprechanlage mache sich irgendwie nicht gut und locke nur Einbrecher an, kann ich nicht teilen. Mein Name steht auf der Klingel.