6) Wohnheim oder Privat-WG: Wie Austauschstudenten in Prag eine Unterkunft finden
Die Bestätigung für ein Auslandssemester oder auch einen Bachelor-Studienplatz in Tschechien löst Freude aus – und auch eine ganze Reihe praktischer Fragen, die nun beantwortet werden müssen. Zum Beispiel jene nach einer Unterkunft.
„Ungefähr die Hälfte von uns im Studiengang kommt aus Tschechien, und die andere Hälfte kommt von überall her. Viel Kommunikation findet, glaube ich, in den Wohnheimen statt. Die Universität hat Wohnheime, in denen sehr viele Studenten untergebracht sind. Ich habe mich aber dagegen entscheiden, weil es erstens nur Doppelzimmer gibt, was aus deutscher Perspektive ungewohnt ist. Und zweitens habe ich in Deutschland schon Wohnheimerfahrungen gemacht und mich deshalb hier für eine WG entschieden. Im Nachhinein bereue ich dies aber ein bisschen. Denn in den Wohnheimen entstehen sehr viele soziale Verbindungen, wenn man so eng auf einem Haufen wohnt.“
So berichtet Jonathan Teufel von den Wohnmöglichkeiten für ausländische Studierende an der Agraruniversität in Prag (ČZU). Der 27-Jährige aus Baden-Württemberg ist seit drei Jahren am dortigen Tropeninstitut eingeschrieben und absolviert gerade seine Bachelorprüfungen. Seine Kommilitonin Nitkamon Iamprasertkun aus Thailand hat sich für das Studentenwohnheim entschieden und ist damit glücklich:
„Ich lebe in einem Studentenhaus im Prager siebten Stadtteil. Für einen Studenten ist das perfekt, denn in meiner Unterkunft gibt es manchmal Veranstaltungen oder gemeinsame Aktivitäten. Dabei treffe ich auch Studenten aus anderen Unis, zum Beispiel von der Karlsuniversität. Die Kommunikation in dem Wohnheim läuft ziemlich gut.“
Vor allem für Teilnehmer am Erasmus-Austauschprogramm sind diese Unterkünfte eine gute Alternative. Die Studierenden aus anderen europäischen Ländern, die zumeist ein oder zwei Semester an tschechischen Hochschulen verbringen, haben automatisch Anspruch auf einen Wohnheimplatz. Die Technische Universität in Prag (ČVUT) etwa hat eine bestimmte Zahl an Zimmern ihres Masaryk-Wohnheims direkt auf dem Campus für sie reserviert. Laut Aussagen von Erasmus-Koordinatorin Lucie Bílová kostet ein Bett in einem Doppelzimmer 184 Kronen (7,80 Euro) pro Nacht zuzüglich Energie- und Internetkosten.
Im Studentenwohnheim nur Doppelzimmer
Trotz der günstigen Lage und des relativ niedrigen Preises war diese Unterkunft keine Option für Hasan Günel. Der 23-Jährige aus Aachen absolviert derzeit zwei Erasmus-Semester im Bereich Maschinenbau:
„Ich wollte ursprünglich ins Studentenwohnheim. Das Problem war, dass ich mir nicht ein Zimmer teilen mochte. Dies ist eines der Dinge, die mich ein wenig stören – dass es hier keine Studentenwohnheime gibt, in denen man ein Privatzimmer hat. Deshalb habe ich über Facebook-Gruppen versucht, eine private Unterkunft zu finden.“
Noch deutlicher formuliert Sophie Goravanchi ihre Kritik. Die Halbtschechin aus Hamburg studiert an der Masaryk-Universität in Brno / Brünn und berichtet von den dortigen Hochschulunterkünften:
„Die Bedingungen in den Studentenwohnheimen finde ich nicht so gut. Ich selbst bin zwar privat untergebracht, habe die Wohnheime aber gesehen. Mit Deutschland beispielsweise kann man sie gar nicht vergleichen. Die Mieten sind zwar relativ billig. Aber alle Zimmer werden geteilt, und auch die Küchen bieten keine schönen Bedingungen. Das ist mein großer Kritikpunkt. Denn man muss sich ja auch wohlfühlen, wenn man studiert.“
Die Doppelzimmer in den tschechischen Studentenwohnheimen haben für viele junge Leute aus dem Ausland also eine eher abschreckende Wirkung. Nach Auskunft von Erasmus-Koordinatorin Lucie Bílová kann an der ČVUT auch ein Antrag auf ein Einzelzimmer gestellt werden. Diese gibt es aber nur in einem etwas abgelegenen Wohnheim und auch nur in geringerer Zahl.
Wohnungssuche läuft über Facebook
Jonathan Teufel hingegen ist in Prag auf eigene Faust auf Wohnungssuche gegangen. Die verlief, genauso wie bei Hasan, hauptsächlich über Facebook…
„Es war mir gar nicht so bewusst: In Deutschland – oder zumindest in meinen Kreisen – ist Facebook schon komplett out, und es werden andere Plattformen genutzt. Aber in Tschechien läuft alles über Facebook. Da habe ich also eine WG gefunden. Nach einem Jahr habe ich mich dann aber mit Freunden zusammengetan, und wir haben eine eigene Wohnung gesucht.“
In dieser würden derzeit drei Menschen und ein Hund leben, ergänzt Jonathan. Bei der Wohnungssuche hätten sie ziemliches Glück gehabt, fährt der Student fort:
„Meine Freundin hat eine extrem günstige Wohnung in Bubenč (Stadtteil in Prag, Anm. d. Red.) gefunden. Ich glaube, die Wohnungssuche ist einfach Glückssache und auch sehr umkämpft. Vor allem wenn man kein Tschechisch kann, sind die Möglichkeiten begrenzt. Wir haben zum Glück eine tschechische Mitbewohnerin, was es ein bisschen einfacher macht.“
Wer keine Muttersprachler im Umfeld hat, muss bei der Kommunikation mit der Hausverwaltung zumeist auf Englisch ausweichen. Dies funktioniert etwa für Max Stadelmaier sehr gut. Der 30-jährige Astrophysiker aus Karlsruhe hat seit einem Jahr eine Postdoc-Stelle an der Akademie der Wissenschaften in Prag:
„Weil man als Ausländer, der nicht ewig in Prag wohnen will, erstens ein beschränktes Angebot hat, und weil ich zweitens nach einem möblierten Zimmer gesucht habe, bin ich auf eine Art Immobiliengesellschaft gestoßen. Diese bietet auch kurzfristige Mietverträge an, für die man keine extra Maklergebühren oder Ähnliches zahlen muss. So habe ich ein WG-Zimmer gefunden. Das ist leider nicht ganz billig, aber es lag im Rahmen meiner Möglichkeiten und des Angebotes, das es damals gab. Wenn man wie ich nicht Tschechisch spricht, war dies das Einfachste und Einzige.“
Er zahle monatlich 600 Euro Miete, fügt Max auf Nachfrage hinzu. Genau wie er würden auch seine Mitbewohner, die aus Asien und Frankreich stammen, nur für einige Monate oder maximal ein Jahr dort leben. Im ganzen Haus, das sich zentral in der Prager Neustadt befindet, würden ausschließlich junge Leute aus dem Ausland wohnen.
Keine Unterlagen für die Anmietung einer Wohnung nötig
Für die Zimmerbesichtigung habe er einen Einzeltermin mit der Verwalterin bekommen, berichtet der Wissenschaftler. Und während man sich in Deutschland etwa mit einem Stoß an Unterlagen für eine Wohnung bewerben muss – darunter der Einkommensnachweis, die Schufa-Auskunft oder eine Mitschuldenfreiheitsbestätigung –, habe er dies in Tschechien nicht erlebt, sagt Max:
„Ich musste ein Foto von meinem Ausweis schicken – ansonsten aber nichts, auch keinen Bankauszug. Ich war überrascht, wie wenige Dokumente ich vorlegen musste. Auch den Mietvertrag habe ich dann schnell bekommen und unterschrieben.“
Als Max Stadelmaier vor einem Jahr seine Postdoc-Stelle an der Abteilung für Astroteilchenphysik an der Akademie der Wissenschaften in Prag antrat, wohnte er für die ersten Monate in einem dazugehörigen Gastdozentenhaus. Ganz ähnliche Erfahrungen habe er gemacht, als er zuvor einen Teil seiner Promotionszeit in Argentinien verbrachte:
„In Argentinien war es damals ähnlich wie bei meiner Ankunft in Prag. Das Institut hatte eine WG für ausländische Wissenschaftler und Doktoranden wie mich angemietet. Die Wohnung habe ich mir mit einem anderen Kollegen geteilt, und wir haben bar bezahlt. In Argentinien wird immer noch viel bar beglichen, das ist dort einfach traditionell so. Die Wohnung lag am Rand von Buenos Aires, und mit der Auswahl haben wir gar nichts zu tun gehabt. Dort haben wir fünf beziehungsweise sechs Monate gewohnt. Alles lief ganz stressfrei.“
Stress beim Thema Wohnen hat Max auch in Prag bisher nicht gehabt. Trotzdem beobachtet er, dass sich die Bedingungen in der Stadt verschlechtern:
„Ich habe schon bemerkt, dass die Preise extrem hochgegangen sind. Das Zimmer, in dem ich wohne, hat vor anderthalb Jahren noch die Hälfte gekostet. Außerdem habe ich festgestellt, dass die Nachfrage sehr gestiegen ist. Auf der Angebotsseite der Verwaltungsfirma meiner Wohnung waren damals sehr viele Immobilien gelistet. Aber alle waren eigentlich schon ausgebucht. Wenn ich die Vertreterin nach anderen Wohnungen gefragt habe, wurde mir immer gesagt, dass diese schon vergeben seien. Sie sagte, sie kämen nicht hinterher, die Angebote vom Netz zu nehmen, weil der Bedarf gerade so groß sei.“
Dies sei in der Zeit von September und Oktober vergangenen Jahres gewesen, ergänzt Max. Gut möglich also, dass gerade zu Semesterbeginn viele Studierende eine Privatunterkunft in Prag suchen. Wer für einen kurzfristigen Aufenthalt aber keine Inserate sichten und auch nicht viel Geld für ein WG-Zimmer ausgeben will, nimmt vermutlich doch ein Studentenwohnheim als Alternative in Anspruch. Die Thailänderin Nitkamon empfiehlt diese Art der Unterkunft jedenfalls weiter:
„Es ist gut, um Neues zu erfahren und Unterschiede kennenzulernen. Jeder von uns kommt aus einer anderen Kultur und ist anderes Essen gewohnt. Darüber können wir uns austauschen. Wir gehen dann in die Hauptküche, kochen zusammen und unterhalten uns. Meine Freunde sehen überrascht aus, wenn sie unsere Gerichte probieren. Und ich bin selbst auch erstaunt, was ich von ihnen zu essen bekomme.“
Ganz ähnlich sei es an der Uni selbst, fügt die Studentin hinzu. Sie würde beim Studium an der Agraruniversität nicht nur etwas über Tschechien lernen. Ihre neuen Freunde aus Afrika etwa würden ihr zudem die Augen für vieles Weitere öffnen, schwärmt Nitkamon.