7) Zwischen Hörsaal, Theater, Kneipe und Techno-Party: Wie Studierende in Prag ihre Freizeit verbringen
Prag erfreut sich bei Erasmusstudierenden großer Beliebtheit. Einer der Gründe ist der Ruf der Stadt – billiges Bier und wilde Partys verspricht sich so manch ein Austauschstudent. Doch was ist dran an diesem Image? Wo gehen Studierende aus Deutschland in der tschechischen Hauptstadt feiern? Und wie kann man in Prag seine Freizeit verbringen, wenn man kein Partywütiger ist? Diesen Fragen ist Radio Prag International nachgegangen für den letzten Beitrag der Serie „Zum Studieren nach Tschechien“.
„Ich denke, Prag hat eine der besten Barszenen in ganz Europa“, sagt Mikhail im Interview für Radio Prag International. Er studiert seit mehreren Jahren in der tschechischen Metropole Medizin auf Englisch und ist mittlerweile kurz vor seinem Abschluss. Einer seiner besten Freunde ist Max.
Auch er kommt aus Deutschland. Die beiden sitzen nicht nur gemeinsam in den Vorlesungen, sie sind mittlerweile auch Mitbewohner in einer WG. Und sie haben gemeinsam das Prager Nachtleben unsicher gemacht. Natürlich seien die Kneipen aber nicht der Hauptgrund gewesen für die Wahl des Studienstandortes, so Max:
„Man weiß bereits vorher, dass Prag eine tolle Barszene hat und man hier gut ausgehen kann. Wenn man hier anfängt zu studieren, bestätigt sich dieser Eindruck. Aber das ist selbstverständlich kein Grund, um nach Prag umzuziehen.“
Das sehen viele, die Semester für Semester in die Stadt kommen, anders. Die tschechische Hauptstadt hat ihren Ruf weg als Partymetropole, die vergleichsweise niedrigen Preise für Bier und Alkohol ziehen feierwütige Erasmusstudierende aus ganz Europa an. Die für sie maßgeschneiderten Partyprogramme haben Mikhail und Max aber bisher nicht wahrgenommen. Zu groß seien die Vorbehalte, so Max. Und nicht nur das:
„Wir sind hier lokale Studenten und deshalb gar nicht zu den Erasmus-Partys eingeladen. In einer Stadt wie Prag gibt es so viele Fakultäten und entsprechend viele Auslandsstudierende, sodass die einfach ihre eigene Sache machen. Auf weitere Partygäste sind sie gar nicht angewiesen. Es gibt also wenig Berührungspunkte. Außer, wenn die Gruppen mal wieder schreiend durch die Stadt laufen.“
Mit der weitverbreiteten Ansicht, dass man als Student in Prag ja nur Bier trinken würde, sieht sich Mikhail häufig konfrontiert:
„Manchmal sind wir in Deutschland, um Praktika abzuleisten. Die Ärzte im Krankenhaus sprechen uns dann sofort an: ‚Mensch ihr lebt in Prag, da gibt es doch so tolles Bier!‘“
Auch Max hat häufig ähnliche Erlebnisse. Dass die Stadt diesen Ruf habe, sei mitunter störend, so der Medizinstudent:
„Ich habe damit fast schon negative Erfahrungen gemacht, weil es mich öfters nervt. Man kommt nach Prag und wohnt hier, und mit einem Mal melden sich alle Freunde zu Besuch an – auch die, die man schon ganz lange nicht mehr gesehen hat. ‚Ach, du bist jetzt in Prag, dann komme ich doch einmal vorbei!‘ Und dann sind sie da und haben große Erwartungen, was hier partytechnisch passiert. Am Anfang ist das echt toll, so viel Besuch zu haben, gerade weil man ja ortskundig ist. Aber mit der Zeit nervt es ein wenig.“
Auf ein Bier ans Moldauufer
Wenn sie auch stören – natürlich gebe es die Vorurteile nicht ohne Grund, meint Max. Wenn der Unistress gerade nicht überhandnimmt, mische er sich gemeinsam mit Mikhail auch gerne unters Volk:
„Wir gehen sehr gern in die Bars in der Nachbarschaft. Unsere Wohnung liegt in der Nähe des Platzes I. P. Pavlova. Direkt um die Ecke gibt es fünf Kneipen, in denen man einfach lecker Bier trinken kann. Da sind wir immer mal wieder auf ein Bier, etwa im Waid. Das ist eine hipsteresque Bar mit jungem Publikum. Wir sind dort fast schon die ältesten. Sie haben lange geöffnet, und die Stimmung ist gut.“
Vor allem würden sich die beiden Mitbewohner gern ausprobieren und neue Orte entdecken, ergänzt Mikhail:
„Prag hat einfach so viele Bars, dass wir lieber jedes Mal in einer andere gehen, als immer nur in dieselbe.“
Die beiden Medizinstudenten aus Deutschland haben auch ein Herz für Biergärten. Max verrät einen ihrer Lieblingsorte:
„Wenn es wärmer wird, gehen wir gern ans Moldauufer Náplavka. Die Kneipen dort haben dann ihr Mobiliar nach draußen gestellt, und man kann auch auf den Schiffen sitzen. Ein absoluter Geheimtipp ist für mich zudem der Biergarten auf dem Vyšehrad. Man sieht Prag von dort aus einem ganzen anderen Winkel als zum Beispiel von der Burg. Die Atmosphäre ist wirklich super, und es gibt vier oder fünf Biere vom Fass. Dort kommt man voll auf seine Kosten.“
Technopartys auf Schiffen und in Clubs
Wenn ein gemütlicher Barabend zu Ende geht, zieht es so manch einen noch in den Club. Max und Mikhail gehen gern zu Techno feiern. Die Prager Szene sei zwar nicht mit der in Berlin oder Köln zu vergleichen, sagt Max, sie könne aber dennoch mithalten in Europa:
„Prag ist keine der großen Techno-Städte. Man kann hier aber auf jeden Fall gut feiern gehen. Und es gibt ein paar richtig coole Clubs, die sich messen können mit den großen zum Beispiel im Techno-Mekka Deutschland. Der Fuchs2 etwa ist wirklich toll oder das Ankali. Eine weitere gute Adresse ist die Altenburg. Das ist ein altes saniertes Boot, die Szenerie ist also echt beeindruckend.“
Mikhail verweist auf ein weiteres Schiff, U Bukanýra, auf dem zweimal die Woche Techno-Partys steigen. Sein Mitbewohner Max hat zudem einen Tipp für all jene, die lieber open air feiern gehen: Die Bar Stalin auf der Letná-Ebene…
„Die Partys im Sommer gehen bis zwei oder drei Uhr. Wenn man will, kann man hinterher noch weiterziehen. Du stehst dort oben unterhalb des Metronoms, dir liegt die ganze Stadt zu Füßen, und dazu legt live ein DJ auf – das ist der Hammer.“
Die alternative Theaterszene hat viel zu bieten
Techno ist allerdings nicht jedermanns Sache. Wer sich anderweitig amüsieren will, wird in Prag etwa in der freien Theaterszene fündig. Einer, der sich darin auskennt, ist Levin. Er studiert an der Theaterhochschule DAMU und kam zunächst für einen Erasmus-Aufenthalt nach Prag. Ähnlich wie Max und Mikhail hat er die einschlägigen Feten jedoch nicht besucht:
„Die Erasmus-Partys haben mich nicht so interessiert. Dort ist man nur mit Leuten zusammen, die auch Austauschstudenten sind. Und das ist ja nicht der Grund, warum man ins Erasmus geht – zumindest war er das für mich nicht.“
Nach Prag zurückgekehrt ist Levin für seinen Master an der DAMU. „Directing of Devised and Object Theatre“ heißt das Programm…
„Mein Erasmus-Aufenthalt an der DAMU hat mir einfach sehr gefallen, der Studiengang hat super gepasst. Ich bin damals auch schon hierher gegangen, um zu sondieren, ob ich hier womöglich meinen Master absolvieren könnte. Ich war zufrieden, also bin ich wiedergekommen.“
In seiner Freizeit verbringt Levin in Prag viel Zeit in den freien Theatern der Stadt:
„Zum einen will ich auf dem Laufenden bleiben, was in der Szene passiert. Zum anderen studiere ich natürlich Theater, weil mir das Spaß macht. Vorstellungen und Performances anzusehen, ist also ein Hobby von mir.“
Schnell hat Levin dabei einige Lieblingsorte entdeckt:
„Es gibt mehrere nette experimentelle Bühnen, an denen ich mir gern Sachen anschaue. Alfred ve dvoře zum Beispiel oder das Studio Alta.“
Dabei sind dem Studenten auch Unterschiede zur Performancekunst in Deutschland aufgefallen:
„Hierzulande werden häufig gebrauchte Gegenstände etwa aus den 1980er Jahren verwendet, die an Ramsch vom Trödelmarkt erinnern können. Diese Dinge werden dann ganz bewusst auf der Bühne eingesetzt. Ich habe das Gefühl, dass da ein wenig Nostalgie mitschwingt. So etwas sieht man auf experimentellen Bühnen in Deutschland gar nicht. Da ist alles viel cleaner, es herrscht eine betont elegante und reduzierte Ästhetik.“
Die tschechische Szene weiche davon also deutlich ab, so Levin:
„Es wird hier alles Mögliche auf der Bühne verwendet: Holz, Wurzeln und andere Naturobjekte, Kassettenrekorder, vergilbte Plüschtiere, rote Beete und Plastiktüten…“
Während seines Masterstudiums in Prag besucht Levin aber nicht nur die Theater und Bühnen. Er genießt auch die Natur in und außerhalb der Stadt. Und dahingehend richtet sich auch sein Geheimtipp:
„Den Botanischen Garten der Karlsuniversität kann ich sehr empfehlen. Es gibt zwar noch den anderen Botanischen Garten in der Nähe des Zoos, der ebenso besuchenswert ist – auch wenn man sich nicht unbedingt für alle Pflanzen interessiert. Aber der Garten der Karlsuni im Zentrum lohnt. Abgesehen von den Gewächshäusern muss man keinen Eintritt zahlen. Ein Besuch dort ist genau das richtige, wenn man gerade mal ein bisschen Ruhe braucht.“