1) Ohne Numerus clausus: Das Medizinstudium an der Prager Karlsuniversität
Der Traum vom Medizinstudium scheitert in Deutschland für viele Schulabgänger am Numerus clausus. Ein Ausweg stellt für so manchen das Studium im Ausland dar – so etwa auch in Prag. Aber welche Hürden bringt der Unibesuch in Tschechien mit sich, und was sind wiederum die Vorteile? Radio Prag International hat bei Max Stang nachgefragt, der aus Deutschland kommt und seit sechs Jahren Humanmedizin an der Prager Karlsuniversität studiert. Bei dem Gespräch handelt es sich um den ersten Beitrag unserer neuen Sendereihe „Zum Studieren nach Tschechien – Die fünf besten Unis des Landes“.
Eigentlich wollte er in Deutschland Medizin studieren, doch dafür reichte sein Abitur nicht aus, erzählt Max Stang im Interview für Radio Prag International. Seine Abschlussnote lag unter dem erforderlichen Numerus clausus…
„Ich hatte leider keinen Schnitt von 1,0. Also entschied ich mich, ins Ausland zu gehen. Und mittlerweile lebe ich seit sechs Jahren in Prag.“
Auch wenn Max seinen Worten zufolge nicht der einzige deutsche NC-Flüchtling in Prag ist, überwiegen seiner Beobachtung nach doch Kommilitonen aus anderen Ländern. Die Motivation für die Studierenden sei unterschiedlich, so würden sie etwa eine neue Kultur kennenlernen oder in Europa studieren wollen. Für Max war am Ende die Nähe zum Heimatland das entscheidende Argument:
„Es gab auch andere Optionen, so hatte ich etwa einen Studienplatz in Warschau bekommen. Aber meine damalige Freundin lebte in Dresden, und weil es dorthin von Prag nur ein Katzensprung ist, ging ich schließlich hierher.“
Vorlesungen auf Englisch, Patientengespräche auf Tschechisch
Die Seminare und Vorlesungen im Rahmen von Max‘ Studium laufen komplett auf Englisch ab. Zunächst habe er Sorge gehabt, etwa die Krankheiten deswegen nicht in seiner Erstsprache beschreiben zu können. Doch es gäbe da einen ganz einfachen Trick, sagt der Student:
„Meine ganzen Pflichtpraktika habe ich in Deutschland abgeleistet. Zwar hätte ich auch in Tschechien bleiben oder etwa nach Amerika gehen können, aber stattdessen habe ich jeden Sommer vier Wochen in Deutschland famuliert. Dadurch wollte ich mich an das dortige System gewöhnen und in die spezielle Medizin-Sprache hineinkommen.“
Trotz des Studiums auf Englisch ist Max in Prag nicht ganz um das Erlernen des Tschechischen herumgekommen. Denn beim Kontakt mit den Patienten im Krankenhaus sind die Kenntnisse der Landessprache unabdingbar. Gerade am Anfang sei ihm die Sprache aber schwergefallen, so der Student:
„Zunächst muss man sich überhaupt einmal eine Grundlage erarbeiten, um ein Gefühl für die Sprache zu bekommen. Deshalb gab es in den ersten beiden Jahren einen Tschechisch-Basiskurs. Später kam dann das medizinische Vokabular hinzu. Uns wurden etwa die Fragen für das Patientengespräch beigebracht. Wir haben gelernt, auf Tschechisch zu erklären, was wir untersuchen möchten. Und dann wurden wir im Krankenhaus auf die Patienten losgelassen.“
Das Studium in Tschechien ist theorielastiger als im Nachbarland
Ursprünglich sei es sein Plan gewesen, nach zwei Jahren an eine Uni in Deutschland zu wechseln, berichtet Max weiter. Doch dieses Vorhaben scheiterte. Denn die Kurse, die von der gewünschten Uni als Voraussetzung gefordert wurden, folgten in Prag erst viel später im Studienverlauf. Als Max also hätte wechseln können, hatte er das vierte Jahr in Prag bereits hinter sich – und entschied sich schließlich, das Studium doch in der tschechischen Hauptstadt abzuschließen.
Dennoch hat sich Max ausführlich mit dem Medizinstudium in Deutschland beschäftigt. Und dabei seien ihm einige Unterschiede aufgefallen:
„Es gibt hier eine ganz andere Art, Prüfungen abzulegen. In Deutschland erfolgt das zumeist durch Multiple-Choice-Fragen. Man muss das richtige Kreuz setzen und bekommt dann entsprechend viele Punkte. In Tschechien hingegen laufen 90 Prozent der Examina mündlich ab. Man muss sich deshalb ganz anders vorbereiten und anders lernen. In der Prüfung wird einem etwa eine bestimmte Krankheit zugeordnet, die man dann dem Professor vorstellen und seine Fragen beantworten muss.“
Max zufolge gibt es noch einen weiteren entscheidenden Unterschied:
„Die Praxiserfahrung nimmt in Deutschland deutlich mehr Raum ein. Die Studenten dort sind in dieser Hinsicht viel weiter als wir in Tschechien. Dafür sind wir aber theoretisch wirklich sehr gut aufgestellt. Die fehlende Praxiserfahrung beim Studium in Tschechien kann man jedoch durch die Praktika in Deutschland wettmachen.“
Der Abschied von Prag wird schwerfallen
Sechs Jahre lang hat Max in Prag gelebt. Nun steht das letzte Staatsexamen bevor, und nach dem Sommer wird Max nach Deutschland zurückkehren und eine Anstellung als Arzt suchen. Wie blickt er zurück auf seine Zeit in der tschechischen Hauptstadt?
„Ich bin ein riesiger Prag-Fan geworden. Es ist einfach die ideale Studentenstadt. Ich bin ein Großstädter und mag es laut und unruhig. Im Zentrum bin ich deshalb voll auf meine Kosten gekommen. Außerdem gibt es viele Möglichkeiten, sich kulturell auszuleben. Die Barszene in Prag ist zurecht weltberühmt.“
Der Abschied fällt dem Mediziner entsprechend schwer:
„Natürlich bin ich mittlerweile an einem Punkt angelangt, an dem ich nur noch fertig sein möchte mit dem Studium und ein neues Kapitel beginnen will. Aber aus Prag wegzugehen, wird schwer. Ich werde die Stadt vermissen.“
Die Prager Karlsuniversität ist die prestigeträchtigste Bildungseinrichtung Tschechiens. Gegründet wurde sie 1348, also vor genau 675 Jahren. Die Uni hat 17 Fakultäten, an allen können auch Studierende aus dem Ausland Lehrveranstaltungen belegen. Am beliebtesten sind dabei geistes-, gesellschafts- und naturwissenschaftliche Fächer. Insgesamt 260 Studiengänge werden in Fremdsprachen angeboten. Die überwiegende Mehrheit davon wird auf Englisch unterrichtet, es gibt aber auch Programme auf Deutsch, Russisch oder Französisch. Bei Studiengängen in einer anderen Sprache als Tschechisch fallen Studiengebühren an.