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2) Die heimliche Studentenhauptstadt Tschechiens? Als Deutsche an der Brünner Masaryk-Universität

Die Masaryk-Universität in Brno / Brünn ist die zweitgrößte Hochschule Tschechiens. Über 30.000 Menschen studieren an der 1919 gegründeten Uni. Einen Namen gemacht hat sich die Masaryk-Universität längst auch bei ausländischen Studierenden. Radio Prag International hat mit zwei Studentinnen aus Deutschland gesprochen und sie zu ihren Erfahrungen und Erlebnissen in Brünn befragt.

Sophie Goravanchi | Foto: Archiv von Sophie Goravanchi

Für viele Studenten aus dem Ausland hat die Masaryk-Universität in Brünn etwas zu bieten. Sophie Goravanchi etwa studiert dort „International Relations and European Politics“. Geboren und aufgewachsen ist die Studentin, die Anfang 20 ist, in Hamburg:

„Dort habe ich auch begonnen, Politikwissenschaft zu studieren. Das war nach meinem Abitur, also vor einem Jahr. Allerdings habe ich gemerkt, dass es recht viel um die Theorie geht. Und mir hat nicht gefallen, dass das Studium kaum international ausgerichtet war.“

Folgerichtig sah sich Sophie nach Studiengängen im Bereich internationale Beziehungen um. In Deutschland wurde sie aber nicht fündig. Stattdessen stieß sie auf die Masaryk-Universität:

„Ich habe gelesen, dass es die beste Universität für International Relations in Mitteleuropa ist. Deshalb habe ich mich für Brünn entschieden.“

Brno | Foto: Leonhard_Niederwimmer,  Pixabay,  Pixabay License

Hinzu kam noch ein weiterer Aspekt:

„Ich wollte schon immer einmal in Tschechien wohnen. Denn ich bin Halbtschechin, habe aber nie hier gelebt. Mich hat gereizt herauszufinden, wie das Leben hier ist.“

Studierende aus aller Welt

Foto: Masaryk-Universität in Brno

In Brünn fühlt sich Sophie in ihrem Bachelorstudium nun gut aufgehoben. Ihren englischsprachigen Studiengang besuchen etwa 40 Menschen.

„Ich habe hier viele Gleichgesinnte. Wir stammen alle aus den verschiedensten Ecken der Welt und können uns für Politik, Geschichte und Geographie begeistern. Ich verstehe mich gut mit den Leuten in meinem Kurs und mag auch die Inhalte des Studiums. Es spricht mich auf jeden Fall mehr an als die reine Politikwissenschaft.“

Thematisch geht es in Sophies Studium viel um die EU, es fließen aber beispielsweise auch Inhalte aus dem Bereich Geschichte mit ein:

„Wir müssen viel lesen und Essays oder Position Papers schreiben. Es ist ein sehr aktives Studium.“

Foto: Masaryk-Universität in Brno

In der Stadt Brünn ist Sophie zwar generell zufrieden, der Umstieg sei aber gerade am Anfang nicht leichtgefallen:

„Brünn ist viel kleiner als meine Heimatstadt Hamburg. Daran musste ich mich erst einmal gewöhnen. In Hamburg brauchte ich eine Stunde für den Weg zur Uni. Hier sind es 20 Minuten.“

Und so wird im Interview deutlich, dass die Studentin ihre Heimatstadt vermisst:

„Um ehrlich zu sein: Ich finde Hamburg schöner“, sagt sie.

Auf Englisch studieren an acht Fakultäten

Foto: Masaryk-Universität in Brno

Sophie Goravanchis Studiengang ist der Fakultät für Sozialwissenschaften der Masaryk-Universität angegliedert. Dort besteht – wie auch an den anderen Fakultäten – stets eine große Nachfrage durch ausländische Studienbewerber.

Besonderer Beliebtheit erfreut sich die Masaryk-Universität bei Studierenden aus der Slowakei. Laut offiziellen Informationen liegt ihr Anteil seit Längerem konstant bei 16 Prozent.

Bei Menschen aus weiteren Ländern wurde in den vergangenen zehn Jahren eine steigende Nachfrage festgestellt. Keine tschechische oder slowakische Staatsbürgerschaft hatten 2018 noch 5 Prozent aller Studierenden der Masaryk-Universität. 2022 waren es bereits 8,1 Prozent.

Diese Studenten belegen vor allem Kurse auf Englisch. An acht der insgesamt zehn Fakultäten werden Studiengänge in dieser Fremdsprache angeboten.

Für das Medizinstudium nach Brünn

Foto: Masaryk-Universität in Brno

Großer Beliebtheit erfreut sich auch der englischsprachige Medizinstudiengang in Brünn. Seit nunmehr fünf Jahren studiert etwa Sina Skandera in der Stadt. 2018 war sie auf der Suche nach einer Uni, an der sie zeitnah mit dem Medizinstudium beginnen konnte…

„Ich habe mir vor allem Unis im Umfeld von Deutschland und genauer von München angeschaut, weil ich von dort komme. Ich bin dann auf die Karlsuniversität in Prag gestoßen und auf die Masaryk-Universität. Unbedingt wollte ich in eine richtige Studentenstadt gehen, und das ist Brünn schon eher als Prag. Die Uni hat außerdem einen Campus und ein Simulationszentrum, die komplett neu sind. Deshalb habe ich mich für Brünn entschieden.“

Sina Skandera | Foto: Archiv von Sina Skandera

Ihre Entscheidung hält Sina bis heute für richtig. Wie die Studentin erzählt, kommen ihre Kommilitonen aus der ganzen Welt:

„Die Leute stammen aus den USA, aus Dubai, Indien, aber auch aus Europa – Frankreich oder Italien etwa. Die Gruppe ist komplett gemischt.“

Partys, Sport, Blutabnehmen: Die Studentenorganisation Mimsa

Zusammengebracht werden die internationalen Studierenden unter anderem durch den Verein „Masaryk International Medical Student Association“ (Mimsa). 2022 war Sina Präsidentin der Organisation, die sich an Studierende von Medizin, Zahnmedizin und Physiotherapie richtet:

„Wir organisieren zum Beispiel Partys oder Sportevents wie Basketball- oder Fußballturniere. Außerdem kooperieren wir mit Organisationen vor Ort, um Wohltätigkeitsveranstaltungen auf die Beine zu stellen. So wollen wir uns in die Gemeinschaft hier in Brünn einbringen. Mimsa veranstaltet zudem Studienevents, etwa Vorlesungen aus medizinischen Fachbereichen oder Praktika zum Blutabnehmen. Wir wollen einfach, dass die Studierenden auch außerhalb der Lehrveranstaltungen zusammenkommen und ein Freizeitangebot haben.“

So wichtig die Arbeit von Mimsa auch ist – langweilig wird in Brünn wohl den wenigsten Studierenden:

„Es ist eine richtige Studentenstadt. Es gibt viele Bars und etwa auch zahlreiche Möglichkeiten, Sport zu treiben und an der frischen Luft zu sein. Wenn man aus Deutschland kommt, ist alles zudem relativ gut bezahlbar. Das macht das Studentenleben noch einmal besser. Die riesengroße Anzahl an Erasmus-Studenten bringt zusätzlich frischen Wind in die Stadt. Es macht schon Spaß, hier zu studieren.“

Mährische Stadt im Herzen Europas

Einige der von Sina erwähnten Erasmus-Studenten kommen auch zum Medizinstudium nach Brünn. Da das Kolloquium dem im Rest von Europa ähnele, sei der Übergang leicht, meint die Studentin. Generell sei für viele, die ein Auslandssemester an der Masaryk-Universität absolvieren, auch die geographische Lage ein großer Vorteil:

„Brünn hat eine gute Lage in Europa. Man kommt sofort überall hin. In ein paar Stunden ist man in Budapest, Wien oder Prag. Von dort aus kann man mit dem Flugzeug alle Ziele auf dem Kontinent erreichen. Ich denke, das ist recht attraktiv für viele Erasmusstudenten.“

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Sina selbst muss aber gar nicht so oft das Weite suchen – mit ihrer bisherigen Studienzeit in der zweitgrößten Stadt Tschechiens ist sie nämlich rundum zufrieden:

„Natürlich kommt es immer darauf an, was man sucht. Wenn man in einer Großstadt leben will, in der jedes Wochenende etwas anderes los ist, dann ist Brünn vielleicht nicht die richtige Entscheidung. Aber für mich war es wirklich die perfekte Wahl.“

Foto: Masaryk-Universität in Brno

Eine Übersicht über die auf Englisch angebotenen Studienfächer findet sich auf der Website der Masaryk-Universität: https://www.muni.cz/en/admissions/bachelors-and-masters-studies. Neben Bachelor- und Masterstudiengängen gibt es auch Programme für Doktoranden, Austauschaufenthalte sowie Sommerschulen.

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