Wohnen als Menschenrecht: Festival Housing First in Prag setzt auf komplexe Hilfe bei Obdachlosigkeit

Illustrationsfoto: Michal Záboj, Archiv des Tschechischen Rundfunks

Der 10. Dezember ist der Internationale Tag der Menschenrechte. In der Menschenrechtscharta von 1948 sind unter anderem der Schutz der Wohnung und das Recht auf einen würdigen Lebensstandard enthalten. Trotzdem ist Obdachlosigkeit in Tschechien ein großes Problem. Diesem widmet sich am Dienstag und Mittwoch das Festival Housing First (Wohnen zuerst) in Prag.

Erst muss eine Wohnung gefunden werden, dann lassen sich alle anderen Probleme angehen. Das ist die Idee von Housing First. Seit mehreren Jahren werden in Tschechien Projekte mit diesem Ansatz betrieben, um Menschen aus ihrer Obdachlosigkeit zu helfen.

Wie dies geschehen kann und wie komplex die Problematik der persönlichen Wohnungsnot ist, das sind einige Themen des zweitägigen Festivals Housing First, das gerade in Prag stattfindet. Organisiert wird es von der Plattform für soziales Wohnen. Die Direktorin Barbora Bírová schilderte in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:

Barbora Bírová | Foto: Tschechisches Statistikamt

„Housing First wendet sich an die meist bedrohten und verletzlichsten Haushalte beziehungsweise an Menschen, die sich in Wohnungsnot befinden. Es geht dabei nicht nur um Obdachlosigkeit, sondern auch um viele andere Probleme. Wichtig ist, dass Housing First das Wohnen nicht als einen Verdienst versteht. Vielmehr wird ein Mensch in seiner Verletzlichkeit betrachtet. Er braucht Hilfe, um schnellstmöglich aus der Obdachlosigkeit herauszukommen.“

Aktuell gebe es in Tschechien etwa 161.000 Menschen, die keine stabile Wohnsituation haben, informiert Bírová. Darunter seien auch 62.000 Kinder.

Diese Menschen wohnen vorübergehend in Billigwohnheimen, unter unwürdigen Bedingungen oder aber auf der Straße. Housing-First-Programme bieten laut Bírová auch Unterstützung von Sozialarbeitern oder Hilfe bei psychischen Probleme an. Diese komplexe Methode werde hierzulande seit mehreren Jahren angewendet, so die NGO-Chefin:

„Aktuell laufen zahlreiche Programme in ganz Tschechien. 2016 wurde damit erst in Brünn begonnen, und jetzt ist es schon viel weiter. Es gibt inzwischen eine große Zahl von Anbietern, die solche Projekte umsetzen. Sie sind in allen Kreisen zu finden, seien es gemeinnützige Organisationen, Betreiber von Sozialdienstleistungen oder auch Gemeindeverwaltungen.“

Es könne auch schon mit Daten belegt werden, dass die Methode Housing First einen positiven Effekt habe, fährt Bírová fort:

„Aus dem Ausland wissen wir, dass solche Maßnahmen schon seit den 1990er Jahren erfolgreich angewendet werden. Es gibt aber auch Daten aus Tschechien. Sie zeigen, dass diese Methode im Vergleich zu vielen anderen eine Erfolgsquote von bis zu 90 Prozent hat.“

Vor allem gelinge es, den betroffenen Menschen eine stabile Wohnsituation zu vermitteln, in der sie auch länger blieben, ergänzt die Expertin.

Das Festival Housing First bietet nun die Gelegenheit, solche positiven Erfahrungen auch auszutauschen. Am Dienstag werden in Prag Workshops, Stadtspaziergänge oder Besuche von Gemeinschaftszentren und Notunterkünften angeboten. Am Abend sind Interessenten zudem aufgerufen, ihre Wohnung oder ihr Haus für ein geselliges Beisammensein zu öffnen. Am Mittwoch steht dann eine ganztägige Konferenz auf dem Programm, die unter anderen von der tschechischen Menschenrechtsbeauftragten, Klára Šimáčková Laurenčíková, eröffnet wird. An einer Podiumsdiskussion nehmen außerdem Vertreter verschiedener Ministerien sowie NGOs teil.

Klára Šimáčková Laurenčíková | Foto: Alžběta Boháčová,  Tschechischer Rundfunk

Unter anderem wird bei der Konferenz das geplante Gesetz zur Unterstützung der Wohnsituation diskutiert. Derzeit ist nicht sicher, ob es noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden kann. Dazu Barbora Bírová:

„Dieses Gesetz ist für uns einer der wichtigsten Dinge überhaupt. Wir setzen uns sehr dafür ein, denn die Zahl der Menschen in Wohnungsnot wächst. Das Gesetz soll eine komplexe Prävention von Wohnungsverlust ermöglichen und auch jenen helfen, die sich schon in Wohnungsnot befinden. Es kann dann ein System aufgebaut werden und auch dessen Finanzierung. Dadurch gäbe es eine gewisse Nachhaltigkeit und Sicherheit für die Menschen, die in Housing-First-Projekten mitarbeiten.“

Autor: Daniela Honigmann | Quelle: Český rozhlas Plus
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