Bitterer Rekord: Tschechen müssen am längsten in Europa für eine Eigentumswohnung arbeiten

13,3 Jahresgehälter brauchen die Menschen in Tschechien einer Studie der Beratungsagentur Deloitte zufolge, um sich hierzulande eine Wohnung mit 70 Quadratmetern zu kaufen. Das ist europäischer Spitzenwert. Aber was treibt die Immobilienpreise hierzulande in die Höhe?

Illustrationsfoto: Filip Jandourek,  Tschechischer Rundfunk

Der Studie von Deloitte zufolge müssen die Menschen in Tschechien europaweit am längsten arbeiten, um sich eine Eigentumswohnung leisten zu können. Und auch im Vergleich der einzelnen Metropolen gibt es einen traurigen Höchstwert. Nach Amsterdam sind nämlich die Wohnungen in Prag europaweit am teuersten. 13,5 hiesige Jahresgehälter sind nötig, um sich in der tschechischen Hauptstadt eine 70-Quadratmeter-Wohnung leisten zu können. Das ist wesentlich mehr als in anderen Städten wie London, Kopenhagen oder Oslo. Doch was ist der Grund dafür? Julie Hrstková ist Wirtschaftsjournalistin bei der Tageszeitung Hospodářské noviny und sagt:

„In Tschechien kommen mehrere Faktoren zusammen. Es gibt zum Beispiel eine sehr begrenzte Zahl von Wohnungen, vor allem in den Städten.“

Julie Hrstková | Foto: Khalil Baalbaki,  Tschechischer Rundfunk

Hinzu komme, dass die Tschechen traditionell nahezu keine anderen Investitionen tätigen würden, als die in Wohnraum.

„Wohnraum bleibt bei den meisten Familien die Hauptinvestition. Das liegt daran, dass es keine andere Altersversorgung gibt oder Möglichkeiten, sich etwas hinzuzuverdienen. Wohnungen gelten also als rentabel, obwohl sie eigentlich gar nicht so viel Ertrag bringen, wenn man sie vermietet.“

Nicht alle Wohneinheiten dienen aber tatsächlich Mietern oder Bewohnern. So gab es 2021 laut Schätzungen des Ministeriums für Regionalentwicklung rund 200.000 Wohnungen in Tschechien, die leerstanden. Laut Hrstková ist ein großer Teil davon nicht bewohnbar. Zudem werden einige dieser Wohnungen wohl kurzfristig an Touristen vermietet, etwa über Plattformen wie Airbnb.

Airbnb | Foto: Tero Vesalainen,  Pixabay,  CC0 1.0 DEED

Doch nicht nur der Mangel an Wohnraum und die Nutzung von Immobilien als Spekulationsobjekt ist laut Hrstková ein Problem, sondern auch, dass der Markt mit Mietwohnungen schlecht reguliert ist:

„Eine Wohnung zu mieten, gilt hierzulande als suboptimal. Es gibt etwa hauptsächlich Jahresverträge. Das liegt daran, dass sich die Vermieter und die Mieter gegenseitig nicht vertrauen.“

Das hohe Interesse am Wohnen in der eigenen Wohnung oder dem eigenen Haus belegen auch die Erhebungen von Eurostat. Denen zufolge lebten im vergangenen Jahr 69 Prozent aller Menschen in der EU im Wohneigentum. In Tschechien lag der Wert bei 76 Prozent. Deutschland mit rund 48 Prozent hatte übrigens den niedrigsten Anteil aller EU-Staaten.

Illustrationsfoto: Michaela Danelová,  Tschechischer Rundfunk

Wenn man schon die beiden Nachbarländer vergleicht: Deloitte untersuchte in seiner aktuellen Studie auch die Mietpreise in den wichtigsten Großstädten Europas. In Berlin lag im vergangenen Jahr eine Durchschnittsmiete demnach bei 17,20 Euro pro Quadratmeter. In Prag wurden im Schnitt rund 16 Euro pro Monat fällig. Während die Mietpreise in den beiden Hauptstädten also ähnlich sind, lag das Mediangehalt eines Vollzeitbeschäftigten Ende 2022 in Berlin allerdings bei 3806 Euro. In Prag war das Durchschnittsgehalt nur fast halb so hoch.

Autoren: Ferdinand Hauser , Šárka Fenyková
schlüsselwort:
abspielen