Tschechische Medienstimmen zum Thema Abtreibung und zu den Schwierigkeiten bei der Besetzung des Verfassungsgerichts
Und nun, verehrte Hörerinnen und Hörer, begrüßen Sie Gerald Schubert und Robert Schuster wieder zu einer neuen Folge von "Im Spiegel der Medien", der Mediensendung von Radio Prag.
Wie immer wollen wir Ihnen an dieser Stelle einige Kommentare aus den tschechischen Zeitungen näher bringen die, wie wir meinen, jene Themen widerspiegeln, die in der abgelaufenen Woche die öffentliche Debatte dominierten.
Gleich zu Wochenanfang beherrschte die Seiten der Printmedien ein eher kleinlicher Zank zwischen der Regierung und dem Betreiber einer vor kurzem fertig gestellten neuen Prager Sportarena. Die Sportstätte, in der in einigen Wochen die Eishockey-WM stattfinden wird, wurde vergangenen Samstag feierlich eingeweiht. Die Zeremonie musste jedoch ohne die führenden Politiker des Landes auskommen. Da Ministerpräsident Vladimir Spidla vom Chef der Betreiberfirma, des Lotterieunternehmens Sazka, nicht eingeladen wurde, weil er sich geweigert hatte, für den Bau der Halle Steuergelder zur Verfügung zu stellen, verzichteten auch alle Kabinettsmitglieder und zahlreiche Oppositionspolitiker auf eine Teilnahme an der Eröffnungsfeier.
Trotzdem gab es in der abgelaufenen Woche natürlich auch ernstere Themen, denen wir uns nun ausführlicher widmen wollen. Dazu gehört zweifelsohne der Gesetzesentwurf einiger konservativer Abgeordneter, der eine Verschärfung des bestehenden Abtreibungsgesetzes zum Inhalt hatte. Die Vorlage sah die Abschaffung der noch aus der kommunistischen Zeit geltenden Fristenregelung vor, die einen Schwangerschaftsabbruch bis zur zwölften Woche ermöglicht. An deren Stelle sollte ein faktisches Abtreibungsverbot treten, welches lediglich in einigen explizit erwähnten Fällen einen künstlichen Abbruch der Schwangerschaft erlauben würde. Seit der Wende war es übrigens das erste Mal, dass eine solche Initiative ergriffen wurde.
Im Parlament selbst gab es zu diesem Thema eine nicht frei von Emotionen geführte Debatte, die aber für tschechische Verhältnisse relativ kultiviert verlief und in der einige Redner in ihren Beiträgen auch ganz grundsätzliche Fragen nach dem Wert des menschlichen Lebens zu beantworten suchten.
Dennoch war das Ergebnis der Abstimmung schon von vornherein klar, da im Einklang mit einer Mehrheit der tschechischen Bevölkerung ebenfalls eine eindeutige Parlamentsmehrheit die Initiative bereits in der ersten Lesung verwarf, also noch bevor die Ausschüsse damit befasst wurden.
Auch die tschechischen Zeitungen lehnten in ihren Kommentaren den Versuch, das tschechische Abtreibungsgesetz zu verschärfen, mehrheitlich ab, wenn auch einige Autoren um eine differenziertere und von ideologischen Klischees befreite Sicht der Dinge bemüht waren. Dazu gehörte etwa Martin Komarek in einem Beitrag, der in der Mlada fronta Dnes erschienen ist. Obwohl er dem Vorschlag der drei Abgeordneten ablehnend gegenüberstand, meinte Komarek dennoch, es sei ein Fehler gewesen, die Vorlage bereits in der ersten Lesung abzulehnen, wie er im Folgenden begründet:
"Hätten sich die Abgeordneten ernsthaft mit den Vorschlägen der drei Herren befasst, hätten sie die unnötigen Härten im Gesetzesentwurf abschwächen können. So können wir heute nicht sagen, wie dieses Gesetz wohl in der Endfassung ausgesehen hätte. Nicht nur unsere Gesellschaft, sondern auch andere relativ reiche Länder können es sich heute leisten auch jene Kinder am Leben zu lassen, die ursprünglich nicht gewollt waren. Wenn wir jetzt das Gefühl haben, dass drakonische Strafen für diejenigen, die einer verzweifelten Mutter helfen, nicht gut sind, dann sollten wir ebenso einsehen, dass es nicht gut ist sich eines ungeborenen Kindes wegen der eigenen Bequemlichkeit zu entledigen. So etwas zu verhindern wäre ebenfalls die Aufgabe eines solchen Gesetzes gewesen."
Eine andere Wortmeldung zu diesem Thema haben wir in der Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny gefunden. Dort meinte der Kommentator Jan Machacek, in der jüngsten Debatte über eine Verschärfung des Abtreibungsgesetzes oder eine Beibehaltung der jetzigen Norm sahen viele Politiker schlicht ein Ersatzthema, welches von ihnen gehegt wurde und gleichzeitig auch deren Ratlosigkeit bei der Bewältigung der grundlegenden Probleme Tschechiens überdecken sollte:
"Diesem Land fehlt es bei weitem nicht an Problemen, die von den Politikern gelöst werden sollten. Doch da eine Einigung in Fragen wie der Rentenreform oder bei Maßnahmen zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität in weiter Ferne zu liegen scheint, nehmen sich die Politiker stattdessen Stellvertreter-Themen an. Dazu gehört auch der Kampf gegen die Legalisierung von weichen Drogen oder wie eben unlängst gegen Abtreibungen. Beide Seiten sind in dieser Frage absolut unversöhnlich, denn sie sehen darin eine Frage ihres Glaubens. Aber keine Sorge, diese Gesellschaft ist derart atheistisch, dass ein Abtreibungsverbot so schnell keine Aussicht auf Erfolg haben wird."
Ein weiteres Thema, das es in diesen Tagen auf die Titelseiten der heimischen Zeitungen brachte, ist die seit Dienstag vergangener Woche faktische Handlungsunfähigkeit des tschechischen Verfassungsgerichts. Da es dem tschechischen Präsidenten, der das Vorschlagsrecht für die Verfassungsrichter hat, während des vergangenen Jahres in einigen Fällen nicht gelungen ist, seine Kandidaten im Senat durchzubringen, sind mittlerweile vier der insgesamt fünfzehn Richtersessel unbesetzt. Weil sich somit die Zahl der Richter unter dem gesetzlich vorgeschriebenen Quorum befindet, müssen diese nun viele Normenkontrollklagen einstweilen auf Eis legen, solange das Gremium nicht komplett ist.
Die Verantwortung für diese Lage schieben sich Präsident und die Senatoren gegenseitig zu. Gemäß der Meinung der meisten Kommentatoren tragen jedoch beide Institutionen die gleiche Schuld, wie aus dem folgenden Kommentar von Ondrej Neff zu entnehmen ist, der in der Lidove noviny erschienen ist:
"Schon gleich nach der Wahl von Vaclav Klaus zum Präsidenten, haben viele erwartet, dass es zu Schwierigkeiten bei der Besetzung des Verfassungsgerichts kommen wird. Aber auch die größten Pessimisten konnten nicht ahnen, dass es in dieser Frage zu einem Konflikt zwischen Präsident und Senat kommen könnte. Für die Bürger ist das jedenfalls keine gute Nachricht, denn für viele sind gerade die Verfassungsrichter diejenigen, an die sie sich wenden können, wenn eventuelle Fehler in den Gesetzen vermutet werden. Schon im Herbst vergangenen Jahres sind die Richter in Verzug geraten, und gegen Jahresende lagen fast zweitausend unerledigte Anträge vor. Die Lage ist also ernst und auf beiden Seiten, also beim Senat und beim Präsidenten, liegt nun eine große Verantwortung."
Abschließend kommen wir noch zu einem ganz anderen Bereich. Soll man der jüngsten Umfrage über die Beliebtheit der heimischen Politiker Glauben schenken, vollzog sich in Tschechien ein Wachwechsel an der Spitze der Politiker-Hitliste. Der über viele Jahre hinweg beliebteste tschechische Politiker, Innenminister Stanislav Gross, wurde bei der letzten Erhebung vom ersten tschechischen EU-Kommissar Pavel Telicka auf den zweiten Platz verwiesen. Kann das nun als Zeichen gesehen werden, dass beim gemeinen Volk mittlerweile andere Politiker-Typen gefragt sind? Dazu meint Pavel Verner in einem Leitartikel, der in der Tageszeitung Pravo erschienen ist:
"Die unerwartete Bestplatzierung Telickas sollte für all jene Politiker, die auf ihre öffentliche Beliebtheit schwören, eine Warnung sein. Die Wähler sind nämlich keine blinden Herden, bei der ein hübsches Gesicht oder eine schöne Krawatte ausschlaggebend ist. In diesem Fall entschied aber Telickas Ruf als Fachmann in Europafragen. Der EU-Kommissar tanzt weder mit Schönheitsköniginnen, noch hält er enge Kontakte zur Society. Die Erkenntnis, dass Gemäßigtheit und eine offenkundige Qualifikation für das Amt von der Öffentlichkeit honoriert werden, ist ermunternd."