Ringen um neue Regierung: Karten neu gemischt
Tschechien braucht eine neue Regierung. Am Mittwoch sind erste Versuche des sozialdemokratischen Verhandlungsführers Stanislav Gross, die oppositionellen Bürgerdemokraten irgendwie mit ins Boot zu holen, ergebnislos geblieben. Doch am Donnerstagvormittag ist plötzlich wieder alles anders: Der Rücktritt eines Abgeordneten schafft nämlich neue Mehrheitsverhältnisse im Unterhaus. Mehr von Gerald Schubert:
Die jüngste Entwicklung der Reihe nach:
Am Mittwoch hatte der Sozialdemokrat Stanislav Gross, der von Präsident Václav Klaus mit Verhandlungen über die Bildung einer neuen Regierung beauftragt worden war, vergeblich bei der oppositionellen Demokratischen Bürgerpartei ODS angeklopft. Gegen ein paar Posten in diversen demokratischen Kontrollinstanzen, so Gross, sollte die ODS die sozialliberale Regierung im Abgeordnetenhaus unterstützen, der dort die Mehrheit abhanden gekommen ist, und die wegen des Rücktritts von Premier Vladimír Spidla vor knapp zwei Wochen derzeit ohnehin nur provisorisch regiert.
"Funktionen etwa im Obersten Kontrollamt, im Budgetausschuss des Abgeordnetenhauses, in den Aufsichtsräten verschiedener Fonds und so weiter" würden die Sozialdemokraten der ODS laut Gross anbieten, wenn diese nur eines ermöglichen würde: Eine Regierung ohne Beteiligung der Kommunisten, die bis zum Ende der Legislaturperiode 2006 im Amt bleibt. Genau das aber will die ODS nicht. Sie will vorgezogene Neuwahlen. Parteichef Mirek Topolánek:
"Wir rufen nach einer sauberen Lösung, die uns auch demokratischer erscheint: Nämlich ein neuerliches Verteilen der Karten, ein neues Mandat der Wähler, das auch eine neue Regierungskonstellation ermöglicht."
Keine Einigung also zwischen Sozialdemokraten und ODS. Doch noch bevor Stanislav Gross am Donnerstag die nächsten Verhandlungen - diesmal mit den Kommunisten - beginnen konnte, wurden die Karten im Abgeordnetenhaus auf ganz andere Weise neu gemischt: Der liberale Abgeordnete Marian Bielesz, der zuvor aus der kleinsten Regierungspartei, der Freiheitsunion, ausgetreten war und damit gegen die sozialdemokratisch geführte Regierung protestiert hatte, trat nun auch von seinem Abgeordnetenmandat zurückt. Sein designierter Nachfolger wiederum hat mit der bisherigen Regierung keine Probleme. Und so zeichnet sich im Unterhaus plötzlich wieder die bereits gewohnte Formel von 101:99 Mandaten ab.
"Das ist ein wichtiger Schritt, ein Zeichen, dass die Situation sich normalisiert", sagte Gross.
Entschieden ist also bis jetzt noch nichts. Aber theoretisch könnte Regisseur Gross nun doch noch eine Fortsetzung des alten Stückes mit neuer Besetzung inszenieren.