Trauer um Hlinka, Proteste gegen Pribyl
Der tragische Tod von Eishockey-Nationaltrainer Ivan Hlinka, Premierminister Stanislav Gross und das neue Regierungsprogramm sowie die Proteste gegen die Ernennung von Pavel Pribyl als Leiter des Regierungsamtes - das sind die Themen in dieser Ausgabe des Medienspiegels. Die Reaktionen der tschechischen Presse dazu hat Robert Schuster zusammengefasst.
"Gross ist ein Ei, dass die tschechische Politik selber gelegt und ausgetragen hat. Er hat ein Papier, auf dem er lauter gute und richtige Sachen aufgeschrieben hat, die er uns dann vorlesen kann. Wenn notwendig, verspricht er auch schönes Wetter. In Tschechien ist das Wetter aber meistens normal und normal sind auch die Politiker. Sie kommen vom Volk, wenn auch sie vom Volk nicht gelitten werden. Sie seien angeblich oben und stehlen. Nur will das Volk aber nicht einsehen, dass eben diese Politiker aus ihrer Mitte kommen und einmal oben angelangt machen sie das, was sie vorher unten gelernt haben."
Aber die neue Regierung und hier insbesondere Premierminister Gross bekamen die Meinung zumindest eines Teiles der tschechischen Öffentlichkeit letzte Woche auch auf eine andere Art und Weise zu spüren. Vergangenen Dienstagvormittag versammelten sich vor dem Sitz der Regierung mehrere Hundert Menschen, darunter viele ehemalige Bürgerrechtler, Intellektuelle und Schauspieler, die gegen eine der ersten Personalentscheidungen der neuen Regierung protestierten, und zwar gegen die Bestellung von Pavel Pribyl zum Chef des Regierungsamtes. Der Grund für diese Proteste ist Pribyls Vergangenheit vor 1989, denn er war damals nicht nur Polizist, sondern leitete auch eine jener Polizei-Kompanien, die ausgerüstet mit Wasserwerfern und Knüppeln im Verlauf des Jahres 1989 mehrmals Kundgebungen von Regimekritikern und Oppositionellen auseinander trieben. Pribyl war auch während der so genannten Palach-Woche im Januar 1989 im Einsatz, als des zwanzigsten Jahrestages der Selbstverbrennung des Studenten Jan Palach gedacht wurde.Pribyl selber versuchte sich jüngst in einem Interview zu rechtfertigen, dass er damals als Kommandeur der besagten Polizeieinheit 15 Meter hinter den Polizisten gestanden wäre und das als ausreichenden Beweis sieht, dass er nie auf Demonstranten eingeschlagen hätte. Dazu fanden wir einen Meinungsartikel von Jiri Hanak, der in der linksliberalen Zeitung Pravo erschienen ist:
"Jeder muss für seine Taten Verantwortung tragen und es ist egal, wann diese Rechnung präsentiert wird. So hat zum Beispiel Alexander Dubcek - ein Symbol des Prager Frühlings und Hoffnungsträger für mehr Freiheit einen moralischen Bankrott erlebt, als er Ende 1969 - ein Jahr nach der Niederschlagung des Prager Frühlings das so genannte Knüppelgesetz unterzeichnete, das den Polizisten große Vollmachten gab. Die Rechnung bekam Dubcek zwanzig Jahre später vorgelegt, wo ihn sein Vorgehen von damals für das Präsidentenamt disqualifizierte. Pribyls Fall spielt sich zwar einige Stockwerke tiefer ab, ist aber dennoch von gleicher Substanz. Als Chef des Regierungsamtes ist man eigentlich fast Minister. Soll also so jemand nun zu Ministerehren kommen? Damit kann und darf sich niemand abfinden, der das Wirken dieser Kompanien im Januar 1989 am eigenen Leib erlebte."Soweit ein Kommentar von Jiri Hanak.
Viele Autoren wiesen in ihren Beiträgen zu diesem Thema darauf hin, dass der Fall Pribyl keine Einzelerscheinung sei. Schon seit längerem wird von vielen Seiten Kritik geübt, dass sich Stanislav Gross schon in seiner Zeit als einfacher Abgeordneter mit Beratern oder Mitarbeitern umgab, deren Vergangenheit, bzw. Verstrickungen mit dem früheren Regime nie ganz geklärt werden konnten. So meinte etwa Martin Zverina in der Lidove noviny:
"Diese zweifelhaften Mitarbeiter des Premiers verbindet eine uneingeschränkte Loyalität gegenüber ihrem Patron. Sie dienen ihm, weil er es bislang immer schaffte sie von allen Vorwürfen rein zu waschen. Nun ist aber Gross als Regierungschef an eine Grenze angelangt. Wie weit ist er bereit zu gehen, um seine angeblich zu unrecht beschuldigten Mitarbeiter zu verteidigen? Lässt er einen von ihnen fallen, wird das die Ergebenheit der übrigen gefährden, hält er an ihnen weiterhin fest, kann das seine politische Zukunft gefährden."
Der Autor kommt dann zum Schluss, dass der Fall des früheren Polizisten Pribyl in gewisser Weise für den jungen Ministerpräsidenten und dessen Sozialdemokraten schicksalhaft werden könnte, wenn er hinzufügt:
"Durch sein Eintreten für Pribyl kommt Gross eigentlich einer der wichtigsten Entscheidungen seiner Karriere immer näher. Sollte er durch sein Beharren an Pribyl das Image bekommen, für jene früheren Polizisten einzutreten, die seinerzeit Regimegegner niederknüppelten, bringt er sich um die Unterstützung von wichtigen Wählergruppen, wie etwa von Lehrern, Ärzten oder anderen, denen es nicht gleich ist, wie man zum früheren Regime steht."
Abschließend möchten wir Ihnen, verehrte Hörerinnen und Hörer, noch den Auszug aus einem Kommentar von Patricie Polanska präsentieren, der in der Wirtschaftszeitung Hospodarske noviny erschienen ist.
"Es ist so, wie wenn wir umgekehrt in ein Fernglas schauen würden. Anstatt, dass der Premier für die Auswahl seiner Mitarbeiter Verantwortung trägt und Beweise vorlegt, dass er eine richtige Auswahl traf, verlangt er nun Beweise, dass er eine falsche Wahl traf. Einer der Prioritäten der neuen Regierung soll künftig eine stärkere Unterstützung für Familien mit Kindern sein. Kinder lernen dadurch, dass sie die Erwachsenen nachahmen. Würden die Kinder nun konsequent das Verhalten von Gross wiedergeben, würde es heißen, es reiche 15 Meter dahinter zu stehen und schon ist man aus dem Schneider - so, wie eben der umstrittene Pavel Pribyl."