Alles BIO? - Anteil ökologischer Landwirtschaft in Tschechien liegt über EU-Schnitt
Ökologische Landwirtschaft, biologische Lebensmittel und artgerechte Tierhaltung: Während sich Österreicher und Deutsche vermehrt auf eine gesündere Lebensweise besinnen und immer mehr zu biologischen Produkten greifen, scheint das Wort BIO in der Tschechischen Republik noch ein Fremdwort zu sein. Scheinbar. Denn hierzulande gibt es nicht erst seit dem EU-Beitritt strenge Richtlinien. Und was den prozentuellen Anteil ökologischer an der gesamten Landwirtschaft betrifft, liegt Tschechien nicht nur über dem EU-Schnitt, sondern beispielsweise auch vor Deutschland. Sandra Dudek hat sich näher informiert:
"Schweinsbraten mit Kraut und Knödel" ist nicht gerade der Prototyp eines gesunden Gerichtes. Zumindest aber kann man diese tschechische Spezialität auch ganz biologisch genießen - wenn man weiß, wo die Zutaten dafür angeboten werden. Denn: Bio-Lebensmittel machen nicht einmal 0,1 Prozent des tschechischen Lebensmittelmarktes aus. Und das, obwohl Tschechien in punkto ökologischer Landwirtschaft eines der führenden EU-Länder ist, wie Jirí Urban, stellvertretender Vorsitzender von PRO-BIO, dem Verband ökologischer Landwirte, erläutert:
"Wenn Sie vom Ausland her schauen, dann wurden wir immer gelobt. Es funktionierten die Richtlinien, es gab einen heimischen Markt, unsere Kontrolle wurde durch die Europäische Union zertifiziert. Wir haben schon einen 6 Prozent-Anteil an ökologischer Landwirtschaft, was über dem Durchschnitt der Europäischen Union ist. Das ist mehr als in Deutschland und vor uns sind nur Länder wie Österreich, Italien, Dänemark zum Beispiel. Nur die Struktur dieser Landwirtschaft ist ziemlich einseitig, es ist ökologische Landwirtschaft in den Bergen. Da gibt es einen Verbesserungsbedarf."
Ein weiteres Problem ist die Konzentration der ökologischen Landwirtschaft auf Grünflächen und Wiesen. Mit über 90 Prozent nehmen sie den größten Teil der ökologisch bewirtschafteten Fläche ein, knapp acht Prozent entfallen auf Ackerland, etwas mehr als ein Prozent auf Obst- und Weingärten, den Hopfenanbau sowie Gemüse und Kräuter. Dies erklärt, warum in den 300 über die Tschechische Republik verteilten Verkaufsstellen mit Bio-Lebensmitteln kaum biologisches Obst oder Gemüse angeboten wird. Das aber soll sich ändern, so Martin Severa, Pressesprecher des Landwirtschaftsministeriums:"Es wird eine Erhöhung der Bewirtschaftung auch von ökologischem Ackerland erwartet. Die Kofinanzierung durch die Europäische Union zielt vor allem auf Ackerland und Gemüse ab und das heißt bzw. wir nehmen es an, dass sich der Anteil der ökologischen Bewirtschaftung von Ackerland erhöhen wird."
Ökologisch zu wirtschaften ist also auch ökonomisch von Vorteil. Dies umso mehr, als mit dem EU-Beitritt die Subventionen sprunghaft angestiegen sind. Obst und Gemüse werden nunmehr mit rund 12.000 Kronen, in etwa 400 Euro, pro Hektar gefördert - und damit um das Dreifache mehr als noch im letzten Jahr. Im Gegensatz dazu ist der Subventionsbeitrag für Grünflächen mit 1.100 Kronen, knapp 40 Euro, pro Hektar so gut wie gleich geblieben. Der finanzielle Anreiz soll nicht nur mehr Landwirte dazu animieren, ihren Betrieb auf ökologische Landwirtschaft umzustellen, sondern vor allem den Obst- und Gemüseanbau forcieren.Die Kasse stimmt also. Weniger zufrieden zeigt sich Jirí Urban vom PRO-BIO-Verband mit der Unterstützung durch die Regierung: Im März 2004 wurde zwar vom Landwirtschaftsministerium ein "Aktionsplan der Tschechischen Republik zur Entwicklung der ökologischen Landwirtschaft bis 2010" ausgearbeitet, die darin angeführten Ziele sind aber recht allgemein formuliert. Neben Schulen und Beratern hat auch der PRO-BIO-Verband als regierungsunabhängige Organisation an dem Dokument mitgearbeitet - und ist vom Ergebnis enttäuscht. Jirí Urban dazu:
"Wir haben vorgeschlagen, konkret die Ziele auszuarbeiten und bis wann und auch mit einem Finanzplan, aber weil den Aktionsplan letztendlich die Regierung angenommen hat und das ein staatliches Dokument ist, wollten sich der Staat und das Landwirtschaftsministerium nicht irgendwelchen konkreten Dingen verpflichten und das einzige, was dort außer den allgemeinen Zielen geblieben ist, ist, dass wir bis zum Jahr 2010 zehn Prozent in der Tschechischen Republik erreichen wollen."Allein die Erhöhung des Anteils der ökologischen Landwirtschaft auf zehn Prozent genügt aber bei weitem nicht, gibt es auch im größeren Umfeld noch einiges zu tun: Unter anderem sei die institutionalisierte Forschung nicht ausreichend entwickelt, es gebe kein systematisches Marketing und keine Aufklärungsarbeit bei der breiten Öffentlichkeit, kritisiert Urban.
Dass BIO von vielen Menschen noch immer im Dunstkreis von Vegetarismus, extremer Lebensweise oder Ernährung für kranke Menschen angesiedelt wird, weiß Hana Zemanová nur zu gut. Gemeinsam mit ihrem Mann führt sie seit über einem Jahr Albio, das erste Bio-Restaurant in der Tschechischen Republik:
"Das Bio-Restaurant ist sicherlich das einzige seiner Art und ich habe das nicht gern, wenn die Leute das mit vegetarischen Speiselokalen gleichsetzen. Wir sind darin anders, dass wir wirklich mit zertifizierten biologischen Lebensmitteln kochen, das heißt, dass jedes Öl, das wir kaufen, Reis, Senf, alles in Bio-Qualität ist. Aber das heißt nicht, dass jedes gewöhnliche vegetarische Speiselokal auch mit Biolebensmitteln kocht. Die Leute vertauschen ziemlich oft Geschäfte, wo gesunde Lebensmittel verkauft werden, mit Bio-Läden. Nein, da muss man ganz klar unterscheiden. Und das ist das Spezielle an unserem Restaurant, in dem als einziges so gekocht wird."Neben dem Restaurant gehören auch ein Catering-Service, eine zertifizierte Bio-Bäckerei, in der alle verwendeten Rohstoffe ausschließlich von Ökofarmen stammen, ein Informationszentrum sowie ein Veranstaltungssaal zum Albio-Unternehmen. Außerdem führen die Zemans mehrere Bio-Läden - in Kürze wird das dritte Geschäft in Andel eröffnet. In dem dann größten Bio-Laden Tschechiens soll es neben dem schon üblichen Sortiment an BIO-Produkten mehr Obst und Gemüse aus biologischem Anbau sowie Eier aus Freilandhaltung geben. Über kurz oder lang wird auch Fleisch von Tieren aus artgerechter Haltung im Handel erhältlich sein. Und natürlich auch auf der Speisekarte des BIO-Restaurants stehen.
Davon, dass BIO nicht mehr als Unwort gilt, sondern für mehr Lebensqualität und bewusstere Ernährung steht, ist Hana Zemanová überzeugt. Wenn es auch noch ein bisschen dauern wird, denn das Bewusstsein der Tschechen dafür ist, so Hana Zemanová:
"Deutlich geringer als in anderen Ländern, ich meine damit natürlich die Länder der Europäischen Union. Im letzten Jahr hat sich das aber stark geändert und ich denke, dass die Leute langsam begreifen, dass Bio höhere Qualität bedeutet, höhere, kontrollierte Qualität bei den Lebensmitteln."