Pilsen - jenseits der Brauerei: Ein Tor für den tschechisch-deutschen Jugendaustausch
Die westböhmische Stadt Plzen (Pilsen) ist vielen als Stadt der Brauereien und manchen als graue Industriestadt bekannt. Doch Pilsen hat auch darüber hinaus bedeutendes zu bieten. Hier hat nämlich das Koordinierungszentrum für deutsch-tschechischen Jugendaustausch Tandem sein Büro. Hintergründe und Aktuelles zu Tandem erfahren sie in unserem Regionaljournal von Oliver Engelhardt:
"Tandem als Koordinierungszentrum für deutsch-tschechischen Jugendaustausch beschäftigt sich eben mit Jugendaustausch. Das heißt wir sollen Lehrer und Leute, die mit Jugend arbeiten, unterstützen, Ihnen Informationen geben und so weiter. Wir haben Sprachmittler ausgebildet, also auch die Sprache ist unsere Aufgabe"
Da der Austausch zwischen Tschechien und Deutschland der Mittelpunkt der Arbeit von Tandem ist, macht es auch Sinn - und so ist es im Abkommen der beiden Länder festgelegt - dass die Organisation durchwegs zweiseitig aufgebaut ist. Und so gibt es zusätzlich zu dem Büro in Pilsen ein Tandembüro in Deutschland und zwar in Regensburg. Warum ausgerechnet Pilsen und Regensburg?
"Also wir wirken in der ganzen Republik. Es ist nicht so, dass wir nur in Westböhmen tätig sind. Aber: Pilsen und Regensburg sind Partnerstädte, daher ist Pilsen ein guter Platz"
Einmal pro Monat treffen sich die Mitarbeiter beider Büros zum runden Tisch, um aktuellen Projekte und organisatorische Fragen zu besprechen. Aktuell ist etwa, dass das Regensburger Büro von Tandem seit Oktober dieses Jahres mit dem Dramaturgen Stephan Kruhl einen neuen Leiter hat. Auch ihn treffen wir im Pilsener Tandem-Büro. Was hält er von der Stadt Pilsen?
"Angenehm. Es ist lebendig und die Stadt macht einen guten Eindruck. Sie gefällt mir. Jenseits von der Pilsener Brauerei. Also es ist wirklich eine lebendige Stadt, habe ich den Eindruck."
Das bestätigt neuerdings auch ein Preis, den die Stadt Pilsen Mitte Oktober erhalten hat. Der internationalen Wettbewerb LivCom bewertet Lebensqualität und Naturnähe und Pilsen hat es in der Kategorie "Städte und Regionen bis zu 200 000 Einwohnern" auf den zweiten Platz geschafft.
Doch zurück zu Tandem. Zwei Büros also mit jeweils sechs hauptamtlichen Mitarbeitern werden von den für Jugend zuständigen Ministerien der beiden Länder finanziert. Um so etwas zu gründen und unterhalten, muss ein politischer Wille vorhanden sein. Worin sieht Stephan Kruhl den Sinn und die Gründe für eine Einrichtung wie Tandem?
"Es gibt sicher ganz besondere Gründe, solche Einrichtungen zu haben, die natürlich auch in der Geschichte liegen, in der deutschen Geschichte. Es gibt Missverständnisse, es gibt viele Vorbehalte. Und all das kann man besonders gerade mit jungen Menschen am ehesten überwinden, da kann man am besten ansetzen, um eine europäische Integration eben auch auf dieser Ebene zu betreiben."
Stephan Kruhl hat in der Leitung des Regensburger Büros Dr. Carsten Lenk abgelöst, der Tandem Regensburg seit seiner Gründung im Jahr 1997 auf- und ausgebaut hat und sich im Sommer entschlossen hat, sich - wenn auch schweren Herzens - von der deutsch-tschechischen Jugendarbeit zu trennen. Welche neuen Ideen bringt der Nachfolger mit, hat er bereits Erfahrungen mit der Jugendarbeit?
"Ja, also mit deutsch-tschechischem Austausch auf jeden Fall. Ich bis seit 1980 regelmäßig in die Tschechoslowakei gefahren, ich habe da am Theater in Brünn mitgearbeitet, ich war Kulturreferent am tschechischen Zentrum in Berlin und habe über die Jahre nie den Kontakt verloren und immer in dem Bereich gearbeitet. Ich habe selbst einige Austauschprojekte mit betreut. Ich würde gerne einen Schwerpunkt setzen in der Jugendkultur, im jugendkulturellen Austausch. Jugendinitiativen anregen oder junge Leute anregen, selbst initiativ zu werden, Projekte zu lancieren und einfach das Interesse füreinander weckt. Also das ist so der Ansatz bei mir, dass ich eher so aus diesem jugendkulturellen Bereich komme und das ist aber glaube ich auch die Linie, wo man wirklich weitergehen soll, weil man da Jugendliche erreicht, die nicht schon bei Verbänden und Vereinen angeschlossen sind."
Tandem öffnet den Jugendlichen beider Länder also ein Tor ins Nachbarland. Ein Tor für vielfältige Eindrücke, in erster Linie für die Begegnungen mit anderen jungen Menschen. Ich habe Lenka Hofmanová aus Mladá Boleslav (Jungbunzlau) getroffen. Sie ist Anfang 20 und hat selbst an Jugendbegegnungen in Deutschland teilgenommen. Ich habe sie gebeten, uns von ihren Erlebissen zu erzählen:
"Ich war in Deutschland, auf einer Jugendbegegnung und wir haben die andere Kultur kennen gelernt, wie haben Lieder gesungen und wir haben auch allein gekocht. Und das war so, dass wir einen Abend ein tschechisches Gericht gekocht haben und am nächsten Abend ein deutsches Gericht. Ich erinnere mich auch, dass wir so viele Spiele gespielt haben und wir haben so viel Spaß gemacht. Zuerst haben wir in einer alten Mühle gewohnt und wir haben dort alleine gekocht. Alles war für uns zur Verfügung. Für das Essen mussten wir auch einkaufen gehen. Nächstes Jahr oder übernächstes will ich wieder dort hinfahren"
Aber neben Spaß und Spielen bringt eine Jugendbegegnung auch bestimmte Herausforderungen mit sich und ist somit ein Ort, an dem junge Menschen lernen miteinander umzugehen. Was war für Lenka Hofmanová die wichtigste Erfahrung?
"Dass die Kommunikation sehr wichtig ist. Wir haben es zum Beispiel anders gemeint oder gedacht als die anderen, als die Deutschen. Es konnten auch verschiedene Komplikationen entstehen, die mit der Sprache verbunden sind, aber nicht nur mit der Sprache. Und dann: wenn Lust ist, dass alles geht."
Wenn auch Sie Lust bekommen haben auf deutsch-tschechische Jugendbegegnungen, können Sie sich bei TANDEM weiter informieren. Im Internet finden Sie die Organisation unter www.tandem.adam.cz beziehungsweise www.tandem-org.de.