Schwere Stürme machten weite Teile des Tatragebirges zur Apokalypse

Naturkatastrophe im Tatragebirge (Foto: Lidove noviny 22/11/04, SME, Jan Kroslak)

Das Wetter spielt verrückt! Dieser Ausspruch ist in den zurückliegenden Monaten und Jahren immer häufiger zu hören. Und es sind längst nicht mehr nur die erschütternden Bilder von der Zerstörungskraft der amerikanischen Hurrikans oder der japanischen Taifune, die uns aufschrecken lassen. Auch Mitteleuropa wird zunehmend häufiger von schwerwiegenden Umweltkatastrophen heimgesucht. Das letzte große Beispiel war die Hochwasserflut im August 2002. Bis zum vergangenen Wochenende. Denn da ist in der Slowakei, dem Nachbarland Tschechiens, eine Naturkatastrophe hinzugekommen, wie man sie bisher nur aus Science-fiction-Filmen kannte. Lothar Martin berichtet.

Popradske Pleso im Tatragebirge vor der Katastrophe  (Foto: Jerzy Opioła,  Creative Commons 3.0)
Wenn Sie schon einmal in der bizarren Bergwelt der slowakischen Tatragebirge Urlaub gemacht haben, dann werden Sie in der Regel aus dem Schwärmen nicht herausgekommen sein. Sowohl in der Hohen, der Niederen und der Westlichen Tatra bot sich Ihnen das Bild einer lebendigen, nahezu unberührten Natur, die es zu genießen galt. Doch von dieser Möglichkeit wird man nun - leider - auf Jahrzehnte gesehen Abstand nehmen müssen. Denn was die mit Windspitzen von über 170 Stundenkilometern am Freitag und Samstag über den nordöstlichen Teil der Slowakei hereinbrechenden Orkanstürme nach sich gezogen haben, ist ein Bild des Grauens. Dort, wo sie noch vor Stunden hätten durch scheinbar immergrüne Wälder streifen können, da steht nun im wahrsten Sinne des Wortes kein Baum mehr neben dem anderen. Die Fotos auf den Titelseiten der tschechischen Tageszeitungen vom Montag eröffnen ihnen das Bild einer buchstäblichen Apokalypse. Neben den touristisch erschlossenen Bergbauden sehen Sie nur noch ein Meer von entwurzelten oder wie Streichhölzer umgeknickten Bäumen. Das Gebiet eines einstigen Fichtenwaldes gleicht nun einer Mondlandschaft. Die vor Ort gewesene slowakische TV-Reporterin Aneta Petrovicová hat das Ausmaß der Katastrophe so beschrieben:

"Der Sturm hat 250 Quadratkilometer Wald vernichtet. Die Naturkatastrophe hat das Gesicht der Tatra auf Jahrzehnte völlig verändert. Rettungskräfte sprachen davon, vollkommen schockierte Waldarbeiter angetroffen zu haben, da sich diese nicht mehr orientieren könnten. Der Orkan hat auch viele Eisenbahnverbindungen unterbrochen, auf einigen Strecken kann man nur mit großen Schwierigkeiten vorwärts kommen. Alle touristischen Wege sind gesperrt. Die Arbeiter des Tatra-Nationalparks haben es bestätigt: Die Tatra wird nie wieder so aussehen wie früher, und wir müssen uns daran gewöhnen."

Am Sonntag hat der slowakische Landwirtschaftsminister Zsolt Simon die Tatragebirge bis auf weiteres zum Sperrgebiet erklärt. Auch Holz darf angesichts der brach liegenden Waldbestände keines mehr geschlagen werden. Die Unwetter haben zudem zwei Menschenleben gefordert. Unter den Opfern war ein 27-jähriger tschechischer Tourist, der sich am Freitag in der Niederen Tatra verirrt hatte.

Stary Smokovec,  Tatragebirge  (Foto: CTK)
Auch Tschechien ist von den schweren Stürmen der letzten Tage nicht verschont geblieben, auch wenn sich hierzulande das Ausmaß der Schäden im Vergleich zur Slowakei in Grenzen hält. In Nord- und Zentralmähren allerdings mussten rund 200.000 Haushalte stundenlang ohne Strom auskommen, da die Unwetter mehr als 400 Sturmschäden am Netz der Nordmährischen Energiewerke (SME) verursacht hatten. Manche Gegenden mussten das ganze Wochenende auf den Saft aus der Steckdose verzichten. Doch am Montag konnte Rundfunkreporterin Gabriela Vsolková endlich Entwarnung geben:

"Bis in die vergangene Nacht hinein waren einige Randgebiete von Ostrava, Karvina, Opava sowie die höheren Berglagen bei Frydek-Mistek ohne Strom. Jetzt aber sollten alle Stromausfälle wieder beseitigt sein. Auch die Frau aus Orlova, die sich darüber beschwert hatte, dass ihr Haus drei Tage lang ohne Strom gewesen sei, hat bestätigt, dass sie gegen Viertel Zehn das elektrische Licht wieder einschalten konnte."