Tschechischen Schuhen bricht der Absatz weg
Eine der Wiegen der modernen Schuhfabrikation steht in Tschechien: Der südmährische Unternehmer Tomas Bata hatte entscheidenden Anteil daran, dass Schuhe vom Handwerks- zum Industrieprodukt wurden. Mit Massenproduktion und hart kalkulierten Preisen setzte er seine Produkte auf dem Weltmarkt durch; die Schuhfabrikation wurde einer der bedeutenden Industriezweige der damaligen Tschechoslowakei. Inzwischen frisst die Revolution ihre Kinder. Thomas Kirschner über die Probleme der tschechischen Schuhindustrie in Zeiten der Globalisierung.
Der Absturz kam auf dem Gipfel: Im Jahre 1990 wurden in der damaligen Tschechoslowakei mehr als 70 Millionen Paar Schuhe hergestellt - allein die Hälfte davon für die Ausfuhr nach Russland. Die Exportmärkte im Osten brachen aber nach der Wende schlagartig weg; innerhalb von fünf Jahren fiel die tschechische Schuhproduktion um 50 Prozent. Die meist mittelständischen Hersteller, die aus der Auflösung der Staatsbetriebe hervorgegangen waren, mussten sich zudem immer stärker der Billigkonkurrenz aus Fernost stellen. Im vergangenen Jahr betrug die tschechische Produktion nur noch rund 5 Millionen Paar, während im gleichen Zeitraum allein aus China rund 32 Millionen Paar Schuhe eingeführt wurden - zu Einkaufspreisen von durchschnittlich 53 Kronen, etwa 1,75 EUR. In Tschechien kostet bereits das Material das Dreifache, erläutert Vlasta Mayerova vom Verband der tschechischen Schuhhersteller. Mit der Massenproduktion aus China könne man nicht mehr konkurrieren, so Mayerova:
"Die Hersteller, die es heute noch auf dem tschechischen Markt gibt, müssen sich umorientieren und versuchen, spezielle Segmente zu erschließen. Zum Beispiel den Bereich von Arbeits- und Sicherheitsschuhen, deren Herstellung anspruchsvoll ist und spezielle Qualifikationen und Zertifikate erfordert. Damit einher geht natürlich auch eine höhere Wertschöpfung."
Auch qualitativ hochwertige Kinder- und Gesundheitsschuhe könnten eine Nische für tschechische Produzenten sein. Problematisch ist aber auch der Schuhhandel, der sich immer mehr auf Hypermärkte und fliegende vietnamesische Händler verlagert. Bei beiden dominiert das Billigsegment. Für kleinere Hersteller von Qualitätsschuhen wird es immer schwieriger, ihre Produkte in den Handel zu bringen, bestätigt auch Vlasta Mayerova vom Verband der tschechischen Schuhhersteller:
"Viele Leute, das zeigen auch unsere Umfragen, geben qualitativ hochwertigen, zertifizierten Schuhen den Vorzug. Das Problem ist allerdings, das uns das Verkaufsnetz des Fachhandels wegbricht. Damit die heimischen Schuhfabrikanten weiter existieren können, müssen wir uns daher in der nächsten Zeit vor allem um das Fachhandels-Netz bemühen."
Nach Gesprächen mit dem Verband der Schuhhersteller hat der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses des Abgeordnetenhauses, Josef Hojdar, nun angekündigt, dass die Billigimporte aus Fernost in Zukunft schärfer auf die Einhaltung von EU-Vorschriften überprüft werden sollen. Die einheimischen Hersteller fordern zudem Einfuhrbeschränkungen für Schuhe aus China. An der Notwendigkeit einer tief greifenden Neuausrichtung der tschechischen Traditionsbranche wird dies allerdings nichts ändern, weiß auch Mayerova: Man könne eben nicht erwarten, dass die Massenfertigung von Schuhen in absehbarer Zeit nach Europa zurückkehre.