Denkmalpfleger: Investitionsdruck gefährdet das historische Prag

Cow-parade und Container-Parade im Zentrum Prags (Foto: http://klub.za.starou.prahu.misto.cz)

Wie soll man mit einem historischen Stadtkern umgehen? Soll er konserviert werden? Wodurch wird das historische Stadtzentrum Prags am stärksten verunstaltet? Gibt es eine Vision für die tschechische Metropole mit ihren zahlreichen historischen Sehenswürdigkeiten? Diese und weitere Fragen wurden während einer öffentlichen Debatte diskutiert, die am Mittwoch in Prag von der Bürgerinitiative Agora Central Europe und der Tageszeitung Lidové noviny organisiert wurde. Martina Schneibergova war dabei.

Die Debatte hatte das Motto "Verschwindet die Seele unserer Städte?". Am Diskussionstisch saßen Vertreter des Prager Magistrats und des Denkmalsschutzinstituts sowie ein Architekt, der sich in letzter Zeit mit der Verkehrsproblematik in Prag beschäftigt. Unter den Diskutierenden aus dem Publikum waren nicht nur interessierte Laien, sondern auch Architekten und Kunsthistoriker - wie z. B. Architekt Milos Solar. In der einleitenden Diskussion darüber, worin die Seele der Stadt Prag besteht, wollte er die Seele der Stadt nicht nur auf das Stadtzentrum reduzieren:

"Stadteile wie Zizkov, Karlin oder andere Orte sind für Prag genauso wichtig wie das historische Stadtzentrum. Wichtig ist, dass der Mensch sich entscheiden kann, ob er auf die Kleinseite oder auf Zizkov spazieren geht. Wenn die Stadt umgebaut und so zu sagen zu einem einzigen Standard umgewandelt wird, verliert man die erwähnte Vielfalt, weil vieles gleich aussieht. Der hier erwähnte Begriff der Rekonstruktion bedeutet einerseits eine Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands und andererseits einen Umbau. Wenn jemand, der im Magistrat für Denkmalschutz verantwortlich ist, sich hier so begeistert darüber äußert, wie der historische Stadtkern umgebaut wird, sagt dies viel über die Zustände."

Nach Meinung von Katerina Beckova, der Vorsitzenden der Bürgerinitiative "Klub für das alte Prag" hängt die Seele einer Stadt nicht nur davon ab, ob und wie deren historische Fassaden gepflegt werden. Denn:

"Jeder von uns hat mal das Wunder erlebt, wenn man eine Stadt besuchte, die ein wenig verwahrlost war. Wir fühlten aber, dass die Stadt eine Seele hat. Die besteht eher in einer Beziehung."

Die Seele von Prag verschwindet beispielsweise unter dem touristischen Kitsch und Ballast. Dies meinte nicht nur Katerina Beckova, die einige Fotos von verunstalteten historischen Sehenswürdigkeiten Prags mit brachte. Die Experten, die oft den Vertretern des Magistrats opponierten, vermissen in der Hauptstadt einen Regulierungsplan, den es schon vor Jahrhunderten gab und der im Voraus bestimmte Regeln festlegen würde.

Eine wichtige Rolle spielen natürlich auch die Bewohner der historischen Stadteile und ihre Beziehung zu ihrem Wohnort. Im Falle von attraktiven Stadteilen wie der Prager Kleinseite kann von ursprünglichen Bewohnern kaum die Rede sein. Die neuen Bewohner und Hausbesitzer wollen an der guten Adresse auch etwas verdienen, meinte der Chefkonservator des Tschechischen Denkmalschutzinstituts, Josef Stulc:

"Dies schafft einen schrecklichen Investitionsdruck. Der Investitionsappetit ist sehr stark, und die Stadt ist nicht imstande, ihn zu absorbieren. Ich vermisse hier eine Vision, die zur Entlastung des historischen Stadtkerns führen würde. Büro- und Handelsgebäude können anderswo stehen - wie im Fall von La Defense in Paris. Sonst wird sich früher oder später der Investitionsdruck über die Schönheit der Stadt durchsetzen."