Pilsen wurde am 6. Mai durch die US-Armee befreit
Im westböhmischen Plzen/Pilsen befand sich Anfang Mai 1945 die letzte funktionierende Rüstungsfabrik im Dritten Reich, wo immer noch Panzer sowie Artilleriesysteme hergestellt wurden. Aus diesem Grund war es wichtig, Pilsen zu befreien. Mehr über das Geschehen in Pilsen erfahren Sie jetzt von Martina Schneibergova.
Die US-Truppen machten jedoch nicht in Pilsen halt, sondern rückten weiter vor. Obwohl aufgrund einer mit der Roten Armee getroffenen Vereinbarung angeordnet wurde, auf der Demarkationslinie stehen zu bleiben, zogen einige US-Militärabteilungen weiter. Am 7. Mai befreiten US-Soldaten beispielsweise die Stadt Rokycany/Rokican. Und noch weiter rückten die US-Aufklärungstruppen vor - sie kamen fast bis nach Prag. Man weiß, dass sie z. B. die mittelböhmischen Städte Príbram oder Kralovice erreichten. Der Leiter der historischen Abteilung des Westböhmischen Museums in Pilsen, Dr. Miroslav Hus, dazu:
"Leider mussten sie aber dann auf die vorher vereinbarte Demarkationslinie zurückkehren, und der Rest Böhmens wurde durch die Rote Armee befreit, die später als die Amerikaner nach Mittel- und Westböhmen kam. Nach Prag kamen Angehörige der Roten Armee erst am 9. Mai, die US-Soldaten hätten dort früher sein können, aber das durften sie leider nicht. In Westböhmen tauchten die ersten sowjetischen Truppen erst am 10. bzw. 11. Mai auf - also wieder um 3-4 Tage später als die US-Truppen. Aber am 12. Mai war ganz Böhmen von der sowjetischen und der US-Armee besetzt, und es gab keinen deutschen Widerstand mehr."Was spielte sich vor der Ankunft der US-Truppen in Pilsen ab? In der Stadt brach der Aufstand schon am 5. Mai morgens aus. Den ganzen Tag lang besetzten die Aufständischen verschiedene wichtige strategische Punkte in der Stadt - die Post, das Rathaus, die einzelnen Brücken und Bahnhöfe. Die deutsche Armee war jedoch so stark, dass sie Gegenangriffe unternahm. Sie konzentrierte in Pilsen sämtliche Truppen aus der Umgebung.
"In der Nacht vom 5. auf 6. Mai drohte Pilsen ein Generalangriff der deutschen Armee, die bereit war, mit den ihr übrig gebliebenen Panzertruppen die Stadt zu erobern. Zum Glück kamen am 6. Mai die Amerikaner, oder genauer die 16. Panzerdivision, die aus der Richtung von Tachov/Tachau kam und die zweite Infanteriedivision, die von Klatovy/Klattau aus einmarschierte. Während des Tages gelang es ihnen, den deutschen Widerstand zu brechen. Die Bewohner von Pilsen wollten Prag zur Hilfe kommen. Am 7. Mai waren die Aufständischen bereit, mit LKWs nach Prag zu reisen. Sie durften leider nicht kommen, die Sowjets haben es verboten, und die Freiwilligen mussten in Pilsen bleiben."Die Wehrmacht war damals in Pilsen nach Worten des Historikers sehr stark, es waren da sowohl Angehörige der Luftwaffe, als auch der Luftabwehr stationiert. Außerdem gab es hier SS-Truppen, Hitlerjugend etc. Insgesamt werden die deutschen Truppen in Pilsen und Umgebung auf 15.000 Mann geschätzt. Dagegen waren die Aufständischen in Pilsen nur einige Tausend Mann stark und zudem schlecht ausgerüstet. Die beiden US-Divisionen, die Pilsen befreiten, zählten aber mehr als 20.000 Mann, sie verfügten über 300 Panzer und Panzerfahrzeuge. Die Stadt wurde während eines Vormittages befreit. Viele deutsche Soldaten gerieten dabei in Gefangenschaft. Der Historiker dazu:
"In Pilsen gab es viele deutsche Gefangene. Denn nach Westböhmen flüchteten auch deutsche Truppen, die sich vor der Roten Armee zurückzogen. In den Tagen vom 8. bis zum 12. Mai versammelten sich in Westböhmen Hunderttausende deutsche Soldaten, die vor den sowjetischen Truppen flüchteten. Ca. 250.000 deutsche Soldaten wurden von der US-Armee gefangen genommen. Weitere ca. 500.000 deutsche Soldaten fielen in Süd- und Westböhmen in sowjetische Gefangenschaft."Obwohl sich das kommunistische Regime mit allen Mitteln darum bemühte, das Andenken an die US-Armee, die Westböhmen befreit hatte, auszulöschen, ist dieses Andenken bei der Bevölkerung in der Region immer wach geblieben. Um das Jahr 1968 wurden an einigen Orten Westböhmens sogar Gedenktafeln installiert, die an die US-Soldaten erinnerten. Bald wurden diese Tafeln jedoch wieder beseitigt. In Schulen wurde ausschließlich über die Rote Armee unterrichtet und die Tatsache, dass die US-Truppen vor Prag standen, sollte vergessen werden. Auch wenn es dem kommunistischen Regime nicht gefiel, lebten immer noch zahlreiche Augenzeugen, die die Befreiung Pilsens und anderer Städte erlebten. Dr. Hus dazu:
"Das stimmt. Die US-Armee hat in Westböhmen einen guten Ruf. Die Feierlichkeiten, bei denen man sich an die Befreiung erinnerte, waren in der Region noch vor dem Februar 1948 - also vor dem kommunistischen Putsch - sehr intensiv. Vor 1948 begann man auch ein Denkmal für die US-Armee zu errichten. Nachdem die Kommunisten im Februar 1948 die Macht ergriffen hatten, wurde jegliche Aktivität in diese Richtung streng verboten. Das Geld, das die Bewohner Westböhmens sammelten, um ein Denkmal für die US-Armee zu errichten, wurde übrigens von den Kommunisten beschlagnahmt und während des Kriegs in Korea den nordkoreanischen Kommunisten geschenkt. Dies ist eine Ironie des Schicksals."
Trotz der Unterdrückung seitens der kommunistischen Polizei gab es illegale Feierlichkeiten und illegale Protestaktionen, bei denen man an die Verdienste der US-Armee bei der Befreiung der Tschechoslowakei erinnerte."Es ist bekannt, dass einige Jahre lang regelmäßig illegale Feierlichkeiten anlässlich des Jahrestags der Befreiung von Pilsen veranstaltet wurden. Meistens war es am 5. oder 6. Mai. Die Teilnehmer wurden immer verhaftet. Eine andere illegale Gedenkveranstaltung stellte immer das Andenken an die bei Litice bei Pilsen abgeschossenen US-Piloten dar. Das fand immer im April statt. Die Polizei griff auch hier gegen die Teilnehmer ein. Die Tradition ist hier in der Region lebendig, trotz der Unterdrückung ist sie nie verschwunden. Ende der sechziger Jahre wurden die Feierlichkeiten von den Staatsbehörden geduldet, es wurden sogar einige Gedenktafeln enthüllt. Diese vorübergehende Entspannung war bald vorbei. In den siebziger Jahren waren die Repressionsmaßnahmen vielleicht noch härter als vorher. Zum ersten Mal hat man sich an die Befreiung der Region entsprechend erst 1990 - ein halbes Jahr nach der Wende - erinnert. Seitdem wird die Befreiung Pilsens immer groß gefeiert."
Foto: www.usembassy.cz