Palais Schwarzenberg: Von der Residenz zur Galerie
Das monumentale Palais Schwarzenberg auf dem Hradschiner Platz ist vom Panorama der Prager Burg nicht wegzudenken. Gemeinsam mit dem Nachbarpalais Salm dient es seit 2002 der Nationalgalerie zu Ausstellungszwecken. Die Nationalgalerie hat nun ein Buch über die beiden Paläste herausgegeben, dieses wurde von mehreren Archäologen, Archivaren und Kunsthistorikern zusammengestellt. Herausgeber des Bildbands ist Marius Winzeler, der Leiter der Sammlung Alte Kunst der Nationalgalerie. Vor einer Woche wurde das Buch in der Nationalgalerie feierlich vorgestellt. Bei dieser Gelegenheit hat Martina Schneibergová mit Marius Winzeler gesprochen.
„Anlass ist der Umstand, dass die Nationalgalerie in ihren Gebäuden an verschiedenen Orten neue Ausstellungen plant oder schon realisiert hat, dass wir uns also in einem größeren Umbau befinden. Und gerade die Paläste auf der Prager Burg haben eine wechselhafte Geschichte, die sich fortsetzt. Das Schwarzenberg-Palais und das Salm-Palais, die beide seit 2002 der Nationalgalerie gehören, sind gerade in diesem Umbau begriffen. Aus diesem Grund haben wir beschlossen, dass wir uns etwas intensiver mit der Architektur und mit den Gebäuden selbst befassen. Dabei haben wir festgestellt, dass erstaunlicherweise bisher eine größere Publikation oder eine größere Untersuchung dazu fehlt. Dabei handelt es sich wirklich um ikonische Paläste und Architekturdenkmale, die für ganz Prag und darüber hinaus von hoher Bedeutung sind.“
Wer ließ das Palais Schwarzenberg bauen, und wer war der Architekt?„Das ältere der beiden Palais, das heutige Palais Schwarzenberg, wurde im Auftrag eines Mitglieds der Familie Lobkowicz – Johann IV. Popel von Lobkowicz – in den 1560er Jahren errichtet. Er war damals einer der vermögendsten Adeligen in Westböhmen, und am Ende seines Lebens hat er auch die Karriereleiter in der Verwaltung der Böhmischen Krone bis zum Amt des höchsten Burggrafen erklommen. Er war sehr einflussreich, sehr mächtig und sehr wichtig. Johann IV. Popel von Lobkowicz hat sich hier vor den Toren der Burg ein Denkmal in der Form dieses Palastes gesetzt, der damals wirklich einer der größten in Prag war. Dazu hat er einen Baumeister aus dem Grenzgebiet zwischen der heutigen Lombardei und Tessin engagiert, Agostino Galli. Dieser setzte ihm ein Werk nach modernsten Vorbildern aus Italien hin. Gleichzeitig baute Galli für den gleichen Bauherrn auch das Schloss in Horšovský Týn, also Bischofteinitz in Westböhmen, zu einem Renaissanceschloss aus, also eine sehr interessante Parallele in der Architekturgeschichte.“
Diente das Palais auch als Vorbild für weitere Gebäude?„Ja, das Schwarzenberg-Palais hat aufgrund seiner Lage auch sehr schnell Wirkung auf andere Bauwerke gehabt, die kurz danach entstanden sind. Außerhalb von Prag war das in erster Linie das Schloss von Litomyšl, also Leitomischl. Es wurde für einen der Nachfolger im Amt des höchsten Burggrafen, für Vratislav den Prächtigen von Pernstein errichtet, und zwar von Bauleuten, die in unmittelbarer Beziehung standen zum Baumeister des damaligen Palais Lobkowicz.“
Das Schloss von Litomyšl war vermutlich nicht das einzige Bauwerk, das von der Architektur dieses Prager Palastes beeinflusst wurde…
„Ja, es gab damals einen großen Bauboom in Böhmen und Mähren. Das Schwarzenberg-Palais hat mit seinen Details für Furore gesorgt, sodass auch andere wichtige Adelige wie die Rosenberg oder Adam von Neuhaus sich daran orientiert haben. So sind der Hrádek in der Schlossanlage von Český Krumlov, also Krumau, oder das sogenannte ,Adamsgebäude‘ in der Burg von Jindřichův Hradec, also Neuhaus in dieser Form entstanden. Interessant ist, dass man das Palais Schwarzenberg im 19. Jahrhundert gewissermaßen erneut als Vorbild entdeckte für die ganz spezifisch tschechische Neorenaissance. Es wurde damals plötzlich zum Vorbild für einen nationalen Stil in der Architektur kurz vor 1900.“
Vor 300 Jahren hat die Familie Schwarzenberg das Palais erworben. War es ein Erbstück?„Ja, sie haben es geerbt – so wie sie die ganze südböhmische Herrschaft von der Familie Eggenberg ererbt haben. Die letzte Eggenbergerin, Marie-Ernestine von Eggenberg, war eine geborene Schwarzenberg. Weil sie mit ihrem Mann keine Kinder hatte, ist dann dieses riesengroße Erbe an die Schwarzenbergs gefallen und damit auch dieses Palais. Man kann sagen: Die Schwarzenbergs waren dann die Familie, die das Palais am längsten besessen hat, und deswegen trägt es zu Recht auch heute ihren Namen. Von 1719 bis 1947 war es eben Schwarzenbergisch, aber auch das daneben stehende, heute als Palais Salm bezeichnete Gebäude ist vor allem mit der Familie Schwarzenberg verbunden. Denn die Schwarzenbergs kauften es 1811 von den Erben des Prager Erzbischofs Wilhelm Florentin von und zu Salm. Er hatte dieses Gebäude für seine Bedienstete errichten lassen, aber kurz vor der Vollendung starb er. Die Schwarzenbergs ließen dort repräsentative und bequeme Wohnräume einrichten, denn das Renaissancehaus war für Wohnzwecke sehr unpraktisch und unangenehm.“
Im Palais Salm hatte die schweizerische Botschaft eine Zeit lang ihren Sitz. Wie kam es dazu?
„Familie Schwarzenberg hat seit dem späten 17. Jahrhundert die schweizerische Staatsbürgerschaft getragen, beziehungsweise: Sie waren Bürger von Zürich und sind bis heute Schweizer Staatsbürger. Als die Schweiz in den 1930er Jahren nach einem würdigen Sitz für ihre Gesandtschaft suchte, stellte Adolph Schwarzenberg ihr Teile seines Palastes zur Verfügung. Er war auch froh, die Schweiz, zu der er sich zugehörig fühlte, hier bei sich beheimaten zu können. Die schweizerische Botschaft nutzte das Erdgeschoss als Verwaltungsbereich, und nachdem die Familie Schwarzenberg nach dem Zweiten Weltkrieg vertrieben wurde, konnte der Schweizer Botschafter auch die ehemalige Privatwohnung von Adolph Schwarzenberg als Residenz übernehmen.“Während des kommunistischen Regimes war im Palais Schwarzenberg ein Militärhistorisches Museum untergebracht. Bestand dort auch schon vorher ein Museum?
„Die Familie Schwarzenberg hat das Renaissancepalais schon früh musealen Zwecken zur Verfügung gestellt, allerdings nicht dem Militärmuseum, sondern dem Technischen Museum. Es war sozusagen der Vorgänger des heutigen Nationalen Technik-Museums in Prag. Als dann die Nazis den Besitz der Schwarzenbergs konfiszierten, erkoren sie dieses Palais als Sitz für ein Heeresmuseum aus, das nach den Vorstellungen der Nationalsozialisten die großen Taten der Wehrmacht feiern sollte. Nach dem Krieg fand das tschechoslowakische Verteidigungsministerium, dass die Idee eines Militärmuseums gar nicht schlecht sei und beschloss, das Palais weiter zu diesen Zwecken zu nutzen. Das Palais wurde dann bis 2002 als Militärhistorisches Museum genutzt.“
Seit wann nutzt die Nationalgalerie die beiden Palastgebäude für ihre Sammlungen?„2002 hat die Nationalgalerie die beiden Gebäude erhalten, und danach wurden sie umfassend saniert und restauriert. Ab 2008 wurden die Räume auch für Ausstellungszwecke eröffnet – zuerst mit der Sammlung der Barockkunst in Böhmen im Palais Schwarzenberg.“
Wie sind die weiteren Pläne der Nationalgalerie für die Räumlichkeiten?
„Das Palais Salm wurde schon im Dezember vergangenen Jahres neu eröffnet als Ort, in dem zeitgenössische Kunst gezeigt wird. Zurzeit ist dort eine Sammlung aus Berlin zu Gast, die den Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden gehört, und die Kunstwerke werden in den Dialog mit tschechischer zeitgenössischer Kunst gesetzt. Das Palais Schwarzenberg wird im September dieses Jahres als Sitz der Sammlung Alter Meister mit einer neuen Ausstellung wiedereröffnet. Diese hat der Architekt Josef Pleskot gestaltet. Gezeigt werden Meisterwerke unserer Sammlung von der frühen Renaissance bis zum ausgehenden Barock, aber auch ein paar Werke davor und danach.“
An der Publikation hat sich ein Team von Experten aus verschiedenen Bereichen beteiligt. Gab es beispielsweise bei den archäologischen Forschungen überraschende Funde, die im Buch erwähnt werden?„Ja, gerade die Archäologen, die schon über mehrere Jahre im Bereich des Hradschiner Platzes graben und forschen, haben sehr bedeutende Funde im Areal der Paläste gemacht. Zum einen stießen sie auf Bauten, die bis ins 9. Jahrhundert zurückgehen, also in die Frühzeit der Stadt Prag. Zum anderen gab es Funde zur Alltagsgeschichte: mehrere Latrinen, also Abortgruben, in denen Dinge entsorgt wurden, die kaputt waren oder von der Tafel irgendwie abfielen, und die von den Festivitäten oder von dem Haushalt künden. Das sind Keramikteile, sehr schönes Glas oder Schmuckstücke. Es sind aber auch Textilien und Lederfragmente dabei, die eine Momentaufnahme von dem alltäglichen Leben darstellen, von dem wir sonst nicht so viel wissen, weil wir nur die architektonische Hülle der Paläste besitzen."
Das Buch ist in einer tschechischen und einer deutschen Version erschienen. Rechnen Sie eventuell noch mit weiteren Sprachversionen, beispielsweise einer englischen?
„Es gibt in den beiden Versionen jeweils eine relativ ausführliche englische Zusammenfassung. Falls es sich zeigen sollte, dass das Interesse an einer englischen Version größer wird, dann kann das sicher in Betracht ziehen. Wir haben uns eigentlich gedacht, dass es von der Thematik her und auch von der Verbindung der beiden Paläste mit der mitteleuropäischen und deutschsprachigen Umgebung Tschechiens durchaus Sinn hat, auch das deutschsprachige Publikum anzusprechen.“