Moderne Architektur Prags in 130 Stichwörtern
Ein neuer Reiseführer für Prag ist kürzlich in deutscher Sprache erschienen. Im Mittelpunkt steht ein weniger bekanntes Gesicht der tschechischen Hauptstadt: die nicht immer so spektakuläre, aber sehr beachtenswerte Architektur des 20. Jahrhunderts.
„Im Hauptteil sind die einzelnen beschriebenen Gebäude nach Stadtvierteln eingeteilt. Dabei werden die Perioden 1900 bis 1950 und 1950 bis 2000 unterschieden. Ein Kennzeichnungssystem aus Buchstaben, Nummern und Farben sorgt dafür, dass man die einzelnen Gebäude leicht den Karten der einzelnen Stadtviertel zuordnen kann, die im letzten Abschnitt des Buches abgedruckt sind. Der Berliner Verlag DOM publishers hat bereits mehrere Dutzende Architekturführer über Städte der ganzen Welt nach einem ähnlichen Design herausgebracht, und die zuständige Redakteurin, Ute Keil, ist mit großer Sorgfalt vorgegangen. Dasselbe kann für den Verlag Paseka behauptet werden, der die Rechte und die Vorlage für die deutsche Ausgabe bereitgestellt hat.“
Die beiden Autoren sind in Tschechien bekannt und setzen sich für die Popularisierung moderner Architektur ein. Sie haben zusammen auf Tschechisch bereits das vierbändige Werk „Praha moderní“, also „Modernes Prag“ verfasst. Ist die deutschsprachige Ausgabe eine Auswahl aus diesen Büchern?„Ja, so ist es. Die deutsche Ausgabe enthält eine Auswahl von rund 130 Gebäuden und Ensembles aus dem ursprünglichen, vierbändigen tschechischen Werk. Der Herausgeber hat sich auf die Stadtteile konzentriert, die an das historische Stadtzentrum angrenzen. Das Buch deckt also einen geographisch kompakten Bereich ab.“
Der Untertitel heißt „Bauten und Projekte 1900 -2000“. Der Schwerpunkt liegt auf dem Zeitraum von 1900 bis 1950. Aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts werden nur ein paar herausragende Beispiele vorgestellt. Ist das Angebot an Architektur in der ersten Hälfte des Jahrhunderts so reich, dass man sich für diese Gliederung entschieden hat?
„In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelte die Prager Architektur eine außergewöhnliche Vielfalt an Stilrichtungen. Neben mondänen Palais im Jugendstil entstanden damals unter anderem asketische Bauten im Stil der Moderne, funktionalistische Wohn- und Geschäftshäuser, Häuser in kubistischer Architektur und Firmenzentralen im sogenannten ‚Nationalen Dekorativismus‘; letzterer war eine tschechische Abwandlung des Art déco. Er stellt wie auch der architektonische Kubismus einen originär tschechischen Baustil dar.“
Und die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts? Was hat die tschechoslowakische Architektur in dieser Zeit geprägt?„Der kommunistische Umsturz im Februar 1948 zog auch in der Architektur einen Bruch nach sich. Die privaten Planungsbüros und Ateliers wurden aufgelöst, der Staat beanspruchte das Monopol auf die Bauproduktion. Glücklicherweise blieb diese Phase, in der der Sozialistische Realismus dominierte, auf die Zeit bis 1960 beschränkt. Dann nahm die Tschechoslowakei an der Weltausstellung in Brüssel 1958 teil, und das führte wiederum eine Wende herbei. Sie markiert die Rückkehr ins zivilisierte Europa. Danach konnten die Architekten wieder schauen, was anderswo gebaut wurde. Es entstanden unter anderem Bauten im Stil der Internationalen Moderne und des Brutalismus, zu dessen typischen Merkmalen rohe, nicht verkleidete Fassaden aus Beton und Stahl gehören.“
Zeigt die Publikation bekannte Architekturdenkmäler oder vielleicht auch versteckte Kleinode, Bauten, bei denen einem nicht einfallen würde, dass sie architektonisch wertvoll sind?
„Gerade eine der stärksten Seiten des Buches ist, dass es die Aufmerksamkeit auf Bauwerke zieht, die unscheinbar wirken. Dabei wird herausgearbeitet, was alles an Ideen und künstlerischer Gestaltung in diese Bauten eingeflossen ist. Welcher Tourist geht schon auf den Marienplatz? Und doch ist er umgeben von baugeschichtlich wertvollen Gebäuden wie der Stadtbibliothek und dem Neuen Rathaus. So werden dem Laien die Augen für die Arbeit der Architekten geöffnet, die unseren urbanen Lebensraum mitgestalten.“Wie findet sich der Leser unter all diesen Beispielen von Gebäuden und Stilen zurecht? Kann man mit diesem Buch in der Hand wirklich einen Spaziergang durch Prag machen? Findet man auch praktische Hinweise beziehungsweise Empfehlungen konkreter Routen durch die Stadt?
„Die einzelnen Stichwörter ordnen die Gebäude in den architekturhistorischen Kontext ein und nennen die Architekten und bildenden Künstler, die an der Planung mitgewirkt haben. Dann werden der Aufbau, die Materialien und beachtenswerte Details beschrieben. Der Herausgeber hat aber bewusst darauf verzichtet, den Lesern konkrete Routen vorzuschreiben. Stattdessen ist das Buch mit über 20 Karten der einzelnen Stadtviertel ausgestattet, auf denen die beschriebenen Gebäude gut auffindbar eingezeichnet sind. So kann jeder Leser seinen eigenen Spaziergang zusammenstellen.“
Wichtig sind in dem Buch aber nicht nur die Texte, sondern auch die Fotos. Wer hat für die Aufnahmen der Gebäude und der Details gesorgt?
„Die Fotos stammen von dem Prager Fotografen Pavel Hroch.“