Extremismusbericht wirft neue Fragen auf

SPD-Anhänger (Foto: Lukáš Vrána, CC BY-SA 4.0)

Das Innenministerium hat seinen Extremismusbericht für das erste Quartal 2018 vorgestellt. Tomio Okamuras Partei „Freiheit und direkte Demokratie“ (SPD) kommt dabei nicht gut weg.

Lubomír Metnar  (Foto: Archiv des Regierungsamtes der Tschechischen Republik)
Insgesamt gibt es weniger Extremismus in Tschechien, sowohl von links als auch von rechts. Das geht aus dem entsprechenden Bericht des Innenministeriums für das erste Halbjahr 2018 hervor, der am Dienstag veröffentlicht wurde. Gerade bei den Rechtsextremen sieht das Haus von Ressortchef Lubomír Metnar einen Einbruch. Die traditionellen Parteien aus diesem Spektrum, also die DSSS und die Nationale Demokratie, haben deutlich an Fahrt verloren. Woran das liegt, erklärt der Politologe und Extremismusexperte Jan Charvát. Er unterrichtet an der Prager Karlsuniversität:

„Das ist eine Entwicklung der vergangenen vier Jahre, vor allem aber seit der großen Migrationskrise 2015. Nicht nur bei uns, sondern in ganz Europa hat dieses Ereignis neue Parteien auf die politische Bühne gebracht. Diese Gruppierungen haben dann Migration und Islam zu ihren Themen gemacht, ohne aber Kontakte zu den traditionellen rechtsextremen Parteien zu pflegen. Letztlich wurde gerade die klassische Rechte dann von den neuen Kräften marginalisiert. Sie konnte nämlich nicht schnell genug neue Antworten auf die Fragen der Migrationskrise finden.“

Gerade in diesem Zusammenhang birgt der Bericht aber politischen Sprengstoff. Denn laut dem Innenministerium ist diese neue Kraft nämlich die Partei „Freiheit und direkte Demokratie“ (SPD) des tschecho-japanischen Unternehmers Tomio Okamura. Bei den Parlamentswahlen vergangenes Jahr im Oktober hat sie knapp elf Prozent der Stimmen bekommen und wurde viertstärkste Kraft. Laut Jan Charvát liegt das auch daran, dass die Partei für gemäßigtere Wähler annehmbar ist:

SPD-Anhänger  (Foto: YouTube)
„Ganz treffend könnte man eins sagen: Es gibt viele Wähler, die potentiell eine Partei wählen würden, die dem rechten Rand ganz nahekommt. Diese Gruppe ist viel größer als diejenige, die einer Partei jenseits dieses Rands ihre Stimme geben würde.“

Charvát bestätigt dabei, dass die SPD auch in Zukunft die neue politische Kraft des rechten Parteispektrums bleiben möchte. Die Gefahr einer Vereinigung mit traditionell rechtsextremen Subjekten sehe er deshalb nicht, so der Experte.

Foto: Aktron,  CC BY 4.0
Die SPD selbst reagierte ebenfalls bereits auf den Bericht des Innenministeriums. In einer Verlautbarung wies die Partei das Papier entschieden zurück, Zitat:

„Der Extremismusbericht, wie er vom Innenministerium ausgearbeitet und abgesegnet wurde, ist Teil eines politischen Kampfes gegen die SPD, und das Innenministerium stellt mit seinem Bericht offen die politische Freiheit infrage. Die Partei SPD erwägt deshalb die Möglichkeit einer Klage.“

Tatsächlich lehnt es das Innenministerium in seinem Bericht ab, die SPD als Ganzes als rechtsextrem oder extremistisch zu bezeichnen. Vielmehr geht es um radikale Stimmen von Einzelpersonen, die teils aber radikaler seien als bei den traditionell rechtsextremen Parteien, heißt es. Für Jan Charvát ist dies jedoch ein langfristiges Problem bei der Definition extremistischer Gruppierungen:

Foto: Lukáš Vrána,  CC BY-SA 4.0
„Viele Politologen und Experten auf dem Gebiet sind sich einig, dass der Extremismusbegriff zu vage gefasst ist. Einige Wissenschaftler haben sogar insgesamt ein Problem damit, das Schlagwort ‚Extremismus‘ zu benutzen, gerade weil es für viele politische Vereinigungen überhaupt nicht anwendbar ist. Meiner Meinung nach führt die derzeitige Entwicklung sowieso dazu, dass wir und das Innenministerium den Extremismus anders bewerten müssen. Vielleicht ist auch ein ganz anderer und treffenderer Begriff nötig.“

Der Bericht hatte im Vorfeld eigentlich noch aus einem anderen Grund für dicke Luft gesorgt. Normalerweise veröffentlicht das Innenressort Ende Mai oder Anfang Juni einen Jahresbericht zum Extremismus. Diesmal wurde dieser jedoch ohne Erklärung zurückgehalten, Details machte schließlich das Nachrichtenportal Aktualne.cz öffentlich.