Was ist dran an der Medienschelte?
Seit der politischen Wende von 1989 ist in Tschechien das gesellschaftliche Klima für die Arbeit von Journalisten noch nie so schlecht gewesen wie heute. Medienfeindliche Hetze von Politkern ist mittlerweile zum Alltag geworden. Aber welchen Blick hat eigentlich der Normal-Tscheche auf die Medien – und insbesondere auf den Tschechischen Rundfunk? Im Folgenden mehr dazu.
„Wir, die SPD, sehen eine intensive Kampagne des Tschechischen Rundfunks, die darauf abzielt, die Politik in Tschechien zu beeinflussen. Es besteht der Eindruck, dass der Tschechische Rundfunk als politisches Subjekt in die Politik eingetreten ist. Dabei fungiert er als Teil eines politischen Kampfes hierzulande. Der Tschechische Rundfunk führt eine Schmutzkampagne gegen unbequeme Politiker und politische Subjekte. Wir fordern den Rundfunk auf, den Bürgern dieses Landes mitzuteilen, wie hoch die Löhne und Gehälter einzelner Redakteure sind.“, so Okamura.
Daraufhin äußerte sich Rundfunk-Generaldirektor René Zavoral und wies die Worte des SPD-Führers in einem offenen Brief zurück:„Der Tschechische Rundfunk ist völlig unabhängig, objektiv sowie unparteiisch und erfüllt seine Aufgabe als öffentlich-rechtliches Medienunternehmen. Als solches unterliegt er der entsprechenden Gesetzgebung sowie dem speziellen Gesetz über den Tschechischen Rundfunk. Wir weisen die Vorwürfe von Herrn Okamura kategorisch zurück.“
Verbale Attacken des Staatspräsidenten
Aber auch weitere tschechische Politiker haben in den vergangenen Monaten zu verbalen Attacken auf die Medien oder Journalisten ausgeholt. Bei Staatspräsident Miloš Zeman gehört dies fast schon zur Normalität. In einem jüngeren Fall wurde aber auch zum Beispiel der sozialdemokratische Abgeordnete Jaroslav Foldyna in einem Video-Post ausfällig. Die Frage ist: Was denken eigentlich die tschechischen Bürger, jetzt da der Tschechische Rundfunk seinen 95. Geburtstag feiert? Im Prager Stadtteil Vinohrady antwortete etwa diese Frau bei einer kleinen Umfrage von Radio Prag:
„Ich denke nichts Schlechtes über den Tschechischen Rundfunk, da wir ihn morgens einschalten und dann den ganzen Tag über hören. Ich kann allerdings nicht genau sagen, was mir an dem Medium nicht gefällt. Es gibt immer Dinge, die einem gefallen und nicht gefallen. Man kann aber selbst entscheiden, was man hören möchte.“Auch eine weitere ältere Dame äußerte sich positiv:
„Ich denke, dass der Tschechische Rundfunk im Gegensatz zu manch anderen Funkstationen ein sehr gutes Medium ist. Denn manche Sender sind einfach nicht so seriös. Außerdem hatte ich schon immer eine gute Beziehung zum Tschechischen Rundfunk, da ich selbst mit ihm zusammengearbeitet habe. Ich habe momentan aber nicht so viel Zeit, Radio zu hören. Falls ich aber doch dazu komme, höre ich es meist daheim, und dann natürlich das, was mich interessiert und was ich genießen kann. Alles in allem bin ich froh, dass es den Tschechischen Rundfunk gibt.“
Doch zurück zur Medienkritik aus der Politik. Präsident Zeman hatte in seiner zweiten Antrittsrede im März vor allem das öffentlich-rechtliche Tschechische Fernsehen kritisiert. Er warf dem Fernsehsender, aber auch einigen privaten Printmedien vor, „die öffentliche Meinung manipulieren“ zu wollen. Zudem bezeichnete er Journalisten als „Hyänen“ und versuchte einige Redaktionen wegen ihrer kritischen Berichterstattung einzuschüchtern. Letzteres ist auch ein Verhaltensmuster von Premier Andrej Babiš (Partei Ano). Wobei der Regierungschef mittlerweile versöhnlicher klingt und im März etwa sagte, sein Ziel sei nicht, gegen die öffentlich-rechtlichen Medien vorzugehen.Angesichts dieses Umfeldes ist es kein Wunder, dass Tschechien im Ranking von Reporter ohne Grenzen abgerutscht ist. Aktuell reicht es nur noch zu Platz 34, das ist ein Absturz um ganze elf Ränge gegenüber dem Vorjahr.
Einbruch bei der Glaubwürdigkeit
Wie sieht es aber mit der Glaubwürdigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hierzulande aus? In den Jahren 2004 bis 2016 hat diese repräsentativen Umfragen zufolge einen Einbruch erlitten. Während 2005 noch ganze 70 Prozent der Bürger das Radio für glaubwürdig hielten, waren es zuletzt nur noch 45 Prozent. Auch bei der kleinen, nicht-repräsentativen Straßenumfrage in Prag war das zu beobachten, so sagte zum Beispiel diese Frau:„Ich höre den Tschechischen Rundfunk eigentlich nicht, da er mich nicht wirklich begeistert. Aber ich konsumiere eigentlich auch keine andere Medien.“
Ansonsten wollten sich aber jene, die eine kritische Einstellung zu haben schienen, nicht direkt vor dem Mikrophon äußern.
Dennoch geht es aufwärts. Eine aktuelle Umfrage der Meinungsforscher von CVVM hat gezeigt, wie sehr die Tschechen einzelnen Institutionen im Land, darunter auch den Medien, vertrauen. Daraus geht hervor, dass 48 Prozent der Einwohner das Radio als glaubwürdigstes Medium ansehen. Fernsehen (mit 38 Prozent) und Internet (mit 41 Prozent) schnitten da schon schlechter ab. Am unglaubwürdigsten erschienen den Befragten die Zeitungen (mit 36 Prozent).
Es gibt aber auch eine Gegenbewegung. So hat die Medienschelte von Zeman, Okamura und Co. manche Politiker zur Widerrede veranlasst. Zudem demonstrierten im März auf dem Prager Wenzelsplatz mehrere Tausend Menschen unter anderem für Pressefreiheit. „Schämt Euch“ und „Keine Angriffe gegen das Tschechische Fernsehen und Journalisten“ waren dabei beliebte Parolen.