MGs für den jüdischen Staat

Photo: Archives du gouvernement de la République tchèque
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Ende der 1940er Jahre unterstütze die Tschechoslowakei die Israelis sowohl militärisch als auch diplomatisch.

Foto: Archiv des Regierungsamtes der Tschechischen Republik
Israel feiert in diesen Tagen sein 70-jähriges Bestehen. Als der Staat am 14. Mai 1948 von David Ben Gurion ausgerufen wurde, ging für die Juden der uralte Traum von der Rückkehr in die Heimat in Erfüllung. Und das nur drei Jahre nach dem Grauen des Holocaust.

Kurze Zeit später griffen aber fünf arabische Mächte das neue Land an. Israel zog in den Krieg – und war froh über militärische Hilfe, die besonders aus der Tschechoslowakei kam. Jan Fingerland ist Redakteur beim Tschechischen Rundfunk und hat sich intensiv mit den Beziehungen zwischen seinem Land und dem jüdischen Staat beschäftigt:

„Am interessantesten ist vielleicht die militärische Ausbildung von künftigen israelischen Soldaten. Die begann bereits einige Zeit vor Entstehen des Staates und wurde geführt von tschechoslowakischen Soldaten, die frische Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg mitbrachten. Einer von ihnen war zum Beispiel Oberleutnant Antonín Sochor, ein damaliger Kriegsheld, der in den tschechoslowakischen Legionen gekämpft hatte. Er kam später unter ungeklärten Umständen ums Leben. Bis heute wird spekuliert, dass er umgebracht wurde.“

Foto: Public Domain
Die militärische Ausbildung bestand vor allem in der Schulung von Kampfpiloten.

„Diese fand in der Tschechoslowakei statt. Aber gerade Sochor leitete auch Übungen unmittelbar in Palästina. Vermittelt wurde dabei nicht nur, wie man ein Flugzeug steuert, sondern auch praktische Kriegstaktik. Einer der künftigen israelischen Piloten war Ezer Weizman, der spätere siebte Präsident des Landes“, so Fingerland.

Um die Fliegerausbildung hatte Israel selbst gebeten. 1948 und 1949 wurden daher rund 100 künftige Piloten auf Flugplätzen der tschechoslowakischen Armee geschult. Es waren zunächst meist jüdischstämmige Freiwillige aus englischsprachigen Ländern wie den USA und Südafrika.

Kampfpilotenschulung in Böhmen

Israelische Piloten
Zu Beginn des Jahres 1949 gelang der israelischen Armee der Sieg gegen die arabischen Staaten. Die neu ausgebildeten Piloten hatten dabei aber nicht ganz die Bedeutung wie etwas Weiteres: die Lieferung von Waffen. Jan Fingerland:

„Das waren vor allem Gewehre und automatische Schusswaffen. Die Kampfjets, die die Tschechoslowakei schickte, konnten hingegen nicht mehr in großem Umfang in den Krieg eingreifen. Im Übrigen waren dies formell Flugzeuge vom Typ Avia. Doch entwickelt worden waren die Maschinen noch in Nazi-Deutschland. Nur der Motor war ausgetauscht. Überhaupt waren die meisten Waffen deutschen Ursprungs, die dann anders gekennzeichnet wurden. Gerade die Gewehre und Maschinengewehre spielten eine wichtige Rolle in dem Krieg.“

Jan Fingerland  (Foto: Vendula Kosíková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Bereits im Dezember 1947 schließt die Tschechoslowakei den ersten Vertrag über Waffenlieferungen. Insgesamt schickt man 10.000 Gewehre, 4500 schwere Maschinengewehre und drei Millionen Schuss Munition in den entstehenden Staat der Juden.

Außer mit Kriegsgerät unterstützt man Israel aber auch noch auf andere Weise.

„Die Tschechoslowakei gehörte 1947 zu den insgesamt zehn oder elf Staaten, die damit betraut waren, einen Plan für die Zukunft Palästinas auszuarbeiten. Denn die Briten, die bis dahin das Gebiet verwalteten, waren mit ihrem Latein am Ende. Es kam zu Gefechten zwischen den Briten, Arabern und Juden. Das Vereinigte Königreich gab daher die Verwaltung Palästinas an die Vereinten Nationen ab. Und die Uno beauftragte eine Staatengruppe inklusive der Tschechoslowakei damit, einen Plan für eine Lösung auszuarbeiten. Prag setzte sich dafür ein, Palästina in einen jüdischen und einen arabischen Staat zu teilen“, so der Rundfunkredakteur.

Bezahlt in harter Währung

Foto: Archiv des Regierungsamtes Israels,  CC BY-SA 3.0
Diese Lösung entsprach dem zionistischen Gedanken. Die europäischen Juden, die den Holocaust überlebt hatten, sollten demnach einen souveränen Staat erhalten. Unter tschechoslowakischem Zutun wurde am 30. November 1947 der UN-Teilungsplan für Palästina vorgestellt. Für rund 700.000 Palästinenser bedeutete dies Flucht oder Vertreibung. Und die arabischen Staaten waren nicht bereit, den Plan zu akzeptieren, was letztlich im erwähnten Krieg mündete.

Warum aber setzte sich die Tschechoslowakei damals so sehr für einen eigenen Staat der Juden ein? Laut Fingerland ist das schwer zu beantworten, weil sich die Gründe teilweise widersprochen hätten.

„Dem Mythos nach, den Tschechen und Israelis gerne pflegen, soll Idealismus dahinter gestanden haben und Philosemitismus. Das wird sehr stark mit der Person von Außenminister Jan Masaryk verbunden. Er war sehr engagiert bei den Waffenlieferungen und der Beteiligung an der UN-Kommission für Palästina. Das ist zwar alles richtig, aber nicht die ganze Wahrheit. So war einer der Hauptgründe, warum die Tschechoslowakei die Waffen lieferte, dass man in harter Währung bezahlt wurde. Prag erhielt US-Dollars, denn das Geld kam vor allem aus Sammlungen bei amerikanischen Juden. Der Verkauf erfolgte trotz eines Waffenembargos und war ein gutes Geschäft für die Tschechoslowakei.“

Foto: Public Domain
Außerdem gab es noch einen dritten, geopolitischen Grund:

„Die Tschechoslowakei beziehungsweise die Regierung in Prag stand 1947/48 bereits unter deutlichem Einfluss der Sowjetunion. Zu dem Zeitpunkt wurde angenommen, dass ein jüdischer Staat entsteht und Moskau die große Chance haben würde, diesen zu kontrollieren. Denn viele europäische Juden waren links orientiert und engagierten sich in sozialistischen oder kommunistischen Parteien.“

Verlängerter Arm Moskaus

Auf der anderen Seite waren die arabischen Staaten in der Gegend teils Monarchien in britischer Abhängigkeit, wie etwa Irak, Jordanien oder Ägypten. Oder sie waren Republiken, die wiederum unter starkem französischem Einfluss standen, wie vor allem der Libanon und Syrien. Die Sowjetunion setzte also auf Israel – und nutzte dafür die Tschechoslowakei. Jan Fingerland:

Foto: Public Domain
„Die Regierung in Prag hatte als einzige Waffen, die sie liefern konnte. Und bei ihnen sah es nicht so aus, als wären sie sowjetischer Provenienz, sondern als stammten sie aus einem nicht-kommunistischen Staat. Das ist vielleicht sogar der wichtigste Grund, warum es zu dem Verkauf des Militärmaterials kam.“

Israel wurde dann zwar politisch links, aber nicht sehr kommunistisch. Und so wird heute der eigentliche Hintergrund der Hilfe nicht reflektiert. Stattdessen hält sich das Narrativ von der tschechoslowakisch-israelischen Freundschaft, wie Fingerland betont:

„In Israel gelten die Waffenlieferungen bis heute als entscheidende Hilfe, und es wird immer wieder daran erinnert. Es ist ein Teil des israelischen Mythos von der wohlgesonnenen Tschechoslowakei, die Israel im schlimmsten Moment gerettet hat.“