Babiš: Tschechien wird unechte russische Diplomaten ausweisen
Die Giftgasattacke gegen Sergei Skripal und seine Tochter Julia zieht immer weitere Kreise. Die EU unterstützt die Haltung Großbritanniens, Russland für den Anschlag verantwortlich zu machen. 20 EU-Staaten, darunter Tschechien, wollen Russland dafür auf diplomatischer Ebene sanktionieren.
Auf ihrem jüngsten Gipfel stellte sich die Europäische Union geschlossen hinter Großbritannien und verschärfte die Tonlage gegenüber Moskau deutlich. Über bestimmte Maßnahmen, die dem Protest Nachdruck verleihen sollen, gab es in Brüssel allerdings keine Einigkeit. Das erläuterte Tschechiens geschäftsführender Premier Andrej Babiš (Partei Ano):
„Das Ziel der Debatte war, eine gemeinsame Vorgehensweise zu finden. Das ist nicht ganz gelungen, aber mehrere Staaten erwägen eine Form des Protests.“Der Tageszeitung „Times“ zufolge wollen 20 EU-Staaten dem britischen Beispiel folgen und ebenso russische Diplomaten ausweisen. Premier Babiš hat sich darüber am Montag mit Außenminister Martin Stropnický und weiteren Mitgliedern seiner geschäftsführenden Regierung beraten.
Am vergangenen Wochenende wurde indes schon kräftig darüber diskutiert, wie die diplomatischen Sanktionen gegenüber Russland aussehen sollten. In einer Diskussionsrunde des Tschechischen Fernsehens am Sonntag sagte der tschechische Botschafter in den USA, Hynek Kmoníček:
„Es sollten nicht mehr als ein oder zwei Diplomaten ausgewiesen werden. Denn in dem Moment, wenn wir den diplomatischen Krieg mit Russland beginnen, wird Moskau mit gleicher Münze antworten und ebenso viele tschechische Diplomaten ausweisen. Wir haben aber nur ein Siebtel an Diplomaten in Moskau im Vergleich zur Zahl der russischen Diplomaten in Prag. Das heißt, unsere Zahl wird viel schneller auf null schrumpfen. Dass könnte schon bald nur noch Botschafter Vítězslav Pivoňka übrigbleiben, um in unserer Vertretung das Licht auszumachen.“Laut den Zahlen, die das Tschechische Fernsehen dazu einblendete, stimmt das von Kmoníček genannte Kräfteverhältnis nicht ganz. Demnach stehen 45 russischen Diplomaten in Prag 16 tschechische in Moskau gegenüber. Aber nicht nur deshalb hat der tschechische EU-Politiker und Vizevorsitzende des Europa-Parlaments, Pavel Telička, ganz andere Vorstellungen in dieser Frage:
„Aus meiner Sicht wäre die Ausweisung von ein, zwei Diplomaten ein Alibi, um nicht zu sagen: nur ein symbolischer Akt. Es gibt eine ganze Reihe von Gründen, dass wir in dieser Hinsicht wesentlich ambitionierter vorgehen.“Pavel Telička verwies in diesem Zusammenhang auf die Dreistigkeit Russlands, zu behaupten, dass der beim Anschlag eingesetzte Kampfstoff Nowitschok auch aus Tschechien stammen könnte. Diese Aussage sei einfach eine Lüge, schrieb Premier Babiš am Montag via Facebook. Zugleich ließ er wissen, dass sich hinter mehreren in Prag lebenden russischen Diplomaten in Wirklichkeit „nicht erklärte Berichterstatter“ – also Geheimagenten – verbergen würden. Und diese wolle man ausweisen, nicht aber die echten Diplomaten, so Babiš. Schließlich wurde beschlossen, drei unechte Botschaftsmitarbeiter außer Landes zu verweisen.
Der ehemalige tschechische Diplomat Vladimír Votápek ist heute Analyst für internationale Beziehungen. Auch er riet zu einem mutigen Vorgehen:
„Die Tschechische Republik benötigt Russland nicht in dem Maße, wie Russland Tschechien oder Europa braucht. Das bedeutet: Auch wenn wir weniger Diplomaten in Moskau haben als Russland in Prag, sitzen wir nicht zwangsläufig am kürzeren Hebel. Im Gegenteil, das trifft in Wirklichkeit auf Russland zu. Wenn Europa also geschlossen auftritt, wird man in Moskau sehr bald einsehen, dass man in dieser Angelegenheit überzogen hat – und Russland wird einlenken.“