„Angriff auf die Freiheit des Wortes“
Tschechien ist über den Mord am slowakischen Aufdeckungsjournalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten entsetzt.
Am Montag wurde bekannt, dass der slowakische Aufdeckungsjournalist Ján Kuciak und seine Verlobte Martina erschossen worden sind. Kuciák war für das Nachrichtenportal „Aktuality.sk“ tätig. Seit Monaten soll er über die Verbindungen zwischen Regierungspolitikern und korrupten Geschäftsleuten sowie dem organisierten Verbrechen recherchiert haben. Spekuliert wird nun, dass Kuciak im Auftrag der italienischen Mafia ermordet wurde. So soll er Betrügereien der Mafia mit EU-Fördergeldern in der Slowakei auf die Schliche gekommen sein. In seiner Heimat heißt es, die wilden 1990er Jahre seien zurück. Dazu der Medientheoretiker Jan Jirák von der Prager Karlsuniversität.
„Sollte sich bestätigen, dass der Grund für Kuciaks Ermordung seine journalistische Arbeit gewesen ist, dann handelt es sich nicht nur um eine persönliche, sondern um eine gesellschaftliche Tragödie. Denn das wäre ein Angriff auf eine der Freiheiten in der Demokratie, und zwar auf die Freiheit des Wortes.“Welche Wirkungen solch ein Mord auf Journalisten haben könnte und in wieweit dies seine Kollegen einschüchtern würde, darüber möchte Jirák nicht spekulieren.
„Es scheint – aber vielleicht bin ich allzu optimistisch –, dass die Reaktionen auf die brutale Tat nicht so aussehen, wie sich das die Initiatoren vorgestellt haben. Ich würde sagen: Die Tendenzen in der Gesellschaft gehen vielmehr zu einer Mobilisierung, damit die Grundprinzipien der Demokratie in der Slowakei sowie hierzulande stärker geschützt werden.“
In den tschechischen Medien wurde in den vergangenen Tagen daran erinnert, dass Journalisten mittlerweile zu beliebten Zielscheiben von Regierungspolitikern in der Slowakei aber auch hierzulande geworden sind. Der slowakische Premierminister Robert Fico (Smer) hat beispielsweise Medienvertreter auch schon als „Hyänen“ oder „Idioten“ bezeichnet. Professor Jan Jirák zufolge ist zwar eine bestimmte Spannung zwischen Politikern und Journalisten notwendig, aber sie dürfe nicht in unbegründete Beschimpfungen und Beleidigungen übergehen.
„Eine bestimmte Grenze darf nicht überschritten werden. Ich finde, dass das Vokabular von Politikern gegenüber Journalisten seit einiger Zeit geschmacklos ist. Die Spannung darf nicht diese peinlichen, beleidigenden Formen annehmen, wie wir sie von mehreren Politikern gehört haben.“Rundfunk-Kommentator Ivan Hoffmann erinnerte in einer Sendung an ein Paradox: Der junge Aufdeckungsjournalist hat ausgerechnet in einer Zeit für seine Arbeit mit dem Leben bezahlen müssen, in der sein Handwerk nicht mehr das Prestige hat wie noch vor vielen Jahren. Viele junge Menschen studieren demnach heute Journalistik mit der Hoffnung, den Weg in die Werbung und zum Marketing zu finden.
„Einen Journalisten zu ermorden, der heutzutage in der Öffentlichkeit weniger Ansehen genießt als eine Verkäuferin oder eine Sekretärin, ist absurd. Vielleicht öffnet diese Tragödie den Menschen die Augen und macht ihnen bewusst, dass sie in einer sehr viel schlechteren und gefährlicheren Welt leben, als sie das gedacht haben. Und genau das hat der ermordete Journalist ihnen auch mitzuteilen versucht.“