Vom unbekannten Professor zum Herausforderer
Bisher war der Chemiker Drahoš ein politisch unbeschriebenes Blatt. Nun ist er im Finale der Präsidentschaftswahlen.
Das sagte Jiří Drahoš am 28. März in seinem Geburtsort Jablunkov / Jablunkau. Obwohl er in dem Moment noch bei der Akademie der Wissenschaften beschäftigt war und seine Wahlkampagne noch nicht eröffnet hatte, reagierte Amtsinhaber Miloš Zeman prompt. Sein Sprecher ließ ausrichten, dass Drahoš unter anderem ein künstliches Produkt der Medien sei.
Für seine Kandidatur hat Drahoš über 142.000 Unterschriften von Bürgern gesammelt. Dies war die höchste Zahl aller, die für ihre Bewerbung den Rückhalt der Bevölkerung gesucht haben. In der Öffentlichkeit ist er – im Gegensatz zu Zeman – in gemäßigter Art aufgetreten. Wiederholt ließ er verlauten, er wolle die politische Szene in Tschechien kultivieren:
„Der Fisch stinkt vom Kopf. Gerade an den hohen Politikern nehmen sich viele Bürger ein Beispiel. Was können wir von unseren Kindern und Enkelkindern erwarten, bei dem, was sie von den höchsten Vertretern des Landes das hören? Auch ich fluche manchmal, aber nicht bei offiziellen Auftritten. Der Staatspräsident sollte ein Vorbild sein.“Drahoš brachte im Laufe seiner Kampagne die Theorie ins Spiel, dass die Wahlen zum tschechischen Abgeordnetenhaus von ausländischen Geheimdiensten beeinflusst worden seien. Er berief sich dabei auf den Jahresbericht des tschechischen Inlandsnachrichtendienstes von 2016. Auch bei der Präsidentschaftswahl sei mit ausländischer Einflussnahme zu rechnen, meinte Drahoš. Vorige Woche äußerte er sich dazu auch im Tschechischen Rundfunk:
„Aus der Sicht der russischen Militärdoktrin ist die Nato ein Feind des Landes. Tschechien ist Mitglied der Nato. Es ist anzunehmen, dass Russland ein Interesse daran hat, das Geschehen in Tschechien zu beeinflussen. Wir wissen alle, dass die öffentliche Meinung hierzulande durch Nachrichtenportale beeinflusst wird, die Desinformationen verbreiten.“
Drahoš nahm vor der Präsidentschaftswahl an vielen Diskussionen teil, meist gemeinsam mit seinen sieben Gegenkandidaten. Er kritisierte Zemans Entscheidung, an keiner der Wahldebatten teilzuhaben.„Wir wären alle froh gewesen, wenn auch Miloš Zeman sich gezeigt hätte. Das wäre nicht nur gegenüber seinen Gegenkandidaten fair gewesen, sondern auch gegenüber seinen Wählern.“
Zu den wichtigsten Visionen von Jiří Drahoš gehören eine aktive Rolle Tschechiens in der EU und die Verankerung des Landes im Westen. Drahoš ist seit 2003 Universitätsprofessor. Sein Name steht unter 16 Patenten. Für seine Forschungsarbeit wurde er 2012 vom damaligen Präsident Václav Klaus mit der Verdienstmedaille erster Stufe ausgezeichnet. Der 68-jährige Drahoš ist verheiratet und hat zwei Töchter. Zu seinen Hobbys gehört vor allem Musik, er spielt Klavier, Trompete und singt in einem Chor.