Erst die Immunität, dann das Misstrauen
Bevor das Abgeordnetenhaus die Vertrauensfrage stellt, soll Klarheit zum Fall „Storchennest“ geschaffen werden.
Eigentlich hätte schon vor der Mittwochssitzung über die Immunität der beiden Politiker entschieden werden können – jedoch ohne Empfehlung des zuständigen Ausschusses. Das forderten die Piraten sowie die Bürgermeister-Partei Stan. „Für uns Piraten ist es relevant, ob gegen den Premier, über dessen Regierung wir entscheiden, strafrechtlich ermittelt wird oder nicht,“ meinte Piraten-Chef Ivan Bartoš während der Parlamentsdebatte.:
Ihr Antrag dazu wurde von den übrigen Abgeordneten jedoch abgelehnt. Der Sozialdemokrat und ehemalige Menschenrechtsminister Jan Chvojka begründete dies mit den guten Sitten in der tschechischen Demokratie:„Ich bin wirklich kein Freund von Andrej Babiš und Jaroslav Faltýnek. Ich bin aber dafür, dass wir die schon lange erprobten Verfahrensweisen des Parlaments achten. Immer und in jedem solchen Fall haben wir auf die Bewertung des Mandats- und Immunitätsausschusses gewartet. Es wäre meiner Meinung nach unfair gegenüber Babiš und Faltýnek, sollten wir diesmal nicht auf das Urteil des Ausschusses warten.“
Ivan Bartoš von den Piraten stimmte im Nachhinein dann auch zu, dass das Wort des Ausschusses der wohl wichtigste Faktor zum Wohl und Wehe der Regierung sei:
„Wir sind optimistisch, dass wenigstes dieser elementare Punkt erfüllt sein wird, wenn wir kommende Woche über das Vertrauen für die Regierung Babiš abstimmen. Bestenfalls wird das Abgeordnetenhaus dann sogar gleich über die Immunität des Premiers entscheiden, das ist klar unser Ziel.“Dass nicht sowieso im Vornhinein über die Immunität der beiden führenden Politiker abgestimmt werden konnte, dazu führte eine unglückliche Verkettung zahlreicher Umstände. Einerseits musste sich nach den Wahlen ein neu zusammengesetzter Parlamentsausschuss mit dem Fall beschäftigten, wobei dort auf einmal viel mehr Abgeordnete von Babišs Ano-Partei saßen. Andererseits platze der Bericht des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (Olaf) zum Fall „Storchennest“ in die Beratungen, wodurch die ganze Affäre neu bewertet werden musste. Beispielsweise können Babiš und Faltýnek selbst frühestens am kommenden Dienstag vor dem Ausschuss angehört werden, denn ihre Anwälte müssen sich erst mit dem Olaf-Bericht auseinandersetzen.
Eine umstrittene Personalie
Ob das Parlamentsorgan jedoch tatsächlich zu einem Ergebnis kommt, ist unklar. Denn die Mitglieder von Ano und der Partei „Freiheit und direkte Demokratie“ (SPD) im Ausschuss wollen zusätzlich eine ganz besondere Personalie vorladen, wie der Ausschussvorsitzende Stanislav Grospič von den Kommunisten erklärt:„Ein Teil des Mandats- und Immunitätsausschusses ist zu dem Schluss gekommen, dass sich auch Jiří Komárek zu dem Fall äußern sollte. Er wurde bereits zu vergleichbaren Fällen befragt.“
Die Ano-Politikerin Taťána Malá erklärte, warum eine Aussage des Ex-Detektivs für die Entscheidung des Ausschusses interessant sein könnte:
„In den Medien war es mehrfach zu lesen: Der ehemalige Polizist Jiří Komárek glaubt, dass die für den Fall ‚Storchennest‘ zuständigen Ermittler Verbindungen zur Mafia haben. Für uns ist wichtig, mehr darüber zu erfahren.“Für die Opposition ist der Schritt unverständlich und nichts anderes als eine Vernebelungs- und Verzögerungsaktion. So twitterte der Chef der konservativen Top 09, Miroslav Kalousek, Zitat:
„Die Einladung des nicht rechtskräftig verurteilten Komárek vor den Mandats- und Immunitätsausschuss ist unerhört und entwertet die Arbeit dieses Gremiums. Die Mehrheit im Ausschuss wird mithilfe einer unglaubwürdigen Person versuchen, den zuständigen Ermittler Pavel Nevtípil zu kompromittieren. Pfui…“
Kalousek spielt vor allem darauf an, dass der Ex-Polizist Komárek in eine Daten-Leck-Affäre verwickelt ist. Er wurde in erster Instanz wegen der Überschreitung seiner Kompetenzen verurteilt. Er hatte laut der ersten gerichtlichen Instanz Polizeichef Tomáš Tuhý im Zusammenhang mit der umstrittenen Reorganisation der Polizeikräfte fälschlicherweise vorgeworfen, für die Preisgabe empfindlicher Daten verantwortlich gewesen zu sein.