Eurostat: Tschechien weiter Nummer eins mit nahezu Vollbeschäftigung
In vielen tschechischen Betrieben boomt gegenwärtig das Geschäft. Zum Beispiel bei der Firma GZ Media in der Nähe von Prag, schreibt die Deutsche Presse-Agentur (dpa). Dort werden Schallplatten für einen wieder wachsenden Markt von Vinyl-Enthusiasten gepresst. Doch es gibt auch eine Schattenseite: „Das Hauptproblem für uns und andere Firmen in der Region ist der Mangel sowohl an qualifizierten wie an unqualifizierten Arbeitskräften“, sagt Vertriebs- und Marketingmanager Michal Němec.
Während jahrelang über die Slowakei als neuem Wirtschaftstiger Mitteleuropas gesprochen wurde, blieb der Boom in Tschechien eher unbemerkt. Bernard Bauer, Geschäftsführer der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer, bringt es auf den Punkt: „Deutschland geht es gut, heißt: Tschechien geht es gut“, sagt er. „Kurze Wege, ähnliche Industrie- und Warenstrukturen – Wachstumstreiber sind vor allem Automotive und Maschinenbau –, all das macht deutsche Investitionen in Tschechien so interessant.“
Im vorigen Jahr lief die Rekordzahl von 1,3 Millionen Autos vom Band. Doch Tschechien will – und kann – mehr sein als nur die verlängerte Werkbank des Westens. „Immer mehr internationale Konzerne bauen in Tschechien Entwicklungsabteilungen auf, vor allem auch im digitalen Bereich“, sagt Bauer. In Prag gibt es eine lebendige IT-Gründerszene, die etwa Handy-Apps für den Weltmarkt produziert. Dennoch mahnt Ministerpräsident Bohuslav Sobotka, dass der Wandel nicht schnell genug vorangeht. Bei der Förderung ausländischer Investitionen müsse mehr auf Innovationen geachtet werden, fordert der Sozialdemokrat. Sein Lieblings-Schlagwort laute Industrie 4.0 – die Digitalisierung der Produktion, bemerkt dpa.Während täglich knapp 16 000 Tschechen zu ihrem Arbeitsplatz nach Bayern pendeln, nehmen inzwischen immerhin 1800 Deutsche den umgekehrten Weg – und helfen damit, den Fachkräftemangel in Tschechien abzufedern. „Die meisten Mitgliedsunternehmen haben immer größere Probleme, qualifizierte Mitarbeiter zu finden“, warnt Handelskammer-Chef Bauer. Es sei schon so weit gekommen, dass neue Aufträge abgelehnt werden müssten. „Und das ist eine heftige Wachstumsbremse, die kein Land als gegeben akzeptieren sollte.“ Umfragen zeigen indes, dass weite Teile der Bevölkerung Zuwanderung als Lösung ablehnen: Nur 12 Prozent sehen einen positiven Nutzen, im EU-Schnitt sind es 44 Prozent.