Rechtsstaatlichkeit und mehr Strenge: Tschechien an der Spitze des Europarats

Foto: Europarat (Foto: Offizielle Facebook-Seite des Europarats)

Seit Mai steht Tschechien beim Europarat für ein halbes Jahr an der Spitze des Ministergremiums. Nun hat der tschechische Außenminister Lubomír Zaorálek als Vorsitzender in Straßburg noch einmal die Prioritäten Tschechiens deutlich gemacht. In einem exklusiven Gespräch für Radio Prag hat der Sozialdemokrat dabei genauer erklärt, warum der Europarat so wichtig ist, und wie es um das Bild Tschechiens in Europa bestellt ist.

Lubomír Zaorálek  (Foto: Filip Jandourek,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Die Rechtsstaatlichkeit in Europa stärken – das ist das Hauptziel Tschechiens als Kopf des Ministergremiums beim Europarat. Seit Mai steht Prag dem Organ vor, vertreten durch Außenminister Lubomír Zaorálek. Und laut Zaorálek könnte kaum ein anderes Land besser auf die Bedeutung der Rechtsstaatlichkeit aufmerksam machen als Tschechien:

„Der Europarat sollte ein Forum sein, das seinen Mitgliedsländern auf die Finger schaut und die Regeln durchsetzt, die sich die Staaten selbst gegeben haben. Und zwar nicht aus ideologischen Gründen, sondern weil es unheimlich gefährlich ist, diese Regeln zu brechen. Gerade für Staaten wie Tschechien ist das wichtig, Denn wir mussten in der Geschichte erfahren, wie das Unrecht gegenüber dem Einzelnen zum Unrecht gegenüber einem ganzen Staat werden kann.“

Recep Tayyip Erdoğan  (Foto: Archiv des Regierungsamtes der Türkei,  CC BY-SA 2.0)
Konkret heißt das, Willkür zu verhindern und die Einklagbarkeit von Rechten für Einzelne zu stärken. Lubomír Zaorálek sieht da vor allem ein Sorgenkind in Europa: die Türkei. Vor allem seit dem gescheiterten Militärputsch gegen die Regierung von Recep Tayyip Erdoğan sieht der tschechische Chefdiplomat Probleme in dem Land:

„Es ist kein Geheimnis, dass in der Türkei zahlreiche Journalisten, Parlamentarier und sogar ein Parteichef verhaftet wurden. Ihre Lage ist nach wie vor ungewiss, und ebenso, inwieweit die Rechte der Verhafteten gewahrt werden. Die Türkei hat einige Möglichkeiten, diese Probleme alleine zu lösen. Und der Europarat lässt dem Land da immer noch Zeit und Raum, alle internationalen Abmachungen aus eigenem Antrieb einzuhalten. Doch es hat alles seine Grenzen.“

Und bei der Durchsetzung von Grenzen sollte der Europarat resoluter sein, meint der tschechische Außenminister. Zu echten Sanktionen gegen beispielsweise die Türkei sei man in Zaoráleks Augen derzeit nicht bereit. Man dürfe sich aber nicht auf der Nase herumtanzen lassen, meint der Außenminister:

„Was hier in der Luft liegt, ist die Frage, wie lange lassen wir die Dinge so weiterlaufen wie bisher? Wie weit können also die Schmerzgrenzen in diesen Fragen verschoben werden, ohne dass der Europarat an Glaubwürdigkeit verliert? Wir leben in wirklich schwierigen Zeiten und sollten das auch ernst nehmen. Es reicht dazu auch ein Blick in die Vergangenheit. Im Europa der 1930er Jahre hat man immer fester die Augen zugedrückt, als Menschen verhaftet wurden und verschwanden. Europa ist diesen Verbrechen gegenüber immer toleranter geworden, bis es schließlich zur Katastrophe gekommen ist.“

Foto: Europarat  (Foto: Offizielle Facebook-Seite des Europarats)
Lubomír Zaorálek plädiert für eine engere Zusammenarbeit zwischen Europarat und Europäischer Union. Doch gerade wegen der Flüchtlingskrise ist Tschechien derzeit selbst in der Kritik in punkto Menschenrechte. Laut Zaorálek sei jedoch die Eigenwahrnehmung viel pessimistischer, als das Bild Tschechiens in Europa und der Welt eigentlich ist. Tschechien ist gar kein solches „Enfant terrible“ der internationalen Politik, wie man es im Land selbst oft denkt:

„Ich habe mich in der letzten Zeit mit den Außenministern von Deutschland, Frankreich, Portugal oder Dänemark getroffen. Also mit Spitzenpolitikern aus den wichtigsten europäischen Staaten. Ich habe dabei durchweg positive Signale bekommen. Und einhellig hoffen meine Gesprächspartner, dass Tschechien auch nach den kommenden Wahlen solch ein zuverlässiger Partner bleibt in der Nachbarschaft und in der EU insgesamt.“

Das habe auch mit der ausgezeichneten wirtschaftlichen Lage im Land zu tun, meint Zaorálek abschließend. Denn das Vertrauen zu jemandem, bei dem es wirtschaftlich rund läuft, sei nun mal viel höher.