„Dann geben wir den Mädchen einen Klaps“ – Christian Rühmkorf über deutsch-tschechisches Familienostern
In der christlichen Welt ist Ostern nach Weihnachten das wohl beliebteste Fest. Das hat auch mit den Bräuchen zu tun. Doch die können ganz unterschiedlich sein, und das oft auch in unmittelbarer Nachbarschaft. So wie in Deutschland und in Tschechien. Sie glauben das nicht? Wir haben jemanden dazu befragt, der es wissen muss: den Deutschen Christian Rühmkorf, der seit über zehn Jahren in Prag lebt und mit einer Tschechin verheiratet ist.
„Ostern habe ich, was meine Kindheit betrifft, in sehr guter Erinnerung. Wir haben uns immer auf den Ostersonntag gefreut. Ich komme aus einer evangelisch-lutherischen Familie, von daher sind wir zu Ostern auch in die Kirche gegangen. Das Wichtigste für uns als Kinder war aber natürlich das Eiersuchen. Schon vor dem Frühstück durften wir in den Garten und nach den Gaben suchen, die der Osterhase dort hinterlassen hat. Uns wurde ja gesagt, dass er dort seine Eier versteckt habe. Das war immer ein kleines Wettrennen mit meinen beiden älteren Schwestern, die auch immer etwas schneller waren als ich. Jeder von uns gab die Leckereien in sein Körbchen, doch am Schluss wurde alles immer gerecht aufgeteilt.“
Du lebst nun schon seit einigen Jahren hier in Tschechien. Hier wird ja mehr am Ostermontag gefeiert statt am Ostersonntag. Zudem war es lange so, dass der Karfreitag kein Feiertag war. Und auch die Sitten und Gebräuche sind ganz anders. Wie bist du mit ihnen vertraut? Hat deine Frau dazu beigetragen, dass du zumindest an einigen der Traditionen hierzulande Gefallen gefunden hast?
„Die tschechischen Bräuche sind eigentlich Frühlingsbräuche, wie man sie teilweise auch in Deutschland kennt.“
„Natürlich muss man sich erstmal an die tschechischen Bräuche gewöhnen. Es ist eher ein atheistisches Land, was sich dann zeigt. Mittlerweile lässt sich das aber nicht mehr so klar voneinander trennen. Die zum Teil sehr kommerzielle Osterkultur des ‚Westens‘ ist auch hier nach Tschechien herübergeschwappt. Genauso wie der Weihnachtsmann plötzlich hier auftaucht, obwohl es traditionell eigentlich nur einen kleinen ‚Ježíšek‘, also wie in Bayern das Christkind gibt. Die tschechischen Bräuche sind eigentlich Frühlingsbräuche, wie man sie teilweise auch in Deutschland kennt. Zum Beispiel das Schneiden von jungen, frischen Weidenzweigen, die zu einer Rute geflochten werden. Mit diesen Zweigen wird letztlich die frische Kraft des Frühlings symbolisiert und das Erwachen der Natur. Diese Kraft und die Fruchtbarkeit der Triebe werden dann – auf symbolische Weise – mit einem leichten Schlag der Rute auf den Po der Mädchen und Frauen übertragen. Das sind recht ungewöhnliche Bräuche, an die man sich zunächst gewöhnen muss.“
Christian Rühmkorf ist vielen unserer Hörer sicher noch als Redakteur von Radio Prag bekannt. Heute arbeitet der 46-Jährige bei der Deutsch-Tschechischen Industrie- und Handelskammer in Prag, wo er als Bereichsleiter Kommunikation und Public Affairs tätig ist. Zu seiner Familie gehören zwei kleine Söhne, und die spielen nun auch eine gewisse Rolle im zweiten Teil des Gesprächs.
„In unserer jungen Familie kombinieren wir diese beiden Osterhemisphären, also die verschiedenen Bräuche, die in Deutschland und in Tschechien Bedeutung haben. Worauf ich natürlich selbst nie verzichten würde, wäre das Ostereiersuchen. Oder aber das ,Eiertitschen‘. Dabei werden beim Frühstück die gefärbten, hartgekochten Eier jeweils mit der Spitze aneinandergeschlagen und man schaut, welches Ei am längsten durchhält. Das ist sicher ein schöner Wettbewerb für die ganze Familie. Am Ende gewinnt derjenige, der das härteste Ei hat. Das sind so kleine Rituale, die ich immer wieder gern auslebe und die ich auch an meine Söhne weitergebe. Sie gehören in unserer Familie an Ostern einfach dazu. Das Schlagen mit der Rute auf den Hintern der Mädchen und Frauen, das ist eher etwas für jugendliche Burschen und für Männer. Aber eben nicht unbedingt für ein Kinder-Ostern. In Deutschland scheinen mir die Traditionen insgesamt auch etwas mehr für die Kinder gemacht zu sein. Sobald die Jungs ein bisschen älter sind, gewinnt aber auch das tschechische Ostern an Attraktivität. Man darf Mädchen mit einer Rute auf den Hintern klopfen und bekommt dafür auch noch einen Schnaps – ja warum nicht?! Auf diese Art durch das Dorf zu ziehen, das hat sicherlich einen gewissen Spaßfaktor. Aber wie gesagt, zu Hause feiern wir Ostern auf deutsche Weise.“
„Worauf ich selbst nie verzichten würde, wäre das Ostereiersuchen.“
Und bei den tschechischen Schwiegereltern?
„Wenn wir bei meinen Schwiegereltern in der Kleinstadt sind, dann feiern wir auch auf tschechische Weise. Das heißt, mit meinem älteren Sohn und dessen tschechischem Opa versuchen wir, Weidenruten zu flechten. So richtig kann das aber nur der Opa. Dann gehen wir rüber zu den Nachbarn. Wenn uns dann die Tür geöffnet wird, bekommen die Mädchen und Frauen einen leichten Rutenhieb auf den Hintern. Dafür gibt es schließlich Eierbrote, Schnaps und Süßigkeiten.“
In Tschechien kann man Ostern also praktisch an zwei Tagen ausleben. Am Sonntag geht es zum Ostereiersuchen und am Montag mit der Osterrute auf Tour. Bei Letzterem muss man aber auch etwas singen, wenn ich mich recht entsinne?
„Den Ostersonntag feiern wir auf deutsche Weise und den Ostermontag auf Tschechisch.“
„So ist es. Man sagt eine Art Oster-Vers auf. Mir fällt jetzt leider keiner ein, ich brauche ihn letztlich nur einmal im Jahr. Aber in den nächsten Tagen werde ich mir den wieder aneignen. Insgesamt empfinde ich das als Vorteil, dass wir den Ostersonntag auf deutsche Weise feiern und dann den Ostermontag auf Tschechisch. Ganz im Gegensatz zu Weihnachten, wo die Rituale beider Seiten halt leider auf ein und denselben Tag fallen.“
Wie kommen diese Bräuche oder Rituale bei den Kindern an?„Das Ostereiersuchen funktioniert bei Kindern automatisch. Erstens bekommen die Kinder etwas zu naschen. Zweitens macht eine Suche Kindern immer Spaß. Das ist wie eine Schatzsuche oder eine Schnitzeljagd. Das mit der Rute, das kommt dann wahrscheinlich etwas später.“
Wir leben heutzutage bekanntlich in einer etwas hektischen Zeit, in der sich Menschen oft nicht mehr persönlich begegnen, sondern leider immer häufiger nur noch digital miteinander kommunizieren. Meinst du, dass eine solche Traditionen mit dazu beitragen, dass Menschen zusammenkommen?
„Das ist ganz klar! Niemand will doch, dass eine Gesellschaft entsteht, in der man sich nicht mehr begegnet. Und deswegen werden Bräuche dieser Art nie ganz verschwinden. Sie werden sich vielleicht mit der Zeit verändern, so wie der Weihnachtsbaum auch eine Erfindung des 19. Jahrhunderts ist. Ich glaube, Ostern hat eine gute Chance, selbst in einer digitalen Zeit zu überleben.“