Glocken, eine Maria aus Kirschholz und viele Stufen – das Kloster auf dem Heiligen Berg
Die Stadt Příbram in Mittelböhmen ist vor allem berüchtigt in Tschechien für den Uranbergbau und das ehemalige kommunistische Gefangenenlager Vojna. Doch über den Fördertürmen erhebt sich ein Juwel der Barockarchitektur: das Kloster auf dem Heiligen Berg. Im vergangenen Jahr sind umfangreiche Renovierungsarbeiten am wichtigsten Marienwallfahrtsort Tschechiens beendet worden, und das Kloster ist wieder offen für Besucher. Ein Ausflug auf den Heiligen Berg zu Mönchen, Glocken und einer ganz besonderen Marienstatue.
„Die Pilger kommen tatsächlich aus allen Ecken der Welt. Es ist auch keine Ausnahme, wenn Menschen aus Singapur, den Vereinigten Staaten oder Frankreich hierherfinden. Häufig sind es aber Pilger aus Deutschland. Für sie ist vor allem Pater Stanislav Muzikář zuständig, der sehr gut Deutsch spricht. Ganze Gruppen aus den deutschsprachigen Ländern klopfen bei uns ans Tor und fragen, ob sich denn nicht Pater Muzikář ihrer annehmen möchte.“
Vor allem zwei wichtige Wallfahrts-Routen führen aus Deutschland nach Příbram. Es handelt sich um die Pilgerreise aus Kreuzberg bei Freyung und um die Wallfahrt aus Vilshofen an der Donau. Besonders seit der Jahrtausendwende strömen so wieder Gläubige aus dem Nachbarland in das Kloster – und vorwiegend aus dem katholischen Bayern.Auf der Suche nach seelischer Reinheit
Doch nicht nur aus dem Ausland kommen die Gläubigen in Scharen auf den Heiligen Berg. Die Wallfahrt auf die Anhöhe über Příbram hat auch bei den tschechischen Katholiken eine lange Tradition. Diese konnte sogar im Kommunismus aufrechterhalten werden. Für manche Pilger aus Tschechien ist das Kloster laut David Horáček schon fast wie ein zweites Zuhause. Auch wenn sich viel verändert hat im Laufe der Jahre:
„Die Veteranen unter den Pilgern erinnern sich oft an den Empfang im Kloster durch die Brüder. Früher ging man zu Fuß mit einer Prozession hierher. Heute ist das anders, denn die Pilger kommen meist mit dem Bus hier an. Höchstens wenn sie mit dem Zug anreisen, steigen sie zum Kloster hoch. Ausnahmen gibt es aber auch jetzt noch, zum Beispiel ist für Mai eine klassische Pilgerfahrt geplant, an der etwa 60 junge Gläubige teilnehmen wollen. Früher war es so, dass die Menschen tatsächlich in feierlichen Gewändern und Trachten hierhergekommen sind und bei ihrem Aufstieg gesungen und gebetet haben. Oben wurden sie von einem der Klostergeistlichen und Ministranten empfangen, und es erklang fast immer Blasmusik.“Das damalige Orchester treffe sich auch heute noch, sagt David Horáček. Auch wenn es jetzt allesamt Männer in den besten Jahren seien.
Eine Wallfahrt soll dem Menschen vor allem seelische Reinheit bringen. David Horáček beschreibt das so, dass von einem die Sachen abfallen, die in Körper und Geist nichts zu suchen hätten.Besonders wichtig und gut besucht sind dabei zwei Pilgerfahrten im Sommer. Einmal ist es die Krönungswallfahrt am dritten Sonntag nach Pfingsten und die Wallfahrt zu Mariä Himmelfahrt eine Woche später. Die Heilige Jungfrau Maria ist es aber auch, die ganzjährig im Zentrum des spirituellen Lebens im Kloster steht – der Heilige Berg ist nämlich der Mittelpunkt der Marienverehrung in Tschechien. Die Muttergottes erscheint den Gläubigen hier in Gestalt einer gotischen Schnitzerei:
Verehrung der Heiligen Jungfrau Maria
„Es ist eine 49 Zentimeter hohe Statuette, die jeden Tag von morgens bis abends in der Basilika ausgestellt ist. Sie steht auf einem silbernen Altar in einer Glasvitrine. Nach jeder heiligen Messe heben wird die Figur der Jungfrau Maria auf einen Thron. Dort kann dann jeder der Madonna ganz nahe sein und ihr durch ein Gebet die Ehre erweisen.“Auch wenn die Statuette sehr dunkel scheine, handele es sich bei dem Bildnis nicht um eine klassische schwarze Madonna, fügt Horáček hinzu. Die Marienfigur sei aus Kirschholz gefertigt, das mit zunehmendem Alter immer dunkler werde.
Doch noch etwas macht die Marienstatuette vom Heiligen Berg besonders. Zu jedem Anlass ist sie in einem anderen kunstvoll gefertigten Gewand gekleidet. Und ihre Garderobe scheint endlos. Das zeigt sich auch, als Pater David Horáček den Kleiderschrank der kleinen Muttergottes öffnet:
„Dieser Schrank ist die Garderobe der Heiligen Jungfrau Maria. Hier haben wir zum Beispiel ein Gewand aus Trinidad, das sehr schön ist. Und auf diesem Kleidchen zeigt die Stickerei, wo es herkommt. Und zwar stammt das Muster aus dem Bratislaver Stadtteil Vajnory, das Kleid wurde im Jahr 1977 gefertigt. Ich selbst habe sieben Jahre lang in Bratislava studiert und hatte die Gelegenheit, nach Vajnory zu fahren. Und auch heute noch lebt die Stickkunst dort, auch wenn nur noch zwei Frauen sie beherrschen. Das hier ist wirklich eine herrliche Arbeit. Manchmal ist es schwer sich zu entscheiden, was man der Heiligen Jungfrau anziehen soll. In der Fastenzeit trägt die Figur vor allem violette Gewänder, von denen wir insgesamt acht haben. In der Zeit zwischen den liturgischen Feiern trägt die Madonna grün, nur wenn ein Feiertag dazwischenkommt, ziehen wir ihr weiße oder goldene Kleider an.“Barock mit tiefen Wurzeln
Obwohl das Kloster auf dem Heiligen Berg eines der wichtigsten architektonischen Zeugnisse des Barock in Tschechien ist, geht die Geschichte des Ortes noch viel weiter zurück. Bereits im 13. Jahrhundert soll hier in einer Kapelle bereits die Heilige Muttergottes verehrt worden sein. Davon zeugt auch die Gründungslegende des Klosters:„Hier auf diesem bewaldeten Hügel wurde ein gewisser Ritter Malovec von Wegelagerern überfallen. Er betete dann zur Heiligen Jungfrau Maria und versprach ihr, an diesem Ort eine Kapelle zu errichten, wenn sie ihn in dieser schweren Stunde retten würde. Zu dem, was dann passierte, gibt es zwei Versionen. Eine Legende besagt, dass die Räuber von einem hellen Licht geblendet wurden. Ritter Malovec konnte sich dann in die Krone einer großen Eiche retten. Eine andere Version der Geschichte ist die, dass ein großer Baum den Ritter mit seinem Geäst überwucherte und versteckte. Ich persönlich glaube eher an die erste Version der Geschichte.“
Aus der Zeit stammt vermutlich auch das hölzerne Abbild der Jungfrau Maria, das bis heute auf dem Heiligen Berg verehrt wird.Die Anfänge der heutigen Form des Klosters gehen auf die Mitte des 17. Jahrhundert zurück. Der Ausbau des Areals ist dabei vor allem mit dem Namen des italienischen Baumeisters Carlo Lurago verbunden, aber auch weiterer Meister des Barock. Im Laufe von fast einhundert Jahren wuchs so die prächtige Klosteranlage heran mit ihren zahlreichen Türmen, Kolonnaden und Wandmalereien.
Schon seit dem Jahr 1620 galt der Heilige Berg als einer der wichtigsten Wallfahrtsorte der Region. Bekannt war die Pilgerreise vom nahegelegenen Březice zur Stätte der Marienverehrung. Damals gewann der Katholizismus nach der Schlacht am Weißen Berg wieder an Bedeutung in Böhmen. Spätestens aber seit dem ersten Wunder suchten immer mehr Menschen ihr Heil auf dem Heiligen Berg:
„Das Wunder geschah im Jahr 1632, als ein gewisser Jan Procházka aus Nymburk hier nach 19 oder mehr Jahren von seiner Erblindung geheilt wurde. Procházka wurde mehrere Male in die Kapelle von Ritter Malovec auf den Heiligen Berg eingeladen. Schließlich machte er sich mit seinem zehnjährigen Enkel zu Fuß auf zu einer Pilgerfahrt hierher. Tatsächlich kam sein Augenlicht nach einigen Tagen und unzähligen Gebeten wieder. Und auch die Ärzte der Zeit bestätigten, dass die Heilung wundersam war. Der Fall des Greises Procházka war damit das erste belegte Wunder auf dem Heiligen Berg.“Jan Procházka verschrieb den Rest seines Lebens dem Heiligen Berg und blieb dort als Eremit.
Von Glocken und Jesuiten
Mit seinen vielen Türmen hat das Kloster auf dem Heiligen Berg für das Auge viel zu bieten. Doch gerade die Türme halten auch ein einzigartiges akustisches Erlebnis bereit. Die Glocken dort kündigen seit jeher mit ihrem mächtigen Geläut die heilige Messe an oder lassen die Bürger von Příbram die genaue Zeit wissen:„Die Glocken vom Heiligen Berg gelten als mit die schönsten in Tschechien. Ihr Klang ist ganz klar, und die Glocken sind nie ausgetauscht worden.“
Seit einiger Zeit gilt die Besichtigung der Glockentürme als eines der Highlights jeder Pilgerfahrt. Dabei hat es das Kloster einem begeisterten Glockenliebhaber zu verdanken, dass dies möglich ist:
„Es war ein gewisser Herr Dušek, der sich der Glocken im Kloster angenommen hat. Er hat dazu eine eigene Führung zusammengestellt, die zwar nicht regelmäßig stattfindet, aber immer im Voraus angekündigt wird. Die nächste findet zum Beispiel am 30. April statt. Herr Dušek weiß so gut wie alles über die Glocken hier. Er hat uns zwar ein Skript zur Verfügung gestellt, das wir unseren Besuchern das ganze Jahr über in die Hand drücken können. Die Geschichten von Herr Dušek kann das aber nicht ersetzen.“
Doch den Klang der Glocken sollte man durchaus mit Vorsicht genießen, wie Pater David Horáček weiß:„Einmal ist hier ein Mann gewesen, der das Mittagsläuten aufnehmen wollte, auch wenn zu Mittag nur eine große Glocke läutet. Ich habe ihm dann gesagt, er solle vorsichtig sein, da man leicht taub werden könne durch das Geläut. Er wollte die Glocken aber wirklich aus nächster Nähe hören, und ich habe ihn schließlich gelassen. Als ich ihn danach wieder abgeholt habe, war er mehr als begeistert. Die Glocken läuten immer um sechs Uhr morgens, dann zu Mittag und abends wieder um sechs.“
Seit Beginn lag das Kloster vor allem in der Hand eines Ordens:
„Irgendwann wurden die Pilgerfahrten auf den Heiligen Berg so beliebt, dass auch der damalige Kaiser persönlich hier erschien. Als die kleine Kapelle für die Menschenmassen nicht mehr ausreichte, lud man die Jesuiten aus dem nahegelegenen Breznice hierher ein. Diese übernahmen die Verwaltung des Areals und holten eben Carlo Lurago aus Italien hierher, dem wir die endgültige Form des Klosters zu verdanken haben. Der Bau der Anlage dauerte jedoch lange, alles hing ja von den vielen Spendern und Geldgebern ab, und nicht immer lief alles glatt. Insgesamt müssen wir aber den Jesuiten dankbar sein, dass wir inmitten dieser Pracht sein können.“
Die Jesuiten verwalteten die Klostergemäuer bis Mitte des 19. Jahrhunderts. Ab 1861 wurde der Heilige Berg den Redemptoristen übergeben, die sich auch heute wieder um die Pilger kümmern. Davor hatte Kaiser Josef II. die Wallfahrt auf die Anhöhe über Příbram verboten. Doch gerade die Redemptoristen schafften es, die Bedeutung des Wallfahrtsortes zu erhalten.„Die Redemptoristen führten einige Umbauten durch. Unter ihrer Verwaltung wurde die Kirche auf dem Heiligen Berg im Jahr 1905 auch zur päpstlichen Basilika erhoben. Sie war damit die erste päpstliche Basilika auf dem Gebiet des damaligen Österreich-Ungarn.“
Auch über zwei Weltkriege hinweg bot der Heilige Berg vielen Gläubigen Halt. 1950 wurde das Kloster von den Kommunisten aufgelöst, aber weiterhin instand gehalten. Größere Renovierungsarbeiten wurden jedoch erst wieder in den 1980er Jahren vorgenommen, nachdem ein großer Teil der Anlage 1978 durch einen Brand zerstört wurde. Nach der Wende schließlich zogen die Redemptoristen erneut auf den Heiligen Berg und belebten den Pilgerbetrieb wieder.
Klosterleben und Moderne
In den Jahren 2015 und 2016 blieben die Tore des Klosters für die Pilger jedoch verschlossen. In dieser Zeit wurden die Gemäuer grundsaniert, rund sieben Millionen Euro flossen in die Arbeiten, größtenteils aus Mitteln der EU. Das Kloster bekam dadurch aber nicht nur einen neuen Anstrich. Vielmehr konnten sich die Ordensbrüder nun auch über einige Errungenschaften der Moderne freuen, die ihnen das Leben sehr erleichtern:Zum Beispiel durch den Aufzug sei das Leben vor allem der älteren Ordensbrüder sehr viel einfacher geworden, sagt Pater David Horáček. Immerhin habe das Kloster fünf Stockwerke. Oben angekommen, habe man einen wunderbaren Ausblick über die Stadt Příbram und die ganze Landschaft drum herum, so der Geistliche.
Seinen Besuchern gegenüber präsentiert sich die Marienwallfahrtsstätte in ganz neuen Gewändern. Vor allem den jungen Menschen wolle man das Kloster näherbringen, so Pater David Horáček in den neugestalteten Ausstellungsräumen:
„Wenn wir hier einen Blick auf diese Wand werfen, sehen wir eine interaktive Landkarte. Die haben wir insbesondere für Schulexkursionen installiert. Man kann da die wichtigsten Bauwerke und Denkmäler aufleuchten und sich erklären lassen. Zum Beispiel, wo die Jesuiten vor ihrer Ankunft auf dem Heiligen Berg und der Schlacht vom Weißen Berg residiert haben.“
Und auch die berühmte Statue der Heiligen Jungfrau Maria trifft man in der neuen Ausstellung wieder und erfährt mehr zu ihrer Geschichte. Sie zeigt sich hier aber auch in einer ganz ungewohnten Form:„Auf diese Wand wird eine Slide-Show über die Figur der Heiligen Jungfrau Maria projiziert. Gleich gegenüber sind Schautafeln zur Geschichte der Statuette sehen und auch eine Erklärung, warum sie hier so verehrt wird. Sie wird dabei zudem ohne ihre prächtigen Stoffgewänder abgebildet. Ja, so sieht sie ohne ihr Ornat tatsächlich aus.“
Und tatsächlich ist das Bild der Madonna überraschend, wie sie dort lediglich in ihrem geschnitzten Holzgewand und ihrem Kind steht. Viele Leute wären verwundert, warum Maria das Jesuskind denn würgen würde, sagt David Horáček mit einem Lachen. Auch wenn es wirklich so aussehen würde, sie halte ihren Sohn lediglich etwas unglücklich am Hals.
An die Kleinsten wurde ebenfalls gedacht bei der Schau zum Kloster auf dem Heiligen Berg:„Hier kommen auch die Kinder der Besucher und Pilger auf ihre Kosten. In diesem Raum hier zeigen wir Animationsfilme zur Geschichte des Klosters. Wir haben einmal die Legende vom Ritter Malovec verfilmt, dann Erzählungen zu den Wundern auf dem Heiligen Berg und schließlich die Geschichte der Marienstatue. Gerade sehen wir hier den blinden Greis Jan Procházka zur Kapelle aufsteigen.“
Steiler Abstieg mit süßer Belohnung
Wie schon gesagt, die Wallfahrt muss heute kein Gewaltmarsch mehr sein. Bequem kann man sich mit dem Bus fast vor die Tore des Klosters bringen lassen. Vom großen Parkplatz sind es nur noch rund 200 Meter, die man aufsteigen muss. Aber es gibt noch einen anderen Weg hinauf auf den Heiligen Berg. Und dieser ist doch etwas magischer als eine Busfahrt. Man kann nämlich auch einen überdachten Treppengang aus der Stadt hinauf zum Kloster nehmen:
„Insgesamt führen 343 Stufen hinauf auf den Heiligen Berg. Wenn man den Weg ganz bis hinauf zum Krönungsaltar nimmt, wo damals die Marienstatue geweiht wurde, sind es sogar 365. Früher sind die Pilger auf Knien die Treppe bis zum Kloster hinaufgekommen. Ich selbst habe zwei Pilger erlebt, die noch auf diese Weise so aufgestiegen sind. Dabei folgt immer ein langer Abschnitt mit Stufen einem geraden Pfad. Insgesamt sind es so rund 400 Meter von Příbram auf die Bergkuppe. Wenn sich jemand dazu entschlossen hatte, auf Knien herzukommen, dann betete er auf jeder Stufe.“Doch lohnt sich nicht nur ein Aufstieg über die vielen Stufen:
„Jedem, der über die Treppe nach Příbram hinuntersteigt, dem kann ich nur eins empfehlen: Unten angelangt finden sich in einem Umkreis von 50 Metern gleich drei Konditoreien. Das ist so eine kleine Belohnung für den langen Weg. Aber man sollte daran denken: Der Aufstieg ist immer viel anstrengender!“