Prag, Berlin und Bratislava – gemeinsame Erklärung zu Nachbarschaft und EU

Foto: Archiv des tschechischen Außenministeriums

Vor 25 Jahren haben die damalige Tschechoslowakei und Deutschland einen gemeinsamen Vertrag geschlossen über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit. Mittlerweile sind es drei Staaten, die sich auf diesen Vertrag berufen. Und dazu haben die Außenminister am Montag eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht. Mit dieser soll die europäische Integration gestärkt werden.

Foto: Archiv des tschechischen Außenministeriums
Es ist durchaus ein Zeichen, das die Außenminister Tschechiens, Deutschlands und der Slowakei gesetzt haben. Denn von vielen Seiten wird der Zusammenhalt in Europa bezweifelt. Die Briten haben sich entschieden, Brüssel „Goodbye“ zu sagen. Und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker warnte unlängst, der Brexit könnte auch in anderen Ländern ähnliche Gelüste reifen lassen.

Im Falle der postkommunistischen Staaten wäre dies durchaus bizarr. Nach der politischen Wende wollte man heraus aus den Strukturen des früheren Ostblocks und sich an den Westen anbinden. Auch deswegen entstand 1992 der Deutsch-Tschechoslowakische Nachbarschaftsvertrag, sagt Tomáš Kafka vom tschechischen Außenministerium:

„Der Vertrag war dazu eine Art Sprungbrett und ein Zeichen, dass sich juristisch die Zeiten geändert hatten. Man hat sich zudem um einen Neustart bemüht, der es uns ermöglichte, all die Diskontinuitäten des 20. Jahrhunderts zu überwinden und gemeinsam etwas aufzubauen in der EU und vielleicht auch in weiteren Gemeinschaften wie der Nato. In dieser Hinsicht war der Vertrag sehr wichtig.“

Sigmar Gabriel  (Foto: ČTK)
1999 wurden Tschechien und die Slowakei Nato-Mitglieder, 2004 erfolgte dann der EU-Beitritt.

Auf den weiterführenden Gedanken hinter dem Nachbarschaftsvertrag bezieht sich die Erklärung, die nun die Außenminister Lubomír Zaorálek (Sozialdemokraten) aus Tschechien, Sigmar Gabriel (SPD) aus Deutschland und Miroslav Lajčák (Smer – Sozialdemokratie) aus der Slowakei veröffentlicht haben. Dort steht unter anderem:

„Europa bot damals schon den Rahmen für neue Stabilität und allseitiges Vertrauen. Es stand für die Freiheit, die mehr ist als die Abwesenheit von Unterdrückung und Not. Es stand für die Möglichkeit, ein selbstbestimmtes Leben zu führen und Herr des eigenen Schicksals zu sein. Heute sieht Europa anders aus als 1992, aber das Freiheitsversprechen ist geblieben.“

Tomáš Kafka  (Foto: Archiv des tschechischen Außenministeriums)
Doch Europa sieht nicht nur anders aus, sondern ist auch in einer anderen Verfassung. Tomáš Kafka:

„Vor 25 Jahren war Europa der Schlüsselbegriff, der uns bilateral helfen sollte, optimistischer zu denken. Jetzt hat sich die Lage ein wenig gewandelt. Europa braucht vielleicht selbst etwas mehr Optimismus. Auch dazu soll die Erklärung dienen.“

Die Erklärung enthält ein klares Bekenntnis zur EU als Wertegemeinschaft – und nicht etwa als bloßer Zweckgemeinschaft. Die Außenminister fordern zudem mehr Europa, und das sogar auf einem schwer umstrittenen Feld:

„Wir brauchen eine europäische Grenzsicherung als Kombination aus nationalen und gemeinschaftlichen Aufgaben sowie eine gemeinsame Flüchtlings- und Migrationspolitik.“

Gerade bei Letzterem hakt es allerdings derzeit. Die Meinungen Tschechiens, Deutschlands und der Slowakei stehen teils gegeneinander, besonders in der Frage der EU-Flüchtlingsquoten.

Foto: Elionas2,  CC0 Public Domain
Auf der anderen Seite: Lässt sich die Erklärung auch als Reaktion auf den Brexit und Donald Trumps Äußerungen in Richtung Europa begreifen? Tomáš Kafka, der im tschechischen Außenministerium das Referat Mitteleuropa leitet, antwortet diplomatisch:

„Wenn jemand die Erklärung auch als Reaktion auf bestimmte Konfusionen, wie es mit der EU und der europäischen Einheit weitergehen sollte, lesen mag, dann werden wir uns selbstverständlich nicht dagegen sträuben. Aber 1992 war auch eine Geburtsstunde für die deutsch-tschechisch-slowakischen Beziehungen. Und so sollte die Erklärung gelesen werden.“