Havel im Film, Jugendstil-Fassaden und kubanischer Jazz
Auch der Januar steht im Tschechischen Zentrum Wien im Zeichen Václav Havels. Und das vor allem auf der Leinwand und mit prominentem Besuch. Außerdem kann man in der Herrengasse diesmal sezessionistische Schnörkel bewundern. Zu guter Letzt begleitet das Tschechische Zentrum die österreichischen Leser auf einer Reise von Südböhmen nach Havanna. Martin Krafl leitet das Tschechische Zentrum in Wien. Ein Gespräch mit ihm über die Highlights des aktuellen Programms unterhalten.
„Wir werden zusammen mit dem Filmarchiv Austria im Metro Kinokulturhaus in Wien zwei Filme zeigen, und zwar ‚Bürger Havel‘, ‚Občan Havel‘ sowie den ‚Abgang‘, ‚Odcházení‘. Der Dokumentarfilm ‚Bürger Havel‘ ist eine Langzeitreportage von Pavel Koutecký und Miroslav Janek. Sie haben mit der Filmkamera Václav Havel sowie seine Mitarbeiter, Freunde und Vertrauten über 13 Jahre lang begleitet. Der Film gibt Einblick hinter die Kulissen des ersten Präsidenten der Tschechischen Republik. ‚Abgang‘ wiederum ist eigentlich ein Filmregie-Debut von Václav Havel selbst. Es ist die Geschichte eines Wendepunkts im Leben eines Menschen. Der alternde Doktor Vilém Rieger hatte lange Zeit den hohen politischen Posten des Kanzlers inne, um den er dann aber gebracht wurde. Der Film handelt jedoch nicht nur vom Ende eines Politikers, sondern auch vom Ende eines Menschen, einer Epoche, einer Gemeinschaft und einer Liebe.“
Bei der Aufführung von Odcházení wird auch ein besonderer Gast zugegen sein. Um wen geht es denn?„Der Film wird in Anwesenheit von Václav Havels Ehefrau, Dagmar Havlová, gezeigt. Die Schauspielerin und ehemalige First Lady kommt am 20. Januar nach Wien, wenn wir den Film ‚Abgang‘ zeigen. Sie wird aber auch ihre Stiftung, Vize 77, vorstellen. Diese hat sie gemeinsam mit ihrem Ehemann gegründet.“
Kommen wir nun zu einer anderen Ausstellung, diesmal direkt bei Ihnen im Tschechischen Zentrum. Gezeigt werden Fotografien des Historikers Peter Schubert. Was hat er mit seiner Kamera eingefangen?
„Die Ausstellung von Professor Peter Schubert zeigt verschiedenste Jugendstil-Fassaden von Karlsbad (Karlovy Vary Anm. d. Red.) bis Ostrau (Ostrava Anm. d. Red.). Zudem wird eine Dokumentation über die Wiener Jugendstil-Architektur präsentiert. Viele dieser Gebäude zählen heute zu jenen Sehenswürdigkeiten, die in keinem Reiseführer fehlen dürfen. Und die Bauten prägen bis heute das Aussehen Wiens, wie zum Beispiel die Brücken oder einige Stationen der U-Bahn. Zahlreiche Architekten kamen dabei aus Böhmen oder Mähren, beispielsweise der Schöpfer der Wiener Secession, Joseph Maria Olbrich. Seit Jahren beschäftigt sich der Fotograf und Historiker Peter Schubert mit der Kunstepoche. Europaweit fotografiert er Jugendstil-Architektur und dokumentiert so versteckte und bisher unbekannte Details an Wohnhäusern, Villen, Ämtern, Kirchen oder sogar auf Friedhöfen. Im Tschechischen Zentrum Wien zeigt Peter Schubert Jugendstil-Fassaden aus den Städten der Tschechischen Republik, von Marienbad, über Pilsen (Plzeň Anm. d. Red.), Prag und Brünn (Brno Anm. d. Red.) bis Olmütz (Olomouc Anm. d. Red.), Luhačovice oder Troppau (Opava Anm. d. Red.). Die Ausstellung eröffnen wir am 17. Januar, und sie bleibt bis Ende März. Am 2. Februar wird Peter Schubert zusätzlich in einem Bildervortrag die Jugendstil-Architektur im ehemaligen Österreich-Ungarn vorstellen.“Von der Architektur kommen wir nun zur Literatur. Eine tschechische Schriftstellerin bringt kubanischen Jazz über Südmähren nach Österreich. Was hat es damit auf sich?„Es geht um Markéta Pilátová und ihren Roman ‚Tsunami Blues‘. Die Protagonistin des bereits dritten Romans der gefeierten tschechischen Schriftstellerin ist die Trompeterin Karla Klimentová. Sie trifft bei ihrem Spanisch-Studium an der Universität eine charismatische Professorin, mit der sie unerwartet auf eine Expedition aufbricht zu Oppositionellen nach Havanna und in die Provinz der Karibik-Insel. Das Tschechische Zentrum Wien organisiert mit dem tschechischen Kulturministerium eine Österreich-Tournee für Markéta Pilátová mit der deutschen Übersetzung des Romans von Mirko Kraetsch. Die Lesungen finden an drei Orten statt, und zwar in Salzburg, Graz und Wien. Die erste Veranstaltung ist am 12. Januar an der Universität Salzburg, am 7. Februar tritt Markéta Pilátová in der Steirischen Landesbibliothek in Graz auf. Und am 8. Februar wird sie in der Österreichischen Gesellschaft für Literatur in Wien lesen.“
Zum Abschluss vielleicht noch ein kleiner Ausblick: Im Jahr 2017 stehen an sich keine großen Jubiläen an. Haben Sie im Tschechischen Zentrum Wien trotzdem ein großes Highlight für das Jahr eingeplant?„Wir werden 2017 natürlich an den 40. Geburtstag der Charta 77 erinnern, gerade weil das auch in Österreich ein großes Thema ist. Österreich hat nämlich ab 1968 viele Flüchtlinge aus der Tschechoslowakei aufgenommen. Wir bereiten zu diesem Thema zahlreiche Filmvorführungen, Debatten und Ausstellungen vor. Im Herbst 2017 sind wir dann auch wieder bei der Buchmesse ‚Buch Wien‘. Und ebenso möchte das Musikfestival ‚Wave Vienna‘ die Tschechische Republik als Gastland vorstellen.“