Zwang zum Kreuzchen? – Präsident Zeman regt Wahlpflicht an
Am 7. und 8. Oktober finden in weiten Teilen Tschechiens die Kreis- und Senatswahlen statt. Doch fast schon traditionell wird eine niedrige Wahlbeteiligung erwartet. Der tschechische Präsident Miloš Zeman hat in einem Interview mit dem Tschechischen Fernsehen daher eine sehr umstrittene Maßnahme ins Gespräch gebracht: die Wahlpflicht.
Doch auch bei den nationalen Wahlen folgt Tschechien dem Trend fast aller postkommunistischen Länder – die Beteiligung ist nach wie vor miserabel. Bei den letzten vergleichbaren Kreiswahlen waren es rund 37 Prozent, die Wahlen zum Abgeordnetenhaus 2013 waren mit 59 Prozent etwas besser.
Das seiner Meinung nach beste Rezept gegen die tschechische Wahlmuffelei liegt laut Präsident Miloš Zeman indes klar auf der Hand:„Ich weiß, dass diese Meinung sehr unpopulär ist. Aber wenn die Bürger gewisse Rechte haben – was ohne Frage vollkommen in Ordnung ist, sollten sie aber auch Pflichten haben. Eine davon sollte die Teilnahme an Wahlen sein. Dem Nichteinhalten dieser Pflicht sollte eine angemessene Geldstrafe gegenüber stehen. Jeder Bürger sollte doch zwei Stunden seiner kostbaren Lebenszeit opfern können, um seinen Willen auszudrücken.“
Unpopulär könnte die Wahlpflicht in Tschechien allein schon wegen der historischen Erfahrungen sein. Die Wahlpflicht verbinden viele hierzulande mit einem faktischen Wahl-Zwang in Zeiten des Kommunismus. Dieses Argument lässt der Präsident jedoch mit Blick auf Vergangenheit und Gegenwart nicht gelten:„Kaum einer weiß heute noch, dass es auch in der Ersten Tschechoslowakischen Republik unter Masaryk eine Pflicht zur Wahl gab. Und dass sie heute noch in Belgien, Luxemburg, Australien und weiteren Ländern der Welt besteht. Im Übrigen haben die Kommunisten nie eine Wahlpflicht eingeführt. Auch wenn sie den Urnengang im Grunde genommen erzwungen haben.“
Auch die Nicht-Wahl als politisches Statement und Protest gegen die politischen Strukturen stößt bei Miloš Zeman auf wenig Verständnis:„Nie sucht man sich bei einer Wahl das größte Gute aus, man beschränkt sich auf das kleinere Übel. Bei den anstehenden Kreis- und Senatswahlen treten im Schnitt zehn, 15 oder 20 Parteien und Bürgerinitiativen an. Wenn sich da jeder eine Rangliste erstellt, wird sich das kleinste Übel schon finden lassen. Dass es da das größte Gute zu finden gibt, will ich ja gar nicht behaupten.“
Die Wahlpflicht zieht Präsident Zeman indes nicht zum ersten Mal aus der Schublade. Nahezu bei allen Wahlen während seiner Präsidentschaft hat er für diese Idee geworben, zuletzt eben bei den Europawahlen 2014.Der Politikwissenschaftler Lukáš Jelinek hält die Idee Zemans für unrealistisch, wie er bereits in einer früheren Diskussion ausführte. Vor allem das politische Establishment sei dem nicht gewogen, so Jelinek:
„Die politischen Parteien reagieren auf die Wahlpflicht eher ablehnend. Sie haben Angst, dass dadurch die Wähler aufgerüttelt werden und eher Protestparteien ihre Stimme geben, wenn sie schon wählen müssen. Die etablierten Parteien hätten so auf die Wähler keinen Zugriff mehr. Im Grunde ist es eine Debatte, die schon seit Jahrzehnten nicht nur in Tschechien, sondern auch im Ausland geführt wird. Viele Länder haben das Experiment früher oder später aber beendet. So zum Beispiel Italien oder einige österreichische Bundesländer.“