Tschechien hat gewählt: Koalitionsverhandlungen in den Stadtparlamenten beginnen
Am Freitag und Samstag fanden in Tschechien die Kommunal- und Senatswahlen statt. Während Prag eine neue Führung des Stadtparlaments zu erwarten ist, bleiben die bisherigen Koalitionen anderswo bestehen. Wir haben die ersten Ergebnisse der Wahl zusammengefasst.
46 Prozent aller Wahlberechtigten haben für ihre Vertreter in den Stadt- und Gemeinderäten abgestimmt. Mit Abstand die meisten Sitze konnten bei den Kommunalwahlen parteilose Kandidaten und lokale Wählerbündnisse erlangen. Bereits im Vorfeld hatte Ex-Premier und Ano-Parteichef Andrej Babiš die Abstimmung als ein „Referendum über die Regierung“ betitelt. Auch nachdem die Ergebnisse vorlagen, wiederholte er diese Einschätzung: „Es hat sich gezeigt, dass die Menschen unserer Aufforderung gefolgt sind. Sie haben die Wahlen als ein Referendum über die Regierung betrachtet“, so Babiš.
Der amtierende Premier, Petr Fiala (Bürgerdemokraten), stimmte Babišs Worten nicht zu. Und selbst wenn es sich um eine Art „Referendum“ gehandelt haben sollte, hätte man sich wacker geschlagen, so Fiala: „Die Wähler haben uns Bürgerdemokraten Anerkennung gezollt für unsere Arbeit in den Städten und Gemeinden. In dieser besonderen Situation konnten wir praktisch überall Stimmen hinzugewinnen.“
Ein Umschwung steht nun etwa in Prag bevor. Die Piraten-Partei, die hier bisher regiert hat, ist auf den dritten Platz abgerutscht. Stattdessen konnte das Parteienbündis Spolu pro Prahu aus Bürgerdemokraten, Top 09 und Christdemokraten die Mehrheit von einem Viertel der Stimmen erzielen.
Der neue Prager Oberbürgermeister dürfte so nicht mehr Zdeněk Hřib werden, sondern Bohuslav Svoboda von den Bürgerdemokraten. Doch Klarheit werden hier erst die Koalitionsverhandlungen bringen. Das Spolu-Bündnis möchte mit der Bürgermeisterpartei Stan und den Piraten zusammenarbeiten. Diese wollen aber auch die Prager Partei Praha Sobě mit ins Boot holen, die bisher auch schon in der Stadtregierung war und im siebenten Prager Stadtbezirk über 50 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte. Doch Bohuslav Svoboda bezeichnete den Plan als überflüssig:
„Die Frage über die Erweiterung der Koalition hat für mich keinen Sinn. Das ist schon ein sehr interessanter und lustiger Vorschlag derjenigen, die doch eigentlich geschlagen wurden. In dieser Sache müssen wir als Wahlsieger entscheiden.“
Während die Koalitionsverhandlungen in Prag also noch in vollem Gange sind, wurden sie anderswo bereits abgeschlossen. In den mährisch-schlesischen Städten Ostrava / Ostrau und Havířov etwa werden die Stadtparlamente unter der Leitung der Partei Ano stehen. Die Gruppierung von Ex-Premier Andrej Babiš konnte insgesamt in acht der 13 Kreisstädte einen Wahlsieg einfahren.
Auch in Plzeň / Pilsen wird die Ano im Stadtparlament sitzen, gemeinsam mit den Vertretern von Piraten und Stan. Für Aufsehen sorgte am Wochenende jedoch das ursprüngliche Vorhaben, die Regierung in der westböhmischen Stadt gemeinsam mit zwei unabhängigen Kandidaten zu stellen, die für die Rechtsaußenpartei SPD (Freiheit und direkte Demokratie) angetreten waren. Pavel Bosák von der Piraten-Partei sagte in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks dazu:
„Wir haben uns überlegt, dass eine Koalition zwischen Ano und Bürgerdemokraten entstehen könnte, wenn wir die Gelegenheit nicht nutzen. In Pilsen könnte es dann so weitergehen, wie bisher – das war für uns Piraten eine inakzeptable Vorstellung.“
Doch von Parteiführungen von Piraten und Stan gab es eine Rüge. Deshalb entschied man sich in Pilsen für die lokale Partei Pro Plzeň als Koalitionspartner. Die Rechtsaußenpartei SPD konnte dennoch Erfolge verzeichnen. So ist die Gruppierung nun in den Parlamenten in allen Kreisstädten vertreten. Man habe von daher auch Ambitionen, in Koalitionsverhandlungen zu gehen, sagte der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Radim Fiala, am Sonntag in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:
„Im Kreis Ústí nad Labem zeichnet sich derzeit die Möglichkeit einer Koalition ab, konkret in Děčín. Das ist ein Beispiel, dass wir uns sehr intensiv einsetzen, die Führung in den Stadtparlamenten zu übernehmen. Ich würde mich freuen, wenn wir in mehreren Städten im Kreis Ústí nad Labem Erfolg haben.“
Neben den Kommunalwahlen fanden am Freitag und Samstag in einem Drittel der Wahlbezirke Tschechiens auch die Senatswahlen statt. 27 Sitze der oberen Parlamentskammer galt es, neu zu besetzen. Während in 24 Wahlkreisen am kommenden Wochenende Stichwahlen stattfinden werden, wurde in drei Fällen direkt ein Vertreter mit mehr als 50 Prozent der Stimmen in den Senat entsandt. Bereits jetzt einen Wahlsieg feiern können so jeweils ein Vertreter der Christdemokraten, von Top 09 sowie der Partei Ano.