Von der Personalmanagerin zur weltbesten Marmeladenköchin: Romana Šafránková

Romana Šafránková (Foto: Archiv von Romana Šafránková)

Tschechien ist nicht nur eine Industrienation. Unternehmerische Einfälle entstehen hierzulande auch am heimischen Herd. Romana Šafránková ist aufs Marmeladekochen spezialisiert – und hat dies zu einem preisgekrönten Gewerbe gemacht. Ein Porträt der Unternehmerin.

Romana Šafránková  (Foto: Archiv von Romana Šafránková)
Wer im Januar in Berlin auf der Grünen Woche war, konnte sie kosten: die Marmeladen von Romana Šafránková aus Mittelböhmen. Vergangenes Jahr erhielt die Unternehmerin bei der Marmeladenweltmeisterschaft in Nordengland die höchsten Ehren: Die Kombination Zitrone-Mojito wurde zur weltbesten Marmelade gekürt, sie erhielt Doppelgold. Dies gelang nur drei weiteren Bewerbern. Zudem gewann Romana Šafránková eine weitere Goldmedaille, einmal Silber und einmal Bronze. Dabei kommt die 47-Jährige überhaupt nicht aus der Gastronomie, sie war früher Personalmanagerin bei großen internationalen Firmen. Warum also der Wechsel hinter den Herd? Romana Šafránková:

Foto: Archiv von Romana Šafránková
„Schon mein ganzes Leben lang habe ich gerne gekocht. Als ich Kinder bekam, konnte ich das erstmals richtig einsetzen. Aber auch schon als Personalmanagerin habe ich viele Länder bereist und dort Rezepte gesammelt. Selbst wenn ich Speisen nur probiert habe, konnte ich sie nachkochen. Als ich dann zwei Kinder hatte, wollte ich für sie das Beste kochen, was ich bekommen konnte. Ich war davon beeinflusst, dass ich alles in Bio-Qualität haben muss und alles selbst anbaue. Denn wir haben einen großen Garten. Am Anfang habe ich dann das gekocht, was mir meine Schwiegermutter beigebracht hat: eine Erdbeer- und eine Heidelbeermarmelade für meinen Sohn. Das war so ungefähr in den Jahren 2002, 2003 – und es waren auch nur sieben Gläser. Meine Schwiegermutter zeigte mir, wie ich das ohne Pektin oder weitere chemische Stoffe bewerkstellige, die Marmelade aber dennoch haltbar wird.“

Ohne Chemie, in Bioqualität

Foto: Archiv von Romana Šafránková
Der Impuls, daraus ein Gewerbe zu machen und damit Geld zu verdienen, kam erst sehr viel später. Gegenüber Radio Prag schildert Romana Šafránková erstmals überhaupt folgende Begebenheit:

„Im Jahr 2014 kamen wir aus dem Urlaub in Kroatien zurück. Schon vorher hatte ich natürlich überlegt, was ich machen könnte, weil ich schon viel zu lange zu Hause bei den Kindern war. Zurück in die internationalen Firmen wollte ich nicht. Ich hätte für meine frühere Arbeit auch keine Zeit gefunden, weil wir auf dem Land leben und Haustiere haben. Als wir also aus dem Urlaub kamen, die Sonne schien, der Fernseher lief, da hörte ich, wie von jemandem die Rede war, der Marmeladen kocht und das gut kann. Da habe ich mir gesagt: Das könnte ich doch auch probieren, die Erdbeersaison schaffe ich noch. Ich habe dann Gläser besorgt und ein- oder zweitausend von ihnen mit Marmelade gefüllt. Zuerst mit Erdbeeren, dann Himbeeren, Heidelbeeren und Aprikosen. Allerdings hatte ich keinerlei Vorstellung davon, wie ich das alles verkaufe, wer das kauft und welche Gesetze ich beachten muss. Natürlich war mir klar, dass ich einen Gewerbeschein brauche. Ansonsten hat das aber auf diese sehr spontane Weise begonnen.“

Čtyřkoly  (Foto: ŠJů,  CC BY-SA 3.0)
Zunächst kochte Romana Šafránková bei sich im Haus. Das steht im Ort Čtyřkoly, rund 20 Kilometer südöstlich von Prag im Tal des Flusses Sázava. Dann gab eine Bekannte ihr die Möglichkeit, in einer nicht genutzten gewerblichen Küche weiterzumachen. Die neuen Marmeladen-Kreationen ließ Šafránková von den restlichen Ortsbewohnern regelmäßig testen.

„Und allen haben sie geschmeckt. Wir haben auch Konkurrenzprodukte gekauft, also andere nicht-industriell gefertigte Marmeladen, um zu vergleichen. Und immer stellten sich meine als die besten heraus. Das gab mir weiteren Auftrieb.“

Das Dorf testet mit

Romana Šafránková  (Foto: Archiv von Romana Šafránková)
Langsam war bei der Marmeladenköchin der Ehrgeiz geweckt. Romana Šafránková probierte immer ausgefallenere Geschmackskombinationen, beispielsweise Erdbeere mit schwarzem Pfeffer und Balsamico. Und das auch, weil sie gerne an Wettbewerben teilnehmen wollte.

Die erste Bewerbung mit klassischen Marmeladen führte noch nicht zum Erfolg. Für die zweite jedoch war das gefordert, was in Großbritannien als Marmelade gilt: ein Brotaufstrich aus eingekochten Zitrusfrüchten. Die EU hat übrigens diese Definition übernommen, und seit 2001 darf die klassische Marmelade im deutschen Sprachraum nur noch Konfitüre heißen. Šafránková jedenfalls bewarb sich Anfang vergangenen Jahres zum weltweit wohl wichtigsten Wettbewerb seiner Art im nordenglischen Dalemain: The World´s Original Marmalade Awards.

„Ich war da bereits besser vorbereitet, so dass ich zumindest Etiketten hatte, dies auch in Englisch, und Gläser. Zwei Monate im Voraus habe ich mir durchgelesen, in welcher Kategorie ich ins Rennen gehen kann. Also beschloss ich, Orangen und Zitronen zu verarbeiten, die waren als einzige Zitrusfrüchte auch ohne chemische Behandlung in Tschechien zu bekommen. Limetten oder Pomelo habe ich beispielsweise nicht erhalten. Dann habe ich versucht, Rezepte zu überlegen, zusammen mit Freundinnen, abends beim Wein. Ich habe eine Menge Geschmackskombinationen für Zitronen und Orangen gefunden. Weil aber Marmeladen aus Zitrusfrüchten in Tschechien keine Tradition haben, musste ich auch viel im Internet suchen. Meine Siegermarmelade Zitrone-Mojito haben wir uns aber zu Hause selbst ausgedacht. Wenn man Mojito mit Limette trinkt, dann müsste ebenso die Kombination mit Zitrone klappen, haben wir uns gedacht. Und das hat wohl letztlich auch die Jury überzeugt.“

Doppelgold für Zitrone-Mojito

Foto: Archiv von Romana Šafránková
Dass sie im Wettbewerb Gold gewonnen hat, erfuhr Romana Šafránková durch einen Telefonanruf der Veranstalter. Sie fuhr daher zusammen mit einer Bekannten im Auto die rund zweitausend Kilometer in die Grafschaft Cumbria. Vor Ort stellte sie erst fest, dass sie auch die allerhöchste Auszeichnung – also Double Gold – erhalten hatte. Und das unter 2000 eingereichten Produkten aus 26 Ländern der Erde. Als sie zurück in Tschechien war, habe sie erst einmal überlegt, wie sie denn ihren Erfolg publik machen könne, sagt Šafránková.

Foto: Archiv von Romana Šafránková
„Das ist gar nicht so leicht. Als erstes haben wir natürlich eine Webseite entworfen. Dann begannen ein paar Läden mit regionalen Produkten, meine Marmeladen zu übernehmen. Ich wurde von den Organisatoren unterschiedlicher Gastronomie-Festivals angesprochen. Das war alles neu für mich. Noch nie bin ich zum Beispiel an einem Verkaufsstand gestanden. Zuerst war ich bei größeren Festivals, dann habe ich mich überreden lassen, es auch auf Bauernmärkten in Prag zu probieren. Mittlerweile werde ich auch aus dem Ausland angesprochen, zum zweiten Mal jetzt aus Shanghai. Und die Lebensmittelketten haben Interesse, meine Produkte im Feinkostbereich anzubieten. All das eröffnet sich mir erst gerade, und es wird sich zeigen, in welche Richtung die Reise geht.“

Foto: Archiv von Romana Šafránková
Das Label für ihre Produkte heißt Marmelády Šafránka. Mittlerweile hat sie sich auch Verstärkung für die Produktion geholt. Und aus der Garage auf dem Grundstück wurde eine moderne Küche, in der neben Marmeladen und Konfitüren auch Chutneys entstehen. Angeschlossen ist zudem ein kleiner Laden.



Workshops geplant

Blanka Milfaitová  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Einen ähnlichen Hype hatte auch eine weitere tschechische Marmeladenköchin erlebt. 2013 gewann Blanka Milfaitová beim gleichen Wettbewerb in Nordengland ebenfalls Double Gold. Die Frau aus dem Böhmerwaldvorland gab allerdings nach knapp einem Jahr all ihre großen Geschäftsideen auf. Auch weil sie sich nicht vorstellen konnte, am Fließband zu produzieren und die Qualität zu halten.

Spitzenmarmeladen haben natürlich ihren Preis. Romana Šafránková sagt wie Milfaitová, sie wolle bei der Qualität keine Abstriche machen. Doch umgerechnet 6,50 bis 8,50 Euro für das 250-Gramm-Glas sind eher etwas für Feinschmecker. Vielleicht erwägt Šafránková auch deswegen, noch in eine andere Richtung zu gehen:

„Schon seit vergangenem September verspreche ich den Leuten, dass ich mit Workshops beginne. Dabei könnte ich auch von meinem früheren Beruf profitieren. In Prag habe ich einige Angebote, um Menschen das Kochen von Marmelade beizubringen. Darauf freue ich mich sehr. Aber der Tag hat nur 24 Stunden, und ich habe eine große Familie.“