Brünner Spielberg – gefürchtetes Gefängnis der Habsburger Monarchie

Festung Spielberg (Foto: Bjalek Michal, CC BY-SA 3.0)

Mitten in Brno / Brünn befindet sich auf einem gleichnamigen Hügel die Festung Spielberg. Sie ist das Wahrzeichen der südmährischen Stadt und schon aus der Ferne sichtbar. Die Geschichte der Festung kennt in Mähren fast jeder: Die einstige gotische Burg wurde in 17. Jahrhundert in eine mächtige Barockfestung mit einem gefürchteten Gefängnis umgewandelt. Der Volksmund nannte den Spielberg sogar „Kerker der Völker“.

Festung Spielberg  (Foto: Štěpánka Budková)
Die Burg Spielberg wurde in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts angelegt. Gegründet hat sie der mährische Markgraf und spätere böhmische König Přemysl Otakar II. Die Burg war gedacht als Symbol seiner Herrschaft und repräsentativer Sitz der böhmischen Herrscher in Mähren. Die Könige kamen jedoch nur selten nach Brünn, einzig 1337 weilte dort eine gewisse Zeit lang Bianca Margarete von Valois, die erste Ehefrau von Karl IV. Im 14. Jahrhundert wurde Spielberg Sitz der mährischen Markgrafen, sie waren Verwandte der Luxemburger und regierten autonom in Mähren. 1410 wurde Markgraf Jobst sogar zum König des Deutschen Reiches gewählt – und Spielberg erhielt den Status einer der „Hauptstädte“ des Reiches. Jobst starb jedoch bereits drei Monate später. Jiří Vaněk ist Historiker am Stadtmuseum von Brünn:

Ferdinand I.
„Der Spielberg blieb eine kaiserliche Burg, bis Ferdinand I. sie 1560 verkaufte. Der Kaiser wollte sie ursprünglich an einen ungarischen Adeligen veräußern, die mährischen Stände stellten sich jedoch dagegen. Es handle sich doch um den Sitz der Markgrafschaft, lautete das Argument. Sie kauften daher selbst die Burg, um sie umgehend – jedoch ohne die vielen dazugehörenden Ländereien – an die Stadt Brünn zu verkaufen.“

Teilnehmer des Ständeaufstands als Erste inhaftiert

Jahrhundertelang galt der Spielberg als eine uneinnehmbare Festung. Sie widerstand unter anderem dem doppelten Ansturm der Schweden, die 1643 und 1645 versuchten, Brünn zu erobern. Erst nach der Schlacht bei Austerlitz 1805 fiel sie kampflos in die Hände von Napoleon. Bevor die französischen Truppen die Stadt verließen, zerstörten sie auf Befehl des Kaisers einen Großteil der Festung. Der Spielberg sollte seine militärische Bedeutung verlieren.1820 wandelte ihn Kaiser Franz I. offiziell zu einem Staatsgefängnis um. Diesem Zweck diente jedoch die Burg auch schon früher, betont Jiří Vaněk.

Franz von Dietrichstein
„Die ersten Häftlinge dort waren unseren Dokumenten nach Aufständische, die nach der Schlacht am Weißen Berg von 1620 bestraft wurden. Mit dieser Schlacht wurde der Aufstand der Stände erstickt, und die katholischen Habsburger siegten endgültig in den Böhmischen Ländern. Mitglieder der Stände wurden auch in Brünn verurteilt und auf dem Spielberg inhaftiert. Was bemerkenswert ist: Die Strafen in Brünn waren deutlich milder als in Prag, es kam nicht zu einer Hinrichtung. Meiner Meinung war das auch das Verdienst von Kardinal Franz von Dietrichstein, der damals Landeshauptmann war und die Lage beruhigen wollte. Er hatte kein Interesse daran, die Stände weiter aufzuhetzen.“

Nach der Schlacht am Weißen Berg konfiszierte Kaiser Ferdinand II. den Spielberg und richtete dort ein Gefängnis ein. Inhaftiert wurden dort auch prominente Persönlichkeiten: dänische und schwedische Generäle und Befehlshaber der Truppen Albrechts von Wallenstein. Während der Herrschaft von Joseph II. kamen auch klassische Kriminelle hinzu. Denn der Habsburger reformierte Ende des 18. Jahrhunderts die Rechtsordnung: Es wurden zivile Staatsgefängnisse errichtet, die die Grundlage bildeten für den heutigen Justizvollzug. Für Schwerstverbrecher blieben aber zwei Festungskerker bestehen, der Schlossberg bei Graz und eben der Brünner Spielberg.

Angeschmiedet bis zum Tod

Kasematten  (Foto: Ondřej Kořínek,  CC BY-SA 3.0)
Zudem wurde damals die Todesstrafe aufgehoben und durch eine lebenslängliche Freiheitsstrafe ersetzt. Mit Humanismus hatte das jedoch wenig zu tun: Die Inhaftierten wurden – wie Josef II. in seinem Dekret schrieb – in den tiefsten und schlechtesten Kasematten in hölzernen Blockhütten, das heißt in speziellen Zellen gefangen gehalten. Und da sie angeschmiedet waren und sich nicht bewegen konnten, starben sie meist binnen weniger Monate. In den Brünner Kasematten wurden insgesamt 67 Blockhütten errichtet, darunter sieben für Frauen.

Kasematten  (Foto: Doktory,  CC BY-SA 2.5)
„Die Kasematten dienten ursprünglich als Versteck für die Burggarnison. Sie entstanden kurz nach der Belagerung von Brünn durch die preußischen Truppen von Friedrich II. im Jahr 1742. Damals waren 4000 Soldaten zur Verteidigung der Stadt eingesetzt. Das Problem aber war, diese irgendwo unterzubringen. Gleich nach dem Abzug der Preußen wurde daher entschieden, Unterkünfte für 1200 Soldaten an einem Ort zu schaffen, an dem sie vor der Artillerie geschützt waren“, so Historiker Vaněk.

Das lebenslange Anschmieden von Strafgefangenen hob 1790 Kaiser Leopold auf – der Nachfolger von Josef II. Im selben Jahr wurden auch die Blockhütten abgerissen. Bald danach erlangte aber der Spielberg erneut traurige Berühmtheit. Miroslava Menšíková vom Brünner Stadtmuseum:



Foto: Ondřej Kořínek,  CC BY-SA 3.0
„Nach der Französischen Revolution kamen Jakobiner aus Wien, Ungarn und Italien als Häftlinge auf den Spielberg. Mit ihnen entstand dort die Kategorie der politischen Gefangenen. Zudem wurden Italiener aus der Lombardei, aus Venezien und aus weiteren zur k. u. k. Monarchie gehörenden Regionen in den Brünner Kerker gesteckt. Offiziell waren sie zum Tode verurteilt, aber das war nur der Schein. Die Urteile sollten vor allem vor jeder Revolte abschrecken, deswegen wurden sie öffentlich auf den Marktplätzen verkündet. Die Bestraften hatten in diesem Moment aber noch keine Ahnung, dass der Kaiser sie bereits begnadigt und zur Gefängnisstrafe verurteilt hatte. Das erfuhren sie erst später. Und noch dazu wurde bei der Gefängnisstrafe nur die Hälfte des Tages gezählt. Das heißt, wenn jemand 20 Jahre bekam, waren dies tatsächlich nur zehn Jahre.“

Jakobiner und Carbonari – das Zeitalter politischer Gefangener

Carbonari-Denkmal auf dem Hügel Spielberg  (Foto: Beentree,  CC BY-SA 4.0)
Bei den Italienern handelte es sich um die sogenannten „Carbonari“, die sich für eine Wiedervereinigung Italiens einsetzten. Das Land war damals zerteilt. Die Lombardei, Venezien und Mailand gehörten ab 1815 zu Österreich, das die „Carbonari“ streng verfolgte. Die ersten Verhafteten kamen im Februar 1822 nach Brünn. Heute lässt sich nur noch vermuten, was ihnen vor der Abreise versprochen worden war. Laut den vorhandenen Quellen hatten sie auch Spazierstock, Frack und Bücher im Gepäck. Die Gefängnisverwaltung wusste aber nicht, wie sie diese Menschen behandeln sollte: Sie nahm ihnen alles ab und steckte sie in Gefängniskleidung von Kriminellen.



„Kerker der Völker“  (Foto: Maxx,  CC BY-SA 3.0)
Doch Kaiser Franz I. befahl, dass ein spezieller „Erzieher“ sie zu loyalen Untertanen machen sollte. Weil es schwer war, einen solchen Mann zu finden, schickte der Kaiser seinen persönlichen Beichtvater nach Brünn. Als die Gefängnisverwaltung das sah, bekam sie wahrscheinlich Angst und verbesserte die Bedingungen für die Inhaftierten. Diese wurden bald als Prominente behandelt und erhielten ihre Sachen zurück.

In den folgenden Jahrzehnten waren auf dem Spielberg politische Oppositionelle aus der ganzen Habsburger Monarchie inhaftiert. Es handelte sich sowohl um Einzelne, als auch um große Gruppen. Nach der Niederschlagung des Aufstands im polnischen Teil von Österreich im Jahr 1846 kamen 96 Polen nach Brünn in Haft. Die Gefangenen mussten arbeiten, unter anderem bei der Reinigung der Stadt. Bei Bedarf wurden sie auch in der Umgebung von Brünn eingesetzt. Teilweise konnten sie Kontakt aufnehmen zur Bevölkerung. Deswegen hieß der Spielberg schon bald landauf, landab „Kerker der Völker“.

Auch die Nazis nutzten den Spielberg als Gefängnis

Festung Spielberg  (Foto: Ben Skála,  CC BY-SA 3.0)
Offiziell diente die ehemalige Festung nur bis 1855 als Staatsgefängnis, ab da sollte sie Militärkerker sein. In Wirklichkeit waren dort aber auch weiter Zivilisten inhaftiert. Miroslava Menšíková mit einem Beispiel:

„Da war ein Französischlehrer, der an der deutschen Technischen Schule unterrichtet hatte. Nach dem Beginn des Ersten Weltkriegs wurde er als Bürger einer feindlichen Nation auf dem Spielberg interniert. Ein solches Schicksal teilten dort viele weitere wirkliche und vermutliche Feinde der Monarchie. Auch die Nationalsozialisten nutzten die alte Festung zur Inhaftierung ihrer Feinde. Die ersten Verhafteten wurden gleich nach der Ausrufung des Protektorats Böhmen und Mähren, also Ende März 1939, dorthin verschleppt.“

Selbst danach konnte sich der Spielberg von seiner düsteren Geschichte noch nicht befreien. Denn auch die Kommunisten hielten dort nach ihrer Machtübernahme im Februar 1948 Regimegegner fest. Erst 1962 wurde der Spielberg zum Museum erklärt und für Besucher zugänglich gemacht.