Intervention! St. Salvator feiert den Aschermittwoch der Künstler

Foto: Annette Kraus

Kirchen aller Baustile aus den vergangenen Jahrhunderten bilden einen der größten Kunstschätze von Prag. Dass sich Kunst und Kirche in der tschechischen Hauptstadt auch heute noch etwas zu sagen haben, beweist die akademische Pfarrgemeinde St. Salvator direkt bei der Karlsbrücke. Die Fastenzeit der katholischen Pfarrei beginnt jedes Jahr mit einer Intervention – Künstler setzen sich auf ihre Weise mit dem barocken Bau aus dem 17. Jahrhundert auseinander.

Foto: Annette Kraus
St. Salvator ist gefüllt bis auf den letzten Platz. Vorne am Altarraum drängen sich die Gläubigen. Hinten am Portal schauen immer wieder neugierige Touristen herein. Ein breites rotes Band durchteilt den Kirchenraum, hängt von der Kuppel herab und beschirmt majestätisch wie ein Baldachin den Mittelgang.

„Durch diesen Raumschnitt mache ich den Kirchenraum in seiner Konzeption erfahrbar. Ich hebe ihn hervor, ich arbeite aber auch gegen das ganze barocke Inventar, die Überfrachtung in der Kirche.“

Das sagt Christian Helwing. Der Künstler aus Bremen ist verantwortlich für die diesjährige Intervention in St. Salvator. Mit einem Gottesdienst wurde sie am Aschermittwoch eröffnet.

Christian Helwing  (Foto: YouTube Kanal des Kunstvereins Hannover)
„Ich reduziere den Kirchenraum auf eine essentielle, minimale Erfahrbarkeit. Es ist auch ein Kontrast, aber kein Kontrast, der als Architektur und Gebäude gegen die Kirche arbeitet, sondern Teile der barocken Ideen der Architekten aufgreift und eigentlich überbetont. Und somit für den Besucher den Kirchenraum anders, neu oder verändert erfahrbar macht.“

Free Visit heißt die Installation, eine ironische Anspielung auf die Schilder, die Passanten in die Kirche locken sollen. Seit 2009 lädt die Gemeinde St. Salvator Jahr für Jahr zur Fastenzeit einen Künstler ein, der sich dann seinen Reim auf den Raum macht. Norbert Schmidt ist verantwortlich für die Kunstbegegnungen in St. Salvator:

Tomáš Halík | Foto: che,  Wikipedia Commons,  CC BY-SA 2.5
„Der Aschermittwoch der Künstler hat eine lange Tradition, auch in Deutschland. Sie geht zurück bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. Damals hat man in Paris in der Fastenzeit eine Messe für die gefallenen Künstler gehalten. Seitdem feiert man in verschiedenen Städten in Europa diesen Aschermittwoch der Künstler. Ein Fest der Begegnung der Welt des Glaubens, der Religion und der Kunst.“

Nach Prag gebracht hat die Tradition Tomáš Halík. Der Theologe baute nach der Wende die erste akademische Pfarrei der Tschechischen Republik auf steht ihr bis heute als Priester vor. Seelsorge für die Studenten ist eine Aufgabe von St. Salvator, aber bei weitem nicht die einzige, sagt Norbert Schmidt:

Patrik Hábl  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
„Es ist mehr, es ist eigentlich die intellektuelle Kirche von Prag. Hierher kommen Menschen aus Kultur und Politik. Václav Havel saß immer da hinten, auch Karel Schwarzenberg kommt ab und zu, andere Politiker, Künstler, Fotografen. Wir haben ein volles Programm, einen Dialog mit der Gesellschaft über politische, philosophische Fragen und Fragen des interreligiösen Dialogs. Wir hatten Muslime, Imame, die hier gepredigt haben. Sogar der Dalai Lama war schon hier. Ein Umgang mit Kunst, so wie wir das machen, ist eigentlich sehr logisch.“

Foto: Annette Kraus
Patrik Hábl hat 2013 für Aufmerksamkeit gesorgt, als er alle Bilder in der Kirche verhüllte. Michal Škoda installierte im vergangenen Jahr einen Spiegel im Mittelgang. Auch für Christian Helwing hatte das Projekt einen besonderen Stellenwert. Nach monatelangen Vorbereitungen und einer Woche Arbeit in Prag war er am Aschermittwoch erleichtert:

„Das Projekt war von den Dimensionen neu für mich. Ich habe noch nie so eine große Teppichkurve in einen Raum gehängt. Es gab technische Fragezeichen, ich hatte schlaflose Nächte. Ob es funktionieren würde, hat sich erst in dieser Woche gezeigt, und letzten Endes hat es geklappt.“


Kirche St. Salvator  (Foto: Kristýna Maková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
Die Intervention „Free Visit“ ist in der Zeit vom 10. Februar bis zum 24. März 2016 während der Gottesdienste, sowie dienstags bis freitags von 13 bis 16:30 Uhr und sonntags von 15 bis 20 Uhr zugänglich. Am 15. März gibt es nach der Messe um 19 Uhr einen Diskussionsabend mit dem Künstler Christian Helwing. Mehr Informationen zu den weiteren Kunstaktionen und Veranstaltungen von St. Salvator gibt auch auf Deutsch im Internet unter http://ctu-uk.cz.

Autor: Annette Kraus
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