Bessere ambulante Versorgung: Tschechien plant eine Psychiatrie-Reform

Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks

Tschechien steht vor einer Reform der Psychiatrie. Ärzte beklagen seit langem die chronische Unterversorgung in dem Bereich. Die neuen Konzepte sehen nun vor allem den Ausbau der ambulanten Behandlungsmöglichkeiten vor.

Svatopluk Němeček  (Foto: ČTK)
Am Montag verhandelte Gesundheitsminister Svatopluk Němeček (Sozialdemokraten) mit Experten aus dem Gesundheitswesen und den Krankenkassen. Um die Reform der Psychiatrie zu stemmen, brauche es zunächst einmal mehr Geld, sagte der Minister danach vor Journalisten:

„Die Allgemeine Krankenversicherung (VZP) hat ziemlich deutlich gemacht, dass die Psychiatrie als Ganzes besser finanziert werden muss, und zwar so, dass sie das Niveau westlicher Länder erreicht. Das bedeutet, dass es bei dieser Reform nicht darum geht, EU-Fonds auszuschöpfen, sondern eher um die Errichtung eines optimalen Systems in Tschechien für die Zukunft.“

Genauso sehen es die Ärzte. Martin Hollý ist der Leiter der psychiatrischen Klinik Bohnice in Prag und damit Chef der größten Einrichtung dieser Art in Tschechien:

Martin Hollý  (Foto: Alžběta Švarcová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Es ist Fakt, dass unser Staat im europäischen Vergleich einen der niedrigsten Anteile für die psychiatrische Behandlung ausgibt. Bei uns beträgt der Anteil an den Gesamtgesundheitskosten etwa drei Prozent, der europäische Durchschnitt liegt bei ungefähr acht Prozent. Aber selbst postkommunistische Länder wie Ungarn oder Polen geben um die fünf Prozent aus.“

In einer Zeit des Wirtschaftswachstums in Tschechien müsse dieses Defizit dringend beseitigt werden, sagt Hollý. Eine Arbeitsgruppe hat in Zusammenarbeit mit dem European Brain Council berechnet, dass die finanziellen Auswirkungen psychischer Erkrankungen hierzulande bei etwa 100 Milliarden Kronen (3,7 Milliarden Euro) jährlich liegen. Hohe Folgekosten durch Rückfälle und Arbeitsunfähigkeit könnten aber vermieden werden, wenn sich die Behandlung verbessere. Als Basis dafür gilt nun der Ausbau der ambulanten Versorgung. Laut Martin Hollý ist der Staat dazu verpflichtet:

Foto: Tschechisches Fernsehen
„Damit erfüllt der Staat den Paragraph 19 über Menschen mit gesundheitlicher Beeinträchtigung. Dieser besagt, dass ein kranker Mensch Hilfe an seinem Wohnort erhalten sollte. Wenn also jemand eine chronische Krankheit hat und Hilfe braucht, dann sollte er sie am Wohnort bekommen und nicht umziehen müssen in eine psychiatrische Klinik und dort lange Zeit verbringen.“

Ziel der Dezentralisierung ist nicht die Einsparung von teuren Klinikplätzen. Patienten müssten die Chance bekommen, in ihrem persönlichen Umfeld behandelt zu werden, sagt Martin Hollý.

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„Es können unterschiedliche Formen sein, alternative Dienste wie geschützte Wohngemeinschaften oder auch Therapiemaßnahmen im Familienumfeld. Diese ganzen Neuerungen zielen darauf ab, dass die Behandlung zum Patienten kommt und nicht in irgendwelchen Einrichtungen konzentriert wird.“

Aus EU-Fonds könnte das tschechische Gesundheitswesen für die anstehende Reform etwa fünf Milliarden Kronen (148 Millionen Euro) erhalten.