Kein Zugang zu Toiletten und unnötige Fixierungen: Psychiatrien in Tschechien in der Kritik

Mangelnder Zugang zu Toiletten oder die Verlegung in Isolationsräume als Strafmaßnahme: In einigen psychiatrischen Kliniken in Tschechien besteht der Verdacht, dass gegen Menschenrechte verstoßen wird. Zu diesem Schluss ist ein Untersuchungsbericht des Gesundheitsministeriums gekommen. Er stammt aus dem Jahr 2018 und ist nun an die Öffentlichkeit gelangt.

Gürtel auf einem psychiatrischen Bett | Foto: Anna Košlerová,  Tschechischer Rundfunk

Auf das 27-seitige Dokument aufmerksam gemacht hat vergangene Woche die Website irozhlas.cz, das Online-Nachrichtenportal des Tschechischen Rundfunks. Die Untersuchungskommission kritisierte damals etwa überfüllte Zimmer, aber auch den starken Einsatz von Zwangsmaßnahmen. So wird in dem Bericht etwa auf den Fall einer Patientin eingegangen, die zwölf Jahre lang durch Gurte fixiert wurde. Nur vereinzelt wurde sie zum Zwecke der Körperpflege freigemacht. Kritisiert wird diese Praxis von mehreren Seiten.

Der Sozialarbeiter Jindřich Jašík hat wegen des Falls Anzeige erstattet. Jašík sagte: „In dem Bericht schreibt sogar jemand, dass er die Zustände für Folter hält. Dabei würde es sich um Folter oder Misshandlung von Schutzbefohlenen handeln. Meiner Meinung nach hat deshalb Anzeigepflicht bestanden.“

Toiletten | Foto: Anna Košlerová,  Tschechischer Rundfunk

Das Gesundheitsministerium hat die Polizei jedoch 2018 nicht über die Zustände informiert. Jan Pfeiffer ist Psychiater. Auch er hält das dauerhafte Angurten für falsch: „Es gibt Länder, die aufmerksamer sind und empfindlich, was Menschenrechte angeht. So etwas ist dort undenkbar. Tschechien wird mit der Zeit aber auch so ein Land werden“, sagte Pfeiffer in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks. Der Direktor der betroffenen Klinik in Opava / Troppau, Zdeněk Jiříček, verteidigt seine Institution jedoch: „Wir haben uns den Bericht zu Herzen genommen. Die Dinge, die kritisiert wurden, sind wir angegangen. Die Empfehlungen haben wir versucht, in die Tat umzusetzen – im Hinblick auf unsere finanziellen und personellen Möglichkeiten.“

Einer der Pavillons in der psychiatrischen Klinik Opava. | Foto: Anna Košlerová,  Tschechischer Rundfunk

Auch wenn dieser Fall nun also behoben scheint, von den 17 untersuchten Einrichtungen fielen 2018 noch weitere negativ auf. Am Montag informierte irozhlas.cz über die psychiatrischen Kliniken in Dobřany / Dobrzan und Šternberk / Sternberg. Dort seien Hinweise auf einen Verstoß gegen die Menschenrechte festgestellt worden, heißt es.

So sollen in Dobřany 11 bis 13 Menschen in einem Zimmer untergebracht worden sein. Im Fall der Einrichtung in Šternberk wurde etwa das Verhalten des Personals bemängelt, so sei es dort etwa zum Anschreien der Patienten gekommen. Doch nicht nur das. In dem Bericht heißt es auch: „Den Zustand der Isolationsräume sehen wir als nicht-ausreichend an. Er steht im Widerspruch mit der Menschenwürde.“ So hätten die Zimmer mitunter keine Türklinken, und statt Betten befänden sich in den Räumen Holzplanken mit einfachen Matratzen.

In einem der Zimmer der psychiatrischen Klinik Opava befinden sich acht Patienten | Foto: Anna Košlerová,  Tschechischer Rundfunk

In einigen Fällen sind dem Bericht zufolge Patienten als Strafmaßnahme in die Isolationsräume verlegt worden. In den Einrichtungen konnten die Bewohner zudem mitunter nicht die Toiletten benutzen, stattdessen mussten sie Eimer oder Urinflaschen verwenden.

Einem Mitglied der Kontrollkommission von 2018 zufolge liegt das Problem nicht bei einzelnen Abteilungen oder Angestellten, vielmehr sei das gesamte Pflegesystem in schlechtem Zustand. Die verwendeten Zwangsmaßnahmen seien demnach auch eine direkte Folge des Personalmangels.

Psychiatrische Klinik Dobřany | Foto: Jana Kosová,  Tschechischer Rundfunk

Die Einrichtungen in Dobřany und Šternberk haben laut irozhlas.cz seit 2018 daran gearbeitet, die Zustände zu verbessern – oder sie sind gerade dabei. So wird das Personal geschult, neue Mitarbeiter werden eingestellt, oder es laufen Umbauarbeiten. Die Gesamtzahl der Zwangsmaßnahmen bei psychiatrischen Patienten ist derweil jedoch gestiegen – während 2018 noch 294 Fälle gemeldet wurden, lag die Zahl im vergangenen Jahr bei 370.