Interniert in Sibirien – deutschböhmische Künstler im Ersten Weltkrieg
Tschechische und slowakische Soldaten desertierten im Ersten Weltkrieg zuhauf und bildeten sogenannte tschechoslowakische Legionen. Aber auch deutschsprachige Bewohner der böhmischen Länder waren in der k.u.k. Armee im Einsatz. Eine besondere Gruppe bildeten dabei Künstler. Ihre Schicksale dokumentiert derzeit eine Ausstellung in Liberec / Reichenberg.
„Die Ausstellung besteht aus zwei Teilen. Der eine behandelt die offizielle Propaganda des Kriegspressequartiers – das heißt Werke, die unter dem Einfluss von Zensur und ganz klaren inhaltlichen und formalen Vorgaben entstanden sind. Der andere Teil bearbeitet die sibirische Gefangenschaft. Dort sind Werke zu sehen, die in dieser Gefangenschaft entstanden und nach Europa mitgebracht worden sind, oder Werke, die die Künstler im Anschluss an die Gefangenschaft in ihrer Heimat geschaffen haben.“
Die Ausstellung ist in tschechisch-österreichisch-deutscher Zusammenarbeit entstanden. Kuratorin Habánová hat sich vor allem mit den deutschböhmischen Künstlern im Kriegspressequartier beschäftigt. Wie zum Beispiel mit Heinrich Hönich. Er stammte aus Reichenberg und musste Propagandabilder malen, zum Beispiel in Serbien, Galizien und Italien.
„Er hat drei Konvolute von Grafiken angefertigt, das sind insgesamt mehr als 50 Blätter. Darin hat er das gängige Leben im Heer wiedergegeben, aber auch in den Städten selbst, durch die er mit der Armee gekommen ist. Die Werke sind absolut harmlos, das ist kein Anzeichen von Kämpfen zu sehen, keine Kriegsszenen.“
So sahen sie aus, die Auftragsarbeiten nach den Vorgaben aus Wien. Ganz anders hingegen die Werke jener deutschböhmischen Künstler, die in russische Gefangenschaft gerieten. Während ihre tschechischsprachigen Landsleute meist im europäischen Teil des Riesenreiches bleiben konnten, kamen die deutschsprachigen Soldaten der k.u.k. Armee nach Sibirien. Lena Radauer von der Universität in Freiburg ist Mitautorin der Ausstellung. Die österreichische Historikerin präzisiert:
„Grundsätzlich würde ich behaupten, dass aber die Künstler relativ gut davongekommen sind. Mit ihrem kreativen Geist und ihrer Begeisterung für Landschaften hatten sie viele Inspirationen in Sibirien. Trotz der widrigen Umstände des Lagerlebens, die nicht zu unterschätzen sind, fanden sie die Möglichkeit zu arbeiten und hatten ein Sujet durch den Lageralltag und einfach durch das russische Leben.“
Ein Beispiel ist Alfred Kunft, der die Stadt Wladiwostok in seinen Bildern und Zeichnungen festgehalten hat. Auch wenn die Ausstellung das bisher relativ unbekannte Thema deutschböhmischer Künstler öffentlich macht, sagt Historikerin Habánová aus Liberec:„Leider, und das ist eine große Lücke bei der Untersuchung der deutschsprachigen Künstler aus Böhmen, Mähren und Schlesien, fehlen uns Unterlagen – es fehlt uns weiter an Archivmaterial, an Tagebüchern.“
Die Ausstellung „Na Sibiř“ ist in der Bezirksgalerie von Liberec zu sehen. Historikerin Habánová sucht aber weiter nach Werken deutschböhmischer Künstler und nach Dokumenten zu ihnen. Dazu besteht eine eigene Webseite: www.nemeckoceskeumeni.cz.