Reich durch den Handel - Budweis wurde vor 750 Jahren gegründet

Budweis

Das Florenz unter den böhmischen Städten – so hat der tschechische Schriftsteller Jan Neruda das südböhmische České Budějovice / Budweis genannt. Vielleicht hat ihn der quadratische Marktplatz mit der Fläche von einem Hektar beeindruckt, in der Mitte der „Samson“-Brunnen. Bis heute hat Budweis seinen einzigartigen Charme behalten, und besonders dieses Jahr kann man ihn genießen. Die Kreisstadt feiert nämlich ihren 750. Geburtstag. Dazu eine Zeitreise durch Budweis.

Přemysl Otakar II.
Im 13. Jahrhundert suchte der böhmische König Přemysl Otakar II. ein neues Zentrum für den südböhmischen Teil seines Reiches. Er entschied sich für die Ebene am Zusammenfluss von Moldau und Maltsch. Er hätte auch einen anderen Ort wählen können: Damals war es eigentlich üblich, Städte in der Nähe alter Burgstätten zu gründen. Der Grund für Přemysl Otakars Entscheidung war strategischer Natur: 1263 war der Landesfürst Wok von Rosenberg gestorben, mit ihm hatte der König gute Beziehungen gepflegt. Nun fürchtete der böhmische Herrscher aber Konflikte mit Woks Nachfolgern, deswegen kaufte er günstig gelegene Ländereien mit dem Ziel, in der Region einen Stützpunkt für seine Macht aufzubauen. 1265 gab er die Urkunde „Fundatio Civitatis“ heraus, also die „Gründung einer Stadt“. Der architektonische Grundriss von Budweis war damit von Anfang an festgelegt. Daniel Kovář ist Historiker am Kreisarchiv der Stadt:

Dominikanisches Kloster in Budweis  (links). Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag
„Als der königliche Lokator erstmals an den betreffenden Ort kam, gab es dort wahrscheinlich nichts. Alles musste erst aufgebaut werden. Aus den ersten Jahrzehnten der Stadtgründung sind einige Fragmente erhalten: die ältesten Teile des dominikanischen Klosters, die Reste der Festung, die Fundamente der Nikolaikirche und vor allem der Grundriss der Stadt. Mit dem rechteckigen Straßenmuster erinnert er an ein Schachbrett. Auch der Name der Stadt stammt von damals. Nicht weit entfernt lag die Ortschaft Budiwojovice, benannt nach ihrem Besitzer Herrn Budiwoj. Diese Bezeichnung ging dann auf die neue Königsstadt über. Das Adjektiv „české“, also „böhmisch“, stammt erst aus dem 20. Jahrhundert, als die Stadt von einer gleichnamigen Siedlung in Mähren unterschieden werden sollte. Seit Beginn kamen auch deutschsprachige Siedler nach Südböhmen, ihnen ging das Wort Budiwojovice wohl nur schwer über die Lippen. Bald entstand daher auch die volkstümliche kurze Variante der Stadtbezeichnung: Budweis.“

Die katholische Stadt trotz den Hussiten

Jan Žižka  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
Die tschechische Geschichte war im Mittelalter teils vom Hussitentum geprägt, also durch die religiöse Reformbewegung des Jan Hus. Der Kirchenreformer kam aus Südböhmen, konkret aus einem kleinen Dorf im Vorland des Böhmerwaldes, aber auch der hussitische Kämpfer Jan Žižka - er stammte aus dem Städtchen Trocnov nahe Budweis. Sogar die von den Hussiten gegründete Stadt Tábor liegt gerade noch so in Südböhmen. Budweis und Umgebung waren jedoch vom Hussitentum nicht beeinflusst. Josef Bůžek ist Historiker an der Südböhmischen Universität in Budweis:

„Budweis war eine katholische Hochburg, dem standen aber die Hussiten gegenüber mit ihrer Idee vom Utraquismus, der freien Verkündigung von Gottes Wort, und anderem. Jan Žižka versuchte, die Stadt zu erobern, jedoch vergeblich. Hinter der verstärkten Festungsanlage fanden zahlreiche katholische Adelige Zuflucht. Nachdem „Hussitenkönig“ Georg von Podiebrad den Thron bestiegen hatte, sollte Budweis sogar den Rosenbergern untergeordnet werden. Dies wäre natürlich eine große Schmach für die Städter gewesen, sie konnten letztlich jedoch das Privileg der Königsstadt verteidigen. Zu Ende des 15. Jahrhunderts unterstützten sie die Jagiellonen, seitdem mussten sie keine Konflikte mehr mit der königlichen Macht austragen. Im 16. Jahrhundert wurde Budweis eine feste Stütze der Habsburger Herrscher.“

Enge Handelsbeziehungen zu Freistadt

Salzstadel in Budweis  (Foto: Reo On,  CC BY-SA 3.0)
Die Stadt erlebte damals eine Zeit der Blüte. 1529 fand in Budweis die Landesversammlung des Böhmischen Königreichs statt und ein Jahr später sogar die Generalversammlung aller Länder der böhmischen Krone. Die Kernfrage bei diesen Verhandlungen war die Einführung von Sondersteuern für den Krieg gegen das Osmanische Reich. Auch wirtschaftlich ging es der18. století Stadt sehr gut, sie nutzte ihre günstige Lage zwischen Böhmen und Österreich. Der Reichtum kam vor allem durch den Handel mit Salz aus Bayern und aus dem Salzburger Land. In Böhmen war die Nachfrage nach diesem Grundnahrungsmittel hoch, selbst hatte man aber keine Vorräte. Aber nicht nur das Salz stand im Mittelpunkt.

„Die Kaufmannsbücher der Budweiser sind erhalten, in ihnen lässt sich ganz genau erforschen, welche Ware im 16. Jahrhundert zwischen Budweis und Freistadt in Oberösterreich gehandelt wurden. Exportiert wurden vor allem Lebensmittel wie Honig, Käse oder Butter sowie Talg, umgekehrt wurde neben Salz zum Beispiel Eisen aus Steiermark eingeführt. Durch diesen Handel sind die Budweiser Kaufleute im 16. Jahrhundert ungewöhnlich vermögend geworden. Sie hatten zum Beispiel auch unterschiedliche goldene Gegenstände zu Hause sowie wertvolle Bücher. Ihre Geschäftspartner in Freistadt bemühten sich, Tschechisch zu lernen, wie man aus den dort erhaltenen Kaufmannsbüchern herauslesen kann. Ich gehe daher davon aus, dass sich in beiden Städten eine zweisprachige Gruppe herausgebildet hat. Einige Einträge haben die Freistädter nämlich in ihren Büchern sogar tschechisch geschrieben“, so Josef Bůžek.

Koh-i-noor Hardtmuth  (Foto: MOs810,  CC BY-SA 4.0)
Der wirtschaftliche Aufschwung setzte ich auch in den folgenden Jahrhunderten fort und fußte immer auf den guten Kontakten nach Österreich. Einer der wichtigsten Budweiser Betriebe wurde später zum Beispiel Kohinoor Hartmuth, einer der größten Bleistifthersteller weltweit. Die Firma entstand zwar 1790 in Wien, siedelte 1842 aber nach Budweis um. Ihr Eigentümer Josef Hartmuth hielt die Entwicklungsmöglichkeiten in Südböhmen einfach für besser. Er und seine Nachfahren ließen viele prächtige Bauten in Budweis errichten, die bis heute bewundert werden können.

Wiener Barock in Budweis

Pferdeeisenbahn zwischen Budweis und Linz
Ein anderes bekanntes Projekt war die Pferdeeisenbahn zwischen Budweis und Linz respektive Gmunden, es war die erste Verkehrsverbindung dieser Art auf dem europäischen Festland. Projektiert worden war die Pferdeeisenbahn von Franz Anton Gerstner, einem Professor an der Polytechnischen Schule in Wien. Ebenfalls aus Österreich nach Budweis kam der Salzhändler Thaddäus Lanna, der Schifffahrt auf der Moldau betrieb. Sein Sohn Karl Adalbert Lanna wurde ein bedeutender böhmischer Großindustrieller, der sich unter anderem an der Gründung der Eisenwerke in Kladno beteiligte und zahlreiche Eisenbahnlinien besaß. Aber nicht nur wirtschaftlich, sondern auch kulturell standen sich Südböhmen und Österreich sehr nahe, sagt Bůžek.

Budweis am Anfang des 17. Jahrhunderts
„Im 17. und 18. Jahrhundert wurden die wichtigsten Barockbauten in Budweis von den gleichen Architekten entworfen, die auch im Donaugebiet tätig waren. Man kann da über eine Expansion des Wiener Barock sprechen. Als Beispiel kann das Budweiser Rathaus gelten, das Werk des Hofarchitekten Anton Erhardt Martinelli, der auch zahlreiche Bauten in Wien und Prag projektiert hat. Die städtischen Häuser stammen wiederum von Paul Ignaz Bayer, der die Architektur der Donauregion gezielt nach Südböhmen übertrug. Alle diese Persönlichkeiten standen im Dienste der südböhmischen Adelsgeschlechter Schwarzenberg und Eggenberg, nebenbei arbeiteten sie aber auch für die Stadt Budweis.“

Tomáš Garrigue Masaryk  (Foto: YouTube)
Bleibt noch die Frage: Budweis oder Budějovice? War die Stadt deutsch oder tschechisch? Die Experten sind sich einig, dass von Beginn an beide Nationalitäten etwa gleich stark in der dortigen Bevölkerung vertreten waren. Konflikte soll es jahrhundertelang praktisch keine gegeben haben. Stattdessen war der Lokalpatriotismus stark ausgeprägt und ging über die Sprachgrenzen hinweg. Im 19. Jahrhundert bezeichneten sich die deutschsprachigen Bewohner der Stadt einfach als „Budweiser“ – sie hielten sich weder für Deutsche noch für Tschechen. Auch der Zerfall der Monarchie und die Entstehung der Tschechoslowakei 1918 verliefen in Budweis relativ ruhig. Die deutsche Stadtverwaltung wurde durch eine tschechische ersetzt, zugleich wurde aber der „Budweiser Pakt“ unterschrieben, in dem beide Seiten die Rollen im Schulwesen und in anderen Bereichen aufteilten. Im selben Jahr 1918 kehrte der neue Staatspräsident Tomáš Garrigue Masaryk aus dem Exil zurück, und zwar mit dem Zug aus Linz. Symbolisch war, dass Masaryk in Budweis seinen ersten Halt machte.

Das gute Verhältnis zwischen den ethnischen Gruppen bekam aber während der 1930er Jahre erste Risse. Der Zweite Weltkrieg und die nachfolgende Vertreibung der Deutschen zerstörten die Beziehungen dann vollständig. Erst nach der politischen Wende von 1989 kam es wieder zu Kontakten zwischen den früheren deutschen und den heutigen Bewohnern der Stadt.

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